[Buchgedanken] Sebastian Beck: „Vinz Solo“

Vor kurzem habe ich „Vinz Solo“ von Sebastian Beck gelesen. Das Buch ist 2023 in der Langen Müller Verlag GmbH erschienen und als Entwicklungsroman einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Die niederbayerische Provinz in den Achtzigern: In Artlhofen tobt der Kulturkampf zwischen Kirche, CSU und der Anti-Atombewegung. Mittendrin der 18-jährige Oberministrant Vinzenz Bachmaier, der endlich auch einmal cool sein möchte. Aber statt zur Demo nach Wackersdorf muss er zur Wallfahrt nach Altötting mitfahren. So wird das nichts mit seiner Ricarda und der Karriere als Rockgitarrist. Als er schließlich mit seiner Band aus der katholischen Enge ausbricht und das Glück greifbar nah scheint, nimmt sein Leben eine tragische Wendung. Vinzenz ist plötzlich ganz auf sich und seinen kauzigen Freund Kowalczyk gestellt – und auf seinen trotzigen Lebenswillen.

„Vinz Solo“ ist der neueste Roman des bayrischen Journalisten Sebastian Beck – und mehr oder weniger ein Porträt, eine Skizze über das Leben im ländlichen Bayern der 80er Jahre. Darüber hinaus ist das Buch – wie oben benannt – ein Entwicklungsroman, ist Coming-of-Age und Gegenwartsliteratur. Und es ist durchaus auch Gesellschaftskritik – im Großen wie im Kleinen. Dabei lassen sich zumindest einige der angesprochenen Themen auch gut in die heutige Zeit transportieren und sorgen so für eine gewisse Aktualität.

Die Handlung ist hierbei durchaus abwechslungsreich, teils aber auch vorhersehbar und überzeugt vor allem im ersten Abschnitt, der vor Humor und Leichtigkeit strotzt, während der zweite und dritte Teil des Buches doch etwas abbaut. Zwar wird das Buch zum Ende hin wieder etwas stärker, dies wird aber durch das in Gänze offene Ende konterkariert, das den Leser doch etwas unbefriedigt zurücklässt – insgesamt fehlt hier etwas der rote Faden, der sich sinnstiftend durch die komplette Handlung zieht.

Das Setting ist naturgemäß ein Traum. Der Autor entführt den Leser in die bayrische Provinz der 80er Jahre, in eine Welt zwischen Tradition und ersten, zarten modernen Anwandlungen – zwischen Punk und Kirchenchor, zwischen Anti-Atomkraft und Konservatismus. Eine Reise, die für die meisten Leser, die die 80er Jahre nur am Rande oder gar nicht miterlebt haben, in vielen Punkten abenteuerlich, teils sogar gar nicht vorstellbar ist.

Die einzelnen Figuren sind vielschichtig angelegt, einige zentrale Nebenfiguren wie Dilara und Simmerl können hier auch überzeugen. Vinz hingegen hängt irgendwie in der Luft, handelt teils nicht nachvollziehbar, zeigt keine Lernkurve und macht es dem Leser somit trotz der Ich-Perspektive schwer, eine Bindung zu ihm zu entwickeln. Sebastian Becks Schreibstil ist leicht und flüssig lesbar und überzeugt gerade im ersten Teil mit bestechendem Humor, der leider im Verlauf der Handlung immer weiter abnimmt.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist fehlerfrei und lässt (immerhin) wenigstens die drei Buchabschnitte auf ungeraden Seiten beginnen, was bei der Masse an Kapiteln sonst nicht geschieht. Der Buchumschlag ist mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen, das Titelbild zieht sich gut über den gesamten Umschlag und sorgt für einen tollen Gesamteindruck, der auch durch die unglaublich gelungene Haptik des Buches verstärkt wird. Allerdings vermag das Titelbild in seiner Komposition nicht zu überzeugen. Zwar ist es farblich toll, die Zusammenstellung des gezeichneten Motivs mit dem hineingesetzten Menschen irritiert jedoch.

Mein Fazit? „Vinz Solo“ ist ein interessantes Porträt über das ländliche Bayern der 80er Jahre, das mit seinem Setting brilliert und stark und humorvoll beginnt, aber leider mit Verlauf der Handlung etwas nachlässt, den roten Faden vermissen lässt und viel zu offen endet. Für Leser mit Interesse am Thema dennoch zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

[Buchgedanken] Hannah Lechner: „Sehnsucht am Tegernsee“

Vor kurzem habe ich „Sehnsucht am Tegernsee“ von Hannah Lechner gelesen. Das Buch ist 2023 in der Emons Verlag GmbH erschienen und als Liebesroman einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Eine junge Frau zwischen Liebe und Loyalität. Eine berührende Liebesgeschichte aus dem Herzen Bayerns. Nach einer gescheiterten Beziehung verliebt sich Kira Wagner in Felix, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt, und ihr Leben gerät in Turbulenzen. Zur selben Zeit erbt sie von ihrem Onkel ein Hotel am Tegernsee. Der sympathische Noah bietet ihr viel Geld für das Anwesen – Geld, mit dem Kira Felix eine wichtige Operation ermöglichen könnte. Doch ihr Onkel hat ihr zu Lebzeiten das Versprechen abgenommen, das Hotel niemals zu verkaufen. Kira muss eine folgenschwere Entscheidung treffen.

„Sehnsucht am Tegernsee“ lässt sich bereits nicht so ganz einfach einem Genre zuordnen. So ist das Buch durchaus ein Liebesroman – auch wenn das Ende dafür eher unüblich ist und die Love Interests nicht ganz klar sind. Darüber hinaus ist das Buch aber auch Familiensaga, wird doch die Geschichte der Familie Wagner/Sollinger über mehrere Generationen hinweg beleuchtet. Und nicht zuletzt ist das Buch auch Entwicklungsroman, sowohl hinsichtlich Kira als auch bezüglich Felix und – teils – sogar Schicksalsroman.

Die Handlung ist abwechslungsreich, kurzweilig und mit unerwarteten Wendungen versehen. Dabei mischt Hannah Lechner die romantischen Storylines gut mit den schweren Themen, die den Roman durchziehen und durchaus Schwerpunkte setzen, aber nie die schönen Szenen gänzlich überlagern. Allerdings ist das Finale dann doch sehr unbefriedigend, werden doch viele zentrale Fragen nicht beantwortet – und viele Handlungsstränge schlichtweg offen gelassen und nicht aufgelöst.

Das Setting ist wunderschön. So entführt die Autorin den Leser nach Bayern, in die Vielfalt des Landes zwischen Stadtleben (Bayreuth) und bezaubernder ländlicher Idylle (Rottach-Egern am Tegernsee). Dabei sind es vor allem die Szenen in den Bergen, die Wanderungen zu Wallfahrtskapellen und Hütten, die den Leser hier zum Träumen bringen, die für wunderschöne Bilder vor dem inneren Auge sorgen.

Die einzelnen Charaktere sind, zumindest größtenteils, vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugen vor allem Noah, Rudi (:D) und Georg, während Leonie etwas eindimensional verbleibt. Kira und Felix sind zusammen wirklich toll, haben aber auch unverständliche, nicht nachvollziehbare Momente, die etwas irritieren. Hannah Lechners Schreibstil ist im Übrigen leicht und flüssig lesbar, und lässt das Kopfkino sofort anlaufen.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Buchdeckel ist auf dem Cover, der Coverrückseite und dem Buchrücken hochwertig geprägt. Das Covermotiv ist wunderschön, wird leider aber zum Buchrücken hin unterbrochen. Insgesamt macht das Buch einen wertigen Eindruck, Klappen und/oder farbige Coverinnenseiten hätten hier die Gestaltung jedoch noch abrunden können.

Mein Fazit? „Sehnsucht am Tegernsee“ ist ein in vielen Punkten überzeugender Roman, der vor allem durch sein Setting und die abwechslungsreiche und ausbalancierte Handlung brilliert, leider jedoch ein zu offenes Ende hat. Dennoch bedenkenlos zu empfehlen.

Rezensionsexemplare im Doppelpack | Buchpost ganz in Blau

Heute möchte ich die Gelegenheit nutzen, Euch zwei Bücher zu zeigen, die mich bereits vor einigen Tagen als Rezensionsexemplare erreicht haben. „Vince Solo“ von Sebastian Beck (Langen Müller Verlag) kam dabei im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de zu mir, „Weite Sicht“ von Thorsten Pilz (Lübbe) über die Bloggerjury der Bastei Lübbe AG – vielen Dank dafür! Beide Bücher sind – zumindest im weitesten Sinne – sicherlich der Gegenwartsliteratur zuzurechnen, und bei beiden dominiert die Farbe Blau im Cover. Ich bin schon gespannt, ob mir schlussendlich das Blau des bayrischen Himmels oder der Nordsee besser gefällt.

Welche Farben oder Farbkombinationen mögt Ihr auf Covern besonders?

[Buchgedanken] Lilli Beck: „Wenn die Hoffnung erwacht“

Vor kurzem habe ich „Wenn die Hoffnung erwacht“ von Lilli Beck gelesen. Das Buch ist 2021 bei Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe veröffentlicht worden und als historischer Roman einzugruppieren. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag und die Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.

Deutschland 1947: Nora wird von ihrer Freundin zu einer deutsch-amerikanischen Silvesterfeier eingeladen und ist überwältigt, als sie dort den attraktiven US-Officer William kennenlernt. Lange versucht sie, die frisch entflammte Liebe vor ihrem Vater geheim zu halten, doch als sie ein Kind erwartet und William in die USA zurückbeordert wird, bleibt ihr nichts anderes übrig, als Farbe zu bekennen. Ihr Vater ist außer sich, hat aber bald eine Lösung parat, die Nora zu einer wohlhabenden Frau werden ließe und für die Familie finanzielle Vorteile hätte. Nora, die nicht daran denkt, in den Plan einzuwilligen, flieht mit ihrem Sohn nach München, wo ihr auf der Straße eine fiebrige, verwirrte wirkende junge Frau begegnet. Sie begleitet Celia nach Hause, zur Villa der wohlhabenden Wagners, und ahnt nicht, dass ihr Schicksal eine überraschende Wendung nehmen wird …

„Wenn die Hoffnung erwacht“ porträtiert die deutsche Nachkriegszeit, beziehungsweise das Leben im von amerikanischen Truppen besetzten Bayern zwischen 1947 und 1951 anhand des Schicksals zweier Familien, deren Schicksale im Verlauf der Handlung zusammenführen. Dabei werden die damals besonders ausgeprägten Kontraste zwischen arm und reich, zwischen Besatzern und Besetzten, aber auch zwischen Männern und Frauen drastisch und eindringlich dargestellt.

Während der Roman durch sein wunderbares Setting zu brillieren weiß, hätte ich mir teils noch ausführlichere, teils noch plastischere Beschreibungen gewünscht, um das Kopfkino – was unzweifelhaft zum Laufen kam – noch zu unterstützen, um die Atmosphäre noch greifbarer, dichter zu machen. Die Handlung ist im Wesentlichen spannend, teils aber vorhersehbar – und teils ist das Verhalten einzelner Charaktere nicht nachvollziehbar.

Dies sorgt auch dafür, dass bei mir die meisten Sympathien auf den wirklich gelungen angelegten Nebencharakteren liegt – vor allem bei Marlene und Luis, während Nora teils etwas blass bleibt – was aber nicht schlimm ist, denn der eigentliche Star des Buches ist nicht Noras Werdegang, sondern die gravierenden Umwälzungen der Geschichte, die runtergebrochen werden auf den Mikrokosmos einer – bzw. zwei – Familien. So wird Geschichte durch die Figuren lebendig, das Gefühl einer Generation auf die heutigen Leser transportiert, sodass ich es auch verschmerzen kann, dass am Ende nicht gänzlich alle Handlungsstränge zufriedenstellend aufgelöst worden sind.

Dabei lässt sich Lilli Becks Schreibstil schnell und flüssig lesen, ist authentisch und der Zeit angepasst, hätte aber – wie bereits erwähnt – mehr beschreiben, den Leser im Sinne von „Show, don’t tell“ noch stärker in die Geschichte ziehen können. Als Service übrigens wunderbar gelöst: Direkt in der ersten Zeile des Kapitels wird die jeweils handelnde Person erwähnt, um dem Leser den Einstieg in die Abschnitte zu erleichtern.

Die Buchgestaltung überzeugt im Wesentlichen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Buchumschlag ist auf dem Cover und Buchrücken hochwertig bedruckt, das darunterliegende Buch nüchtern und schmucklos. Das Covermotiv zieht sich über den gesamten Umschlag und ist – gerade in dem Mangel an Farben – farblich gelungen, fängt die Stimmung des Buches ein. Allerdings fehlt mir etwas der Bezug des Motivs zur Handlung.

Mein Fazit? „Wenn die Hoffnung erwacht“ ist ein gelungener historischer Roman, der vor allem durch sein tolles Setting punktet und das Leben im besetzten Bayern der Nachkriegszeit anschaulich und nachdrücklich porträtiert, sodass kleinere Schwächen in der Handlung verschmerzt werden können und das Lesevergnügen kaum mindern. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen.