[Buchgedanken] Louis Bayard: „Der denkwürdige Fall des Mr Poe“

In der letzten Zeit habe ich „Der denkwürdige Fall des Mr Poe“ von Louis Bayard gelesen. Das Buch ist 2022 bei insel taschenbuch, Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, erschienen, die Originalausgabe wurde 2006 unter dem Titel „The Pale Blue Eye“ bei William Morrow Paperbacks, einem Imprint von HarperCollins Publishers, LLC. veröffentlicht. Das Buch ist als historischer Kriminalroman einzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Peter Knecht verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars auf der diesjährigen Buchmesse Popup in Leipzig.

1830: An der angesehenen West Point Academy wird ein junger Kadett tot aufgefunden – er wurde erhängt und sein Herz herausgeschnitten. Keinesfalls darf die Öffentlichkeit von dem grauenhaften Verbrechen erfahren, so beauftragt man Augustus Landor, einen ehemaligen New Yorker Polizeidetektiv, mit den Ermittlungen. Schon bald folgen weitere brutale Morde, und der Fall wird immer rätselhafter. Doch Landor erhält unerwartet Hilfe – von einem jungen Kadetten mit dunkler Vergangenheit, Hang zum Trinken und poetischen Ader: Edgar Allan Poe …

„Der denkwürdige Fall des Mr Poe“ ist ein historischer Kriminalroman, der den Leser in das Amerika des 19. Jahrhunderts versetzt, und der – mit Ausnahme des sechsmonatigen Zeitraums des letzten Kapitels und Prologs – insgesamt nur eine erzählte Zeit von zwei Monaten besitzt, deren Handlung sich kammerspielgleich auch räumlich begrenzt mit einem sehr engen Personenkreis abspielt.

Die Handlung insgesamt ist spannend und abwechslungsreich, wird in Berichtsform aus der Sicht von Gus Landor erzählt. Eingestreut sind zudem schriftlich abgefasste Berichte von Poe. Dem Autor gelingt es ferner, mit unerwarteten Wendungen den Leser gelegentlich aufs Glatteis zu führen, auch wenn Teile natürlich gleichsam vorhersehbar sind.

Das Setting hingegen vermag auf ganzer Linie zu überzeugen, entführt es den Leser doch an die geheimnisvolle und prestigeträchtige West Point Militärakademie, an die militärische Kaderschmiede einer noch jungen Nation. So ist „Der denkwürdige Fall des Mr Poe“ auch ein Buch der Gegensätze zwischen Dorfkneipe und Galadinner beim Gouverneur, zwischen Plebe und Kadetten der High Society, zwischen militärischer Disziplin und Okkultismus.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen dreidimensional angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Dabei überzeugen insbesondere Nebencharaktere wie Thayer, Hitchcock und Artemus, während Poe etwas blass verbleibt. Louis Bayards Schreibstil lässt sich darüber hinaus flüssig und leicht lesen, das Kopfkino sofort anspringen.

Die Buchgestaltung ist größtenteils gelungen, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Umschlag ist auf Cover und Coverrückseite hochwertig geprägt und wartet mit Klappen auf. Das Covermotiv lässt hingegen etwas den Bezug zur Handlung vermissen und ist zwar schön aber unscheinbar, und wird auch am Übergang zum Buchrücken unterbrochen. Auch hätten die farbigen Coverinnenseiten noch gestaltet und, z.B., mit einer Karte des Handlungsortes versehen werden können.

Mein Fazit? „Der denkwürdige Fall des Mr Poe“ ist ein historischer Kriminalroman, der vor allem durch sein brillantes Setting und einige unerwartete Wendungen überzeugt. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.