[Buchgedanken] Ben Aaronovitch: „Ein Wispern unter Baker Street“

Heute möchte ich meine erste Buchbesprechung für 2017 mit Euch teilen (und die letzte, bevor mein tolles neues Büchertagebuch ankommt – aber dazu nächste Woche mehr :)).

Über den Jahreswechsel habe ich „Ein Wispern unter Baker Street“ gelesen, den dritten Teil von Ben Aaronovitchs Urban-Fantasy-Buchreihe über den Londoner Polizisten und Zauberlehrling Peter Grant. Das Buch ist als Taschenbuch 2013 bei dtv erschienen, die Originalausgabe wurde 2012 unter dem Titel „Whispers Under Ground“ bei Gollancz, London, veröffentlicht.

„Ein Wispern unter Baker Street“ entführt den Leser in die Londoner U-Bahn. Als die 61en0z4hzcl-_sx312_bo1204203200_Leiche eines amerikanischen Kunststudenten gefunden wird, wird der Polizei schnell klar, dass Magie im Spiel ist. Deswegen werden Peter Grant und Leslie May zu dem Fall hinzugezogen, der sich schnell als komplizierter herausstellt, als sie es sich vorgestellt hatten. Denn der Getötete ist der Sohn eines amerikanischen Senators – was das FBI auf den Plan ruft. Vergessene Tunnel, Flussgottheiten und ein alter Feind. Im Untergrund von London gerät Constable Peter Grant in mehr als eine brenzlige Situation. Und alles, unter den wachsamen Augen der FBI-Agentin Reynolds…

Mit dem dritten Band knüpft Ben Aaronovitch nahtlos an die Handlung der ersten Bände an. Hierbei ist aber zu beachten, dass – auch wenn „Ein Wispern unter Baker Street“ als eigenständiges Buch gelesen werden kann – ich zwingend empfehle, die Reihe von Beginn an zu lesen, da dem Leser sonst schlichweg viele Hintergrundinformationen fehlen. Abgesehen davon ist der Roman erneut ein Paradebeispiel des Genres. Ben Aaronovitch integriert die Magie und magischen Wesen mühelos in die Londoner Gesellschaft und schafft einen Urban-Fantasy-Roman, der wie die Vorgänger vor allem durch seinen bestechenden Humor punkten kann – seit Terry Pratchett das humorvollste, was die Fantasy zu bieten hat.

Auch die Protagonisten und Nebencharaktere überzeugen vollends und sind detailreich ausgearbeitet (allerdings kam mir Nightingale in diesem Band etwas kurz). Zudem führt Ben Aaronovitch in diesem Band neue Wesen und Figuren ein, die das kleine, aber feine magische Universum erweitern – man lernt wie in jedem Band mit Peter mit.

Das Cover ist gelungen und auf der Vor- und Rückseite aufwendig geprägt. Buchsatz, Lektorat und Korrektorat sind ebenfalls ohne erkennbare Schwächen. Teil 4 kann also kommen (und liegt auch schon auf meinem SuB :)).

Die Handlung spielt in der Woche vor Weihnachten und ist kurzweilig. Mit vielen Plottwists und unerwarteten Wendungen lässt der Autor den Leser immer wieder im Unklaren darüber, was eigentlich genau vor sich ging. Dabei gelingt es Ben Aaronovitch, diesen Fall nicht nur eigenständig zu erzählen, sondern auch nahtlos in die (über alle Bände angelegte) Jagd nach dem Erzschurken der Reihe zu integrieren. Die Spannung wird dabei konstant aufgebaut, und nur durch die ebenfalls wichtigen witzigen Momente unterbrochen. „Ein Wispern unter Baker Street“ ist dabei genauso sehr Polizei- wie Fantasyroman und beschreibt auf humoristische – aber sicherlich auch zumindest teilweise zutreffende – Weise die Skurillitäten britischer Polizeiarbeit.

Mein Fazit: „Ein Wispern unter Baker Street“ ist ein Paradebeispiel für das Genre „Urban Fantasy“. Der Roman überzeugt mit Witz und tollen Charakteren, und ich kann ihn bedenkenlos jedem Liebhaber der Fantasy ans Herz legen. Allerdings würde ich empfehlen, vorher die Vorgänger „Die Flüsse von London“ und „Schwarzer Mond über Soho“ zu lesen.

 

10 Gedanken zu “[Buchgedanken] Ben Aaronovitch: „Ein Wispern unter Baker Street“

  1. Ich hatte leider das Gefühl, dass hier schon (und noch mehr im Folgeband) der Story ein bisschen die Puste ausgeht. Für mich ein klassischer Fall von Serien-Streckung, die der Geschichte nicht gut tut. Dabei gefallen mir Grundidee und Charaktere sehr. Liebe Grüße!

    1. Da kannst du durchaus Recht haben – ich habe die Vorgänger schon vor Urzeiten (okay, vielleicht vor 3-4 Jahren^^) gelesen, daher war das jetzt wieder angenehm und interessant. Wenn man alle Bände zeitnah liest, kann das schon sein :). Ich werde jetzt ja Band 4 auch in Kürze lesen – vielleicht stellt sich dann auch bei mir der Eindruck ein.

  2. Lieber Erik,
    das ist eine sehr eingängige und fundierte Leseanimation für die magische Krimiserie von Ben Aaronovitch. Ich habe inzwischen alle sechs Bände gelesen, meine Besprechung zum sechsten Band („Der Galgen von Tyburn) werde ich im Juli 2017 publizieren …

    Alle Peter-Grant-Bände bieten spannende Unterhaltung, raffinierte Krimihandlung, witzige Randbemerkungen und Wortspiele, lesenswerte Charaktere und eine perfekte Dramaturgie sowie eine magische Perspektive auf die Stadt London.

    Die Ergänzung der alltäglichen Wirklichkeit durch eine magische Wirklichkeit macht den faszinierenden Reiz dieser Krimi-Serie aus. So wie die menschlichen Ermittler magische Züge tragen, so tragen die unterschiedlichen magischen Charaktere menschliche Züge, und das läßt die übernatürlichen Wesen irgendwie fast normal erscheinen. Doch auch wenn Oberon hier Calvin-Klein-Boxershorts trägt, sollte man ihn keinesfalls unterschätzen.

    Die Verbindung von archetypischen, magischen und übersinnlichen Wesen mit modernen Accessoires ist charmant und paßt zu den kontrastierenden Charakteren der menschlichen Ermittler. Daß sich solche Gegensätze zu einer mitreißenden Dramaturgie fügen und der Spielraum für unterhaltsame Dialoge und einige Prisen Genreselbstironie weidlich genutzt wird, ist das Verdienst des Autoren, der gekonnt und raffiniert eine magische Mischung serviert, in der sich Überraschungs-, Gänsehaut- und Schmunzeleffekte angenehm abwechseln.

    Darf ich Dich mit nachfolgenden Link zu einem Lesebesuch auf mein Buchbesprechung-Blog einladen?

    https://leselebenszeichen.wordpress.com/2013/08/14/die-flusse-von-london/

    Nachtaktive Grüße 😉
    Ulrike von Leselebenszeichen

    1. Liebe Ulrike,
      danke für den ausführlichen Kommentar, ich kann dem im großen und ganzen zustimmen. Für mich ist die Reihe auch perfekt inszenierte Urban Fantasy, die vor allem auch Wert auf den humoristischen Teil legt. Ich habe bis jetzt die ersten vier Bände gelesen, leider hat mich allerdings der vierte Band nicht mehr so überzeugt, wie die ersten drei, da dort enormes Potential verschenkt wurde. Sicherlich werde ich irgendwann aber mal die Folgebände noch lesen, und schauen, ob sich das wieder gebessert hat.

      Vielen Dank auch für den Link, ich werde später mal bei dir nach Buchempfehlungen stöbern (ich finde es toll, dass du als Buchhändlerin bloggst!). Mir sind beim Überfliegen gleich ein paar Sachen aufgefallen, die ich blind unterschreibe: Klassische Musik, Downton Abbey, und eigene Lyrik-Versuche *g*.

      Ich bin mal gespannt, was sich noch so alles Interessantes bei dir verbirgt 🙂

      Liebe Grüße,
      Erik (dessen Blog keinen spannenden Namen hat, da er damals als reiner Autorenblog gestartet ist :))

      1. Lieber Erik,
        herzerfreuten Dank für Deine harmonische Zustimmung und Deine zugeneigte Auflistung unserer Gemeinsamkeiten… *gg*

        Der fünfte Band ist im Vergleich zu den ersten vier Bänden recht harmlos-märchenhaft und streift beinahe das Genre des Cosy-Crimes. Der Schauplatz ist dort ausnahmsweise nicht London, sondern eine dörflich-ländliche Umgebung, in der Peter-Grant als botanischer Analphabet zwischen angriffslustigen Einhörnern herumirrt …

        Der sechste Band spielt wieder in London, erreicht jedoch nicht die quecksilbrige Eloquenz der ersten drei Bände. In meiner kommenden Besprechung werde ich das näher erläutern.

        Mir kommt es bei Blogs nicht auf den spannenden oder plakativen NAMEN an, sondern auf die lesenswerten INHALTE. So manche klangvolle Überschrift erschöpft sich meiner Leseerfahrung nach nämlich schon in der Formulierung der Überschrift … 😉

        Auf Wiederlesen und liebe Grüße von
        Ulrike

      2. Vielen Dank. Das klingt ganz danach, als ob der fünfte Band etwas für mich sein könnte – ich meine, wer kann schon Einhörnern widerstehen :). Vielleicht lese ich dann doch irgendwann mal in ferner Zukunft die weiteren Teile der Reihe – auch wenn ich meinen SuB bereits jetzt stöhnen höre, wenn er auch nur an zwei weitere Bücher denkt… 🙂

        Liebe Grüße,
        Erik

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.