Vor kurzem habe ich „Stigma“ von Lea Adam gelesen, einem Pseudonym des Autorinnenduos Regina Denk und Lisa Bitzer. Der Roman ist 2023 als Ullstein Taschenbuch in der Ullstein Buchverlage GmbH veröffentlicht worden und als Thriller einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Eine Männerleiche, die Augenhöhlen leer, eine Plastiktüte über dem Kopf: Mordermittlerin Jagoda „Milo“ Milosevic und ihr Kollege Vincent Frey stoßen auf Hinweise, dass der Tote in der Vergangenheit Frauen missbraucht hat. Ein mögliches Motiv? Der Verdacht erhärtet sich, als kurz darauf ein weiterer verurteilter Sexualstraftäter ermordet wird. Milo folgt bei den Ermittlungen ihrem Instinkt, doch sie fühlt sich zunehmend beobachtet. Erkennt sie das Böse, wenn es vor ihr steht?
„Stigma“ ist der erste Fall für das Ermittlerduo Jagoda „Milo“ Milosevic und Vincent Frey, die schon länger in Hamburg gemeinsam als Partner arbeiten. Vom Verlag als feministischer Thriller beworben (was soll das überhaupt sein?), lassen sich aufgrund der Tätigkeit beider Ermittler auch gute Argumente für die Eingruppierung als – etwas blutigerer – Kriminalroman finden, der Einfachheit halber habe ich es aber bei der Genrezuordnung „Thriller“ belassen, die Übergänge sind hier ohnehin fließend. Es bleibt zudem abzuwarten, in welche Richtung sich die Reihe noch entwickelt.
Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich, wenn auch im späteren Verlauf zumindest teils vorhersehbar. Dabei streuen die Autorinnen in die aus Milos Sicht geschilderten Ermittlungen (ich hätte mir hier mehr auch von Vince gewünscht!) auch einzelne Taten aus Opferperspektive ein – allerdings nicht die aufzuklärenden Verbrechen an den Männern, sondern ausschließlich die zugrundeliegenden Gewalttaten an Frauen – vielleicht ist das mit feministischem Thriller gemeint. Alternativ könnte dies auch auf der etwas holzhammerartigen Informationsvermittlung zu sexueller Gewalt liegen – in dieser Bandbreite und Dichte etwas zu viel und unnötig, denn niemand heißt diese Taten gut und die Defizite bei der Strafverfolgung sind bekannt – auch wenn die Polizei und Justiz daran die geringste Schuld tragen (was man vielleicht auch hätte klarer herausarbeiten können oder müssen).
Das Setting ist gelungen. Die Autorinnen entführen den Leser in ein Hamburg zwischen Nobelsiedlung und Sozialwohnungen, zwischen Rotlichtviertel, Organisierter Kriminalität und Politskandalen – eine pulsierende Stadt voller Leben (okay, einiger Leben weniger, wenn man bedenkt, wie sich hier durch das Buch gemordet wird). Lediglich innerhalb der Polizei hätte ich mir manchmal etwas mehr Beschreibungen gewünscht – um das Flair der Ermittlungen noch besser greifen zu können.
Die einzelnen Charaktere sind – im Wesentlichen – vielschichtig dargestellt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugt neben Vincent vor allem auch Susanne Süß, von der ich mir noch mehr Auftritte gewünscht hätte, wohingegen Milo doch eher blass bleibt und als ungeoutete lesbische Tochter konservativ-osteuropäischer Eltern doch diverse Klischees bedient. Der Schreibstil der Autorinnen lässt sich gut und flüssig lesen, wirkt aus einem Guss und lässt das Kopfkino sofort anspringen.
Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben ordentlich gearbeitet, der Buchsatz ist unaufgeregt, lediglich die Darstellung der Kapitel aus Opfersicht hätte noch etwas drastischer abgegrenzt werden können. Der Buchumschlag ist mit farbigen Coverinnenseiten versehen und generell farblich und typografisch toll gestaltet, das Covermotiv passt zum Genre, ist aber doch etwas nichtssagend.
Mein Fazit? „Stigma“ ist ein gelungener Auftakt in die Thriller-Reihe, der vor allem mit seinem Setting und einer spannenden Handlung glänzt, aber auch etwas unklar in seiner Botschaft ist und Nachholbedarfe gerade in der Figur der Protagonistin besitzt. Mit Potential für Folgebände und für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.