[Buchgedanken] Anne Perry: „Der Würger von der Cater Street“ (Thomas & Charlotte Pitt 1)

Vor kurzem habe ich „Der Würger von der Cater Street“ von Anne Perry gelesen, den ersten Band ihrer „Thomas & Charlotte Pitt“-Reihe. Das Buch ist in der vorliegenden deutschsprachigen Ausgabe 2022 im Label Adrian Crime des Adrian Verlags, Adrian & Wimmelbuchverlag GmbH, neu erschienen und als viktorianischer Kriminalroman einzuordnen, die Originalausgabe erschien 1979 bei Robert Hale unter dem Titel „The Cater Street Hangman“. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact. Für die Übersetzung zeichnet Michael Tondorf verantwortlich, der auch bereits die früheren deutschen Ausgaben 2002 bei DuMont betreute, das Nachwort wurde von Volker Neuhaus verfasst.

Ein Mörder erwürgt junge Frauen in der Cater Street und lässt ihre geschwollenen Gesichter in den dunklen Schatten des vornehmen Viertels zurück. Als das Dienstmädchen der Familie Ellison das dritte Opfer des Mörders wird, übernimmt der junge Inspektor Thomas Pitt den Fall. Er muss die Fassade der Oberschicht durchbrechen, um sich der Wahrheit zu nähren. Die freimütige Charlotte Ellison, bemüht sich redlich, die Einschränkungen der viktorianischen Manieren zu erfüllen. Doch dem irritierten Polizisten gegenüber verhält sie sich etwas zu offen. Während sich ihre Beziehung zu etwas Kompliziertem entwickelt, müssen Thomas und Charlotte zusammen das Rätsel lösen, bevor „Der Würger der Cater Street“ erneut zuschlägt.

„Der Würger von der Cater Street“ ist der Beginn einer historischen Kriminalromanreihe von Anne Perry, die im viktorianischen London spielt und aus mittlerweile 32 Bänden besteht. Im Gegensatz zu ihrer Reihe um William Monk ist die „Charlotte & Thomas Pitt“-Reihe dabei im letzten Drittel des viktorianischen Zeitalters angesiedelt, beginnt die Handlung doch im Frühjahr 1881.

Der Roman besticht hierbei durch sein tolles Setting. So entführt Anne Perry den Leser wie schon erwähnt ins viktorianische London, in eine hochspannende Epoche, geprägt von Klassenunterschieden und Standesdünkel. Da die Familie Ellison zur oberen Mittelschicht gehört, steht sie zwischen der Welt des Adels und der Dienerschaft, ist in alle Richtungen durchlässig und ermöglicht so einen guten Einblick in die komplette Gesellschaft.

DIe Handlung ist grundsätzlich spannend, teils aber etwas vorhersehbar und startet etwas langsam, müssen doch erst die ganzen Charaktere eingeführt werden. Auch wird unschönerweise ein zentrales Handlungselement bereits durch den Titel der Reihe vorweggenommen, sodass hier einiges an Spannung verlorengeht – schade.

Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, wenn auch aufgrund der Vielzahl an Figuren hier noch Entwicklungsbedarf besteht, der hoffentlich in den Folgebänden konsequent umgesetzt wird. So überzeugt neben Charlotte vor allem Emily, während gerade Edward und Dominic noch etwas blass bleiben.

Anne Perrys Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen, ist authentisch und bildhaft. Teils sind die Perspektivwechsel allerdings etwas sprunghaft und nicht voneinander abgesetzt, sodass man kurzzeitig als Leser verwirrt zurückbleibt.

DIe Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat und Korrektorat sind nur Kleinigkeiten durchgerutscht, der Buchsatz und die grafische Gestaltung der ersten und letzten Seiten ist wunderschön. Zwar überzeugt das Covermotiv nicht (dies wird allerdings im Folgeband besser), dafür ist der Buchumschlag mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen.

Mein Fazit? „Der Würger von der Cater Street“ ist ein gelungener Auftakt in die Krimireihe, der vor allem durch sein Setting glänzen kann, eine zentrale Auflösung aber bereits vorwegnimmt, in jedem Fall jedoch Potential für Folgebände bietet. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 14 Jahren.