[Buchgedanken] Timo Parvela: „Schatten – Der Pakt“ (Schatten 1)

Frisch von der Frankfurter Buchmesse habe ich – noch vor den ganzen Berichten – erst einmal eine Rezension für Euch, denn vor kurzem habe ich auch „Schatten – Der Pakt“ von Timo Parvela gelesen. Das von Pasi Pitkänen illustrierte Kinderbuch ist 2023 in der arsEdition GmbH erschienen, die Originalausgabe wurde 2022 unter dem Titel „Varjot 1: Helähdys“ im Verlag Tammi veröffentlicht und von Stefan Moster übersetzt. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Der 13-jährige Pete ist verzweifelt. Seine beste Freundin Sara ist unheilbar krank. Als letzten Ausweg flüstert Pete dem Weihnachtsmann im Kaufhaus seinen sehnlichsten Wunsch ins Ohr. Er erhält das Versprechen, dass Sara geheilt wird, aber unter einer Bedingung: Pete muss seinen Schatten hergeben. Pete zögert keine Sekunde. Wer braucht schon einen Schatten? Der Plan geht auf und Sara wird über Nacht gesund. Aber bald stellt Pete fest, dass er nicht nur seinen Schatten verloren hat, und dass ein Mensch ohne Schatten kein richtiger Mensch mehr ist. Pete und Sara schmieden einen Plan, wie sie die Schatten zurückerobern können. Aber ihr Gegner ist eine sehr, sehr dunkle Macht …

„Schatten – Der Pakt“ ist der Auftaktband in eine phantastische, mythenbasierte Kinderbuchreihe an der Grenze zum Jugendbuch, mit einer Altersempfehlung des Verlags für Leser:innen ab 10 Jahren. Durch die häufigen, teils sogar ganzseitigen Illustrationen rückt das Buch dabei auch in die Nähe eines Graphic Novels, auch aufgrund der Prominenz des Autors im Kinderbuchbereich habe ich es hier aber bei der Eingruppierung als (illustriertes) Kinderbuch belassen.

Die Handlung ist hochspannend, zielgruppenorientiert – wenn auch fast etwas zu düster – und kurzweilig, ein wahrer Pageturner. Dabei wird die Handlung durch die tollen Illustrationen unterstützt und zu einem wundervollen Gesamtpaket aus Bild und Text geschnürt. Kleinere Logikfehler vermögen hier den Lesefluss kaum zu stören, allenfalls das etwas zu offene Ende, das nicht einmal die beiden Handlungsstränge zusammenlaufen lässt, ist hier als kritisch anzusehen, da das Buch somit nicht als Standalone lesbar ist.

Das Setting ist größtenteils gelungen. So entführen uns Timo und Pasi ins Finnland der heutigen Zeit, aber auch in die Welt der Wichtel, Gnome und des Allerältesten: dem Weihnachtsmann; eine Welt, die aus dem Gleichgewicht geraten zu sein scheint. Zwar sind hier noch nicht alle Verbindungen, Schnittstellen und damit verbundenen Wechselwirkungen klar, dem Duo bleiben aber ja auch noch zwei weitere Bände, den Weltenbau zu vervollständigen bzw. die Mythen weiter auszuarbeiten.

Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive, wenn auch die Gnome und Wichtel (und Mischwesen zwischen ihnen) noch wenig greifbar bleiben. Bei den Menschen überzeugen vor allem Sara und Jere, während gerade der Chemielehrer als Antagonist bislang noch sehr eindimensional verbleibt. Timo Parvelas Schreibstil lässt sich hierbei leicht und flüssig lesen, ist altersgerecht und lässt das Kopfkino in Zusammenarbeit mit Pasi Pitkänens Bildern sofort anspringen.

Die Buchgestaltung brilliert auf ganzer Linie. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, insbesondere der Satz überzeugt durch ein tolles Zusammenspiel der wunderschönen Bilder und dem Text. Der Buchdeckel ist auf dem Cover leicht geprägt und mit farbigen Coverinnenseiten versehen. Das Titelbild – ein wahrer Eyecatcher, wenn auch etwas düster – zieht sich zudem gut über Buchrücken und Coverrückseite und lässt somit ein tolles Gesamtbild entstehen.

Mein Fazit? „Schatten – Der Pakt“ ist ein toller Auftakt in die phantastische Kinderbuchreihe, der vor allem mit seinen wunderschönen Illustrationen und einer spannenden Handlung punktet, allerdings leider auch viel zu offen endet. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag vorgeschlagenen Alter von 10 Jahren oder auch ein, zwei Jahre später.

[Buchgedanken] Olli Jalonen: „Die Himmelskugel

In der letzten Zeit habe ich den historischen Roman „Die Himmelskugel“ von Olli Jalonen in der Übersetzung von Stefan Moster gelesen. Das Buch ist 2021 im mareverlag veröffentlicht worden, die finnische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel „Taivaanpallo“ bei Otava Publishing Company Ltd. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag und die vermittelnde Agentur Literaturtest für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

Mitten im Atlantik, auf der Insel St. Helena, träumt der achtjährige Angus einen großen Traum: Er will in die Fußstapfen des Sternenforschers Edmond Halley treten und dessen Gehilfe im fernen London werden. Angus übt für seine Laufbahn als Wissenschaftler, indem er tagsüber Vögel zählt und nachts die Position der Sterne markiert, wie Halley es ihm bei seinem Besuch auf der Insel beigebracht hat. Als es unter dem tyrannischen Gouverneur zu Unruhen kommt, rückt die Erfüllung von Angus‘ Traum unverhofft näher: Mit einem geheimen Brief wird er als blinder Passagier an Bord eines Schiffes geschickt, um in England die Hilfe des geschätzten Herrn Halley zu erbitten…

„Die Himmelskugel“ ist – trotz des Rückblicks auf vergangene Zeiten – ein visionärer Roman; ein Buch über die Aufklärung und frühe Wissenschaft, über Treue, Loyalität und Hoffnung, und wurde mit dem „Finlandia-Preis“ ausgezeichnet. Dabei wird das Geschehen ausschließlich aus Sicht des Protagonisten Angus erzählt, im Fließtext gibt er erzählend Gedanken, Gefühle und Gespräche wieder.

Diese ungewöhnliche Form, der Mangel an Struktur, das gänzliche Fehlen richtiger Dialoge machen hierbei einerseits den Reiz des Buches aus, erfährt man doch alles gefiltert aus der Sicht eines anfangs noch sehr jungen Kindes, sorgen andererseits aber auch dafür, dass insbesondere der Einstieg ins Buch durchaus schwer fällt, ist es doch ganz anders, als man es als Leser gewohnt ist. Wenn man sich aber darauf einlässt, erfährt man eine faszinierende Welt, wächst und lernt mit Angus mit, erkundet und bereist faszinierende Orte.

Und auch wenn mich das Ende etwas ratlos zurücklässt und die Geschichte etwas langsam in Gang kommt, ist die Handlung doch größtenteils spannend und voller neuer Entwicklungen und Erkenntnisse, versucht man doch, mit Angus die Zusammenhänge überhaupt erst zu verstehen, wobei vieles im Dunklen bleibt, weil es das Bewusstsein des Kindes sprengt, ihm gänzlich unbekannt und fremd ist.

Das Buch brilliert nicht zuletzt durch sein wunderbares Setting, die Gegenüberstellung von London und St. Helena, von Wissenschaft und Religion und verschiedensten Gesellschaftsschichten und porträtiert so das Leben am Ende des 17. Jahrhunderts in einer Welt, die für nahezu alle Menschen sehr überschaubar ist, sieht man von Visionären wie Edmond Halley ab.

Die Buchgestaltung überzeugt im Wesentlichen. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist ebenfalls stimmig und passt sich der Erzählweise von Olli Jalonen an. Das Cover spiegelt den Inhalt wieder, zieht sich leider jedoch nicht über den gesamten Buchumschlag und wird am Buchrücken unterbrochen, bevor sich das Bild auf der Coverrückseite fortsetzt. Das Buch unter dem Umschlag ist schlicht, bietet aber immerhin farbige Coverinnenseiten, die das Titelbild aufgreifen.

Mein Fazit: „Die Himmelskugel“ ist ein literarisch wertvoller historischer Roman, der mit einem brillanten Setting und einer ausgeklügelten Erzählweise punktet – wenn man sich darauf einlässt. Für Liebhaber anspruchsvoller Literatur bedenkenlos zu empfehlen – kein Buch für zwischendurch!