[Buchgedanken] Martha Sophie Marcus: „Herrin des Nordens“

Im Rahmen einer lovelybooks-Leserunde durfte ich in den letzten Wochen das ebenfalls im Goldmann Verlag erschienene „Herrin des Nordens“ von Martha Sophie Marcus lesen.

Im Buch, das im 11. Jahrhundert spielt und einen Zeitraum von 22 Jahren (40 Jahren, bezieht man den Prolog mit ein) abdeckt, begleitet man die Kaufmannstochter Ingunn aus Haithabu sowie den Krieger und Abgesandten Jon Larsson durch zahlreiche Wirren und Abenteuer. Vor dem Hintergrund der dänischen Geschichte lernt man nicht nur viel über die Sitten, Gebräuche und Gepflogenheiten der damaligen Zeit, sondern erlebt mit den Protagonisten auch den Aufstieg des Christentums im nordischen Raum. Es ist zudem interessant, ein Buch über eine Region zu lesen, die doch im Lichte der Dominanz der Literatur über das englische oder kontinentaleuropäische Mittelalter etwas vernachlässigt erscheint.5110ls9u3nl-_sx314_bo1204203200_

„Herrin des Nordens“ reiht sich dabei nahtlos in den aktuellen Trend ein, starke Frauen als Protagonisten zu haben, und würde sicherlich auch als Film gut funktionieren, bedenkt man den Erfolg der Fernseh- und Kinoblockbuster „Die Hebamme“, „Die Pilgerin“, „Die Päpstin“, „Die Wanderhure“, „Elizabeth“ oder „Johanna von Orleans“ uvm. Hinter all den starken Charakteren muss sich Ingunn nicht verstecken, standhaft, loyal, mutig und tapfer meistert sie alle Aufgaben, die ihr gestellt werden und sorgt fast allein für Haithabus Erhaltung und das Wohl ihrer Familie.

Allgemein kann man sagen, dass die Autorin Charaktere erschafft, mit denen man sich identifizieren kann, mit denen man mitfiebert, -lacht und -trauert. Erneut (ich entwickle mich langsam zum richtigen Goldmann-Fan) sind die Covergestaltung mit der leichten Prägung, die farbigen Coverinnenseiten und der Buchsatz wirklich exzellent gelungen – und das alles, trotz >700 Seiten, zu einem günstigen Preis.

Während die Handlung kleinere Höhen und Tiefen aufweist, bin ich vom Ende restlos begeistert und spätestens auf den letzten 50-100 Seiten ist das Buch ein echter page-turner. Es ist selten, dass mich der Schluss eines Romanes so zufriedengestellt hat – der Autorin ist es gelungen, alle offenen Fäden zusammenzuführen, alle Fragen und Schicksale zu klären und einen wunderbaren Bogen  zum Beginn des Buches zu spannen. Klar ist dadurch die Handlung am Schluss stark verdichtet, es geht Schlag auf Schlag, was man aber aufgrund der ohnehin überdurchschnittlichen Buchlänge leicht verzeihen kann – ab und an innezuhalten hätte hier den Rahmen sicherlich gesprengt.

Zudem ist das Buch gut recherchiert, insoweit die Autorin zu Gunsten der Lesbarkeit moderne Bezeichnungen benutzt, ist dies zu begrüßen, da der Lesefluss so erhalten bleibt – und sie zudem am Ende des Romanes darauf hinweist. Persönlich mag ich es zwar lieber, wenn die „Dramatis personae“ der Geschichte vorangestellt werden, aber da sich ein Hinweis vor dem Text auf das angehängte Glossar findet, ist dies ebenfalls okay.

In jedem Fall kann ich das Buch bedenkenlos jedem Liebhaber historischer Romane empfehlen.

Mein Fazit? „Herrin des Nordens“ ist ein gut recherchierter, flüssig lesbarer historischer Roman mit einer starken Protagonistin und überzeugenden Charakteren, der zwar abseits des Mainstreams spielt, im ein oder anderen Leser aber sicherlich das Interesse am Mittelalter im nordischen Raum und der Wikingerzeit weckt.