[Buchgedanken] Anne-Marie Garat: „Erinnerung und Lüge“

Vor kurzem habe ich auch „Erinnerung und Lüge“ von Anne-Marie Garat gelesen. Das Buch ist 2023 im GOYA Verlag, JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH veröffentlicht worden, die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel „La Source“ bei Actes Sud. Das Buch ist als Familiensaga einzuordnen, für die Übersetzung zeichnen Claudia Steinitz und Barbara Heber-Schärer verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Ein wundersames Herrenhaus im Herzen der Franche-Comté. Anfang der 1980er reist eine junge Wissenschaftlerin nach Ostfrankreich, vorgeblich für Studien. Mit dem Dorf Mauduit verbindet die Protagonistin auch eine verstörende Kindheitserinnerung. Eine Exkursion wird nie durchgeführt – aber die Protagonistin taucht auf anderem Wege tief in die Vergangenheit Mauduits ein, nämlich durch die Erzählungen der alten Lottie, die als letzte Bewohnerin eines verwunschenen Herrenhauses die Geschichte der Familie Ardenne hütet. Lottie gewährt der Protagonistin Kost und Logis, im Gegenzug muss die junge Frau ihrer Gastgeberin allabendlich am Kamin Gesellschaft leisten, während diese die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner*innen erzählt. Die Wissenschaftlerin wird allmählich in den Bann des Ortes gezogen und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte animiert. Wiederholt kehrt sie nach Mauduit zurück, um mit Lottie den Quellen der Geschichten auf den Grund zu gehen.

„Erinnerung und Lüge“ – selten fiel mir eine Rezension so schwer. So ist der Roman das zweite, ins Deutsche übersetzte Werk der vielfach prämierten und mittlerweile leider verstorbenen französischen Schriftstellerin Anne-Marie Garat. Dabei war der Roman bereits schwerlich einem Genre zuzuordnen, hat Aspekte historischer Romane oder auch der Gegenwartsliteratur. Aufgrund der starken Konzentration auf die Schicksale mehrerer Familien über diverse Generationen, habe ich mich jedoch für die Eingruppierung als Familiensaga entschieden.

Die Handlung ist grundsätzlich interessant und abwechslungsreich, allerdings relativ antiklimaktisch und teils unlogisch und durch abstruseste Zufälle gesteuert. Sie konzentriert sich auf die Geschicke mehrerer Familien, die miteinander verknüpft sind. Dabei werden die einzelnen Handlungsstränge kaum voneinander abgegrenzt, teils ist es sogar schwierig, die einzelne Perspektive zu erkennen, sodass es fast unmöglich ist, der Handlung sinnvoll zu folgen – auch durch die teils absurd langen Mammutsätze über mehr als 20 Zeilen, die das Lesevergnügen komplett wegbrechen lassen.

Das Setting kann im Gegensatz überzeugen. So entführt die Autorin den Leser ins kleinstädtische, ländliche Frankreich zur Zeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nimmt den Leser mit auf eine Reise bis nach Alaska auf den Spuren der frühen Goldgräber. Dabei werden die weltumstürzenden historischen Ereignisse im kleinen an Einzelschicksalen illustriert und greifbar gemacht.

Die Figuren zu beschreiben, ist kaum möglich, treten sie doch im Wesentlichen nur in Erzählungen auf – und haben teils nicht einmal Namen, so wie die Protagonistin des Buches. Insbesondere Anais wird hier unglaublich eindimensional dargestellt – und auch Lottie und die anderen Figuren zeichnen sich durch Egoismus und wenig Vielseitigkeit aus. Lediglich Nebenfiguren wie Marie-France und Abel vermögen hier zu überzeugen, gehören sie doch auch zu den wenigen, die direkt in Kontakt mit der Protagonistin treten. Anne-Marie Garats Schreibstil ist – wie oben bereits angedeutet – zwar poetisch und bildhaft, kommt durch die unnötig langen Sätze jedoch kaum in Geltung, ergießt sich in unzähligen Metaphern und Beschreibungen.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat sind lediglich Kleinigkeiten durchgerutscht, der Buchsatz ist solide – kann allerdings mangels Kapiteleinteilung auch kaum Struktur vermitteln. Der Buchumschlag ist relativ eintönig, das unter dem Umschlag befindliche Buch sehr einfach gestaltet – farbige Coverinnenseiten, Prägungen oder sonstige Veredelungen sucht man hier vergebens. Das Covermotiv ist durchaus ansehnlich, wenn auch beliebig, es wird jedoch zum Buchrücken hin radikal unterbrochen.

Mein Fazit? „Erinnerung und Lüge“ ist eine Familiensaga, die interessant beginnt, zum Ende hin aber abflacht und insgesamt durch überflüssig lange Sätze und fehlende Sinneinheiten jeden Lesefluss und jegliche Dynamik vermissen lässt. Eingeschränkt für Sprachliebhaber noch zu empfehlen.

[Buchgedanken] Nika S. Daveron: „Fine Line – Create Your Character“ (Fine Line 1)

In der letzten Zeit habe ich „Fine Line – Create Your Character“ von Nika S. Daveron gelesen. Vielen Dank an dieser Stelle an die Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Das Buch ist in der mir vorliegenden Ausgabe 2019 im Selfpublishing erschienen, die Erstausgabe wurde 2015 veröffentlicht. „Fine Line – Create Your Character“ ist als Fantasy-Roman einzuordnen, kann aber auch mit Thriller-Elementen aufwarten.

41tLeXKYJxLElayne ist ganz besessen von dem Spiel Fine Line, einem eigentlich typischen Onlinespiel. Doch bald stellt sie fest, dass an Fine Line eigentlich gar nichts normal ist, nachdem sie der Gilde Xanadu beitritt. Denn die Gilde hat durch eine spezielle Technologie die Möglichkeit, in den Körper ihrer Avatare einzutauchen. Anfangs gefällt Elayne dieses phänomenale Spielgefühl, doch schon bald entbrennt ein Kampf um Leben und Tod, als jemand versucht, diese Technologie zu stehlen.

„Fine Line – Create Your Character“ ist der Auftakt zu einer Buchreihe um das Computerspiel „Fine Line“ und greift das klassische Motiv auf, dass Menschen mit ihren Avataren verschmelzen, wenn auch auf eher ungewohnte Weise über einen technischen Ansatz. Da es diesem – zumindest noch – an Plausibilität fehlt, ist „Fine Line“ als Fantasyroman und nicht als Science Fiction einzuordnen. Dies kann sich aber durchaus im Verlauf der Reihe noch drehen.

Die Handlung ist spannend und durch den Wechsel zwischen realer und fiktiver Welt abwechslungsreich. Zudem gelingt es Nika S. Daveron auch, durch unvorhergesehene Wendungen immer mal wieder an der Spannungsschraube zu drehen. Zwar bietet der Roman – wie üblich in einer Reihe – leider am Ende einen Cliffhanger, dieser ist erfrischenderweise aber sehr mild ausgeprägt. Dennoch kann der Roman nicht wirklich als Standalone gelesen werden, da zum Ende hin kaum Handlungsstränge ausreichend aufgelöst sind.

Der Schreibstil der Autorin lässt sich gut und flüssig lesen, ist vor allem authentisch an der Gamer-Szene orientiert, was für einen durchschnittlichen Leser allerdings auch erstmal eine Umstellung sein kann. Da jedoch Elayne auch erst in die Szene hineinwächst, werden Begriffe wie TeamSpeak und Tank geduldig erklärt, sodass der Leser mit ihr zusammen die Gamingwelt kennenlernen kann – was auch dadurch erleichtert wird, dass man aufgrund der Ich-Perspektive von Elayne sich gut mit ihr identifizieren kann.

Das Setting überzeugt im Wesentlichen, die einzelnen Welten im Spiel hätten allerdings noch bildgewaltiger beschrieben werden können, um den Leser noch mehr mit auf die Reise zu nehmen, um das Kopfkino zu erleichtern. Lobend erwähnen möchte ich zudem die Lösung, die die Autorin im Bereich der Triggerwarnung gewählt hat. Zwar bin ich weiterhin der Überzeugung, dass man in den meisten Fällen auf sie verzichten kann und vielmehr Hilfsangebote für Betroffene in den Mittelpunkt stellen sollte, aber mit einem Hinweis, dass man für mögliche Triggerwarnungen Kontakt mit der Autorin vorab aufnehmen soll, kann ich mich ebenfalls anfreunden.

Da relativ viele Charaktere in dem Roman angelegt und eingeführt werden, ist es nachvollziehbar, dass die Entwicklung der einzelnen Charaktere noch etwas im Hintergrund bleibt. Dies ist für eine Reihe aber nicht unüblich, und daher hoffe ich, dass in den nächsten Bänden die Motive, Stärken und Schwächen der vielen Charaktere noch stärker herausgearbeitet werden. Dass sich gerade Elayne hier teils auch unlogisch und nicht nachvollziehbar verhält, liegt nunmal auch an der Krankheit (über die man sicher in den Triggerwarnungen informiert worden wäre).

Die Buchgestaltung hat hingegen leichte Schwächen zu bieten. So sind dem Lektorat und Korrektorat kleinere Fehler durchgerutscht, die sich aber noch im Rahmen halten und den Lesefluss nicht beeinträchtigen. Der Buchsatz verzichtet leider auf die automatische Silbentrennung am Zeilenende, sodass ein uneinheitliches Zeilenbild entsteht. Das Cover passt gut zur Geschichte und bietet ein durchaus ansprechendes Titelbild. Farblich ist es jedoch eher unauffällig und relativ einfach gedruckt. Insgesamt ergibt es aber mit dem zweiten Teil ein einheitliches Reihenbild.

Mein Fazit: „Fine Line – Create Your Character“ ist ein im Wesentlichen gelungener Auftakt in die phantastische Buchreihe über das Computerspiel „Fine Line“. Der Roman punktet im Wesentlichen mit einer spannenden Handlung und einer authentischen Sprache, kleinere Schwächen in der Logik, Charakterentwicklung und Buchgestaltung fallen dagegen nicht so sehr ins Gewicht. Für Liebhaber des Genres oder von Rollenspielen bedenkenlos zu empfehlen.

Schon 5! Mein erster, runder Bloggeburtstag

Zeit, zu feiern! Vor fünf Jahren, im Juli 2015, startete ich diesen Blog auf WordPress. Und was ist in dieser Zeit nicht alles geschehen! Viele Veröffentlichungen, tolle Bücher und Autoren, Rezensionen und Interviews. Dabei waren vor allem die Messebesuche und -berichte immer wieder Highlights, auch wenn sie enorm viel Kraft kosteten.

Ich bin Euch allen, egal ob Lesern, Autoren, Bloggern, Verlagen oder Agenturen unendlich dankbar für die letzten Jahre – und freue mich schon auf die nächsten fünf! Haltet die Augen offen, im August wird zum Jubiläum noch ein großes Gewinnspiel starten, um den Anlass gebührend zu feiern. Bis dahin – bleibt gesund!

[Buchgedanken] Trudi Canavan: „Sonea – Die Königin“ (Sonea 3)

In den letzten Tagen habe ich „Sonea – Die Königin“ gelesen, den abschließenden Band der „Sonea“-Trilogie von Trudi Canavan. Das Buch wurde in der mir vorliegenden Ausgabe 2015 bei Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München, veröffentlicht, die Originalfassung unter dem Titel „The Traitor Spy 3: The Traitor Queen“ erschien 2012 bei Orbit, einem Imprint von Little, Brown Book Group, einem Unternehmen von Hachette Livre UK, London. Das Buch ist dem Genre High Fantasy zuzuordnen und schließt die Kyralia-Saga ab. Die Besprechungen zu den Vorgängerbänden können hier abgerufen werden („Die Hüterin“, „Die Heilerin“).

~~~ Achtung: Die nachfolgende Besprechung kann milde Spoiler zu den Vorgängerbänden enthalten! ~~~

513Pr6QqZaLSonea, die Schwarze Magierin von Kyralia, ist überglücklich, als ihr Sohn Lorkin von den Sachakanischen Rebellen freigelassen wird. Endlich wird er nach Hause zurückkehren. Aber zuvor verlangt der König von Sachaka, dass der junge Mann alle Informationen preisgibt, die er über die Verräterinnen hat. Doch Lorkin hat sich in eine der Rebellinnen verliebt und ist nicht bereit, sie auszuliefern. Der Sachakanische König droht, Lorkin sein Wissen mit Gewalt zu entreißen. Da bricht Sonea das oberste Gesetz für Schwarze Magier und verlässt Kyralia. Sie wird ihren Sohn nicht im Stich lassen – und hofft, dass ihr Eingreifen keinen Krieg auslöst …

„Sonea – Die Königin“ ist der krönende Abschluss der Saga um Kyralia, die mit dem Prequel „Magie“ begann, mit der Trilogie „Die Gilde der Schwarzen Magier“ fortgesetzt wurde und nun durch die „Sonea“-Trilogie beendet wurde. Dabei erschuf Trudi Canavan über sieben Bücher ein Universum, das seinesgleichen sucht, und aus dem ich mir noch mehr Inhalt wünschen würde, das noch so viele Geschichten zu erzählen hat. Dabei bleibt der Weltenbau um die Verbündeten Länder und Sachaka weiterhin unnachahmlich, überzeugt durch ein perfekt ausgearbeitetes Magiekonzept, Politik, Geografie und eine runde Geschichtsschreibung.

Die Handlung aus „Die Königin“ knüpft direkt an „Die Heilerin“ an und setzt die Geschichte nahtlos fort. Man begleitet liebgewordene Charaktere aus den ersten Büchern, lernt diese näher kennen. Insbesondere gefreut habe ich mich darüber, dass Lilia und Anyi erneut eine wichtige Rolle einnahmen. Aber auch Lorkin, Regin, Dannyl und Tayend zeigten starke Entwicklungen und füllten die Rollen gut aus, die ihnen von der Autorin zugedacht worden sind.

Die Handlung war spannend, teils aber vorhersehbar, und das Ende aus meiner Sicht unspektakulär und zu schnell. Dies sind aber nur kleine Wermutstropfen, die die tolle Geschichte – die allerdings nicht die perfekte Brillanz der „Gilde der Schwarzen Magier“ erreichten konnte – nur unwesentlich schmälern. Dabei überzeugt das bildgewaltige Setting erneut auf ganzer Linie und sorgt dafür, dass man sich als Leser in Kyralia und Sachaka mittlerweile fast wie zuhause fühlt. Auch wenn die langsam anbahnende Liebesgeschichte nicht wirklich nötig war, fühlt sie sich doch richtig an, freut den Leser und böte Potential für weitere Bücher.

In „Sonea – Die Königin“ löst die Autorin nicht nur die meisten Handlungsstränge der „Sonea“-Trilogie auf, sondern rundet die Handlung aller sieben Kyralia-Bücher ab. Und so zementiert auch dieses Buch wieder den unangefochtenen Platz von Trudi Canavan an der Spitze der High-Fantasy-Autorinnen, sodass ich schon ganz auf ihre nächsten Bücher gespannt bin.

Die Buchgestaltung ist – wie für die Reihe und den Verlag üblich – ebenfalls überzeugend. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Cover ist elegant und hochwertig geprägt (auch auf dem Buchrücken), die ausklappbaren, farbigen Coverinnenseiten warten mit den bekannten Karten von Kyralia und Sachaka auf. Lediglich der inhaltliche Bezug des (schönen) Titelbildes zur Geschichte fehlt erneut, auch wenn sich das Cover toll in die Reihe einpasst, für einen hohen Wiedererkennungswert sorgt und ein tolles Gesamtbild ergibt.

Mein Fazit? „Sonea – Die Königin“ ist der fulminante Abschluss, nicht nur der Sonea-Trilogie, sondern der gesamten Kyralia-Saga. Kleinere Schwächen in der Handlung vermögen vor dem Hintergrund des brillanten Weltenbaus und der tollen Charakterentwicklung nicht ins Gewicht zu fallen. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – Kyralia und die Magiergilde fehlen mir jetzt schon!

[Buchgedanken] Viktoria Bolle: „Die Brücke nach Hause“

In den letzten Tagen habe ich „Die Brücke nach Hause“ von Viktoria Bolle gelesen. Das Buch ist 2015 im Selfpublishing erschienen und am ehesten dem Genre historischer Roman zuzuordnen, auch wenn die Grundhandlung auf wahren Begebenheiten basiert. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

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Die Verhältnisse, in denen Johann lebt, sind bedrückend. Er kämpft täglich mit Hunger, Not und Elend, erlebt die Zwangskollektivierung, die Deportation nach Kasachstan, Jahre harter Zwangsarbeit in der Trudarmee und die Gefangenschaft im Sträflingslager. Ein strenges Regime unter der Herrschaft Stalins martert ihn fast zu Tode. Sein Vater, dem er nur ein einziges Mal im Leben begegnet, ist ein NKWD-Offizier, der 1937 der Säuberung zum Opfer fällt und erschossen wird. Seine Mutter stammt aus sehr ärmlichen Verhältnissen und hat es schwer, den Jungen zu ernähren. Von Anfang an hat Johann geringe Überlebenschancen, doch er schafft es, trotz der vielen Strapazen am Leben zu bleiben und seine Geschichte zu erzählen.

„Die Brücke nach Hause“ erzählt die Geschichte einer deutschen Familie im Zeitraum von 1925 bis 2006, von den Anfängen als Wolgadeutsche bis hin zu Krieg, Vertreibung und der schlussendlichen Rückkehr nach Deutschland. Es ist ein Roman über ein dunkles, viel zu selten beleuchtetes Kapitel der Geschichte, inspiriert von dem eigenen familiären Hintergrund der Autorin, die selbst noch in Kustanaj geboren ist.

Dabei punktet der Roman vor allem dank eines brillanten und detailgetreuen Settings und einer großen, historischen Authentizität, die sich vor allem auch in kleinen Details zeigt. Die Recherche und die Kenntnisse der Autorin über die Epoche waren stets fühlbar und wurden in aller Regel geschickt ins Werk eingebaut, nur selten fühlte man sich belehrt.

Aufgrund des Prologes und der episodenhaften Erzählung wird jedoch viel Spannung vorweggenommen. So ist der Ausgang der Geschichte von vornherein klar, wichtige Elemente werden nur kurz angerissen, während andere Abschnitte Längen aufweisen. Durch die Erzählung von Johann, ähnlich eines stark gerafften Tagebuches, fehlt es den Figuren an Tiefe – und hier ist auch die, beim historischen Setting sehr gelobte, Beschreibungsdichte schädlich. Mittels „Show, don’t tell“ hätte der Leser viel mehr in die Handlung eintauchen, viel besser Bindung zu Johann und den anderen Charakteren aufnehmen können. Um ingesamt die Handlung runder zu gestalten, hätten sicherlich 50-100 zusätzliche Seiten nicht geschadet.

Leider weist die Buchgestaltung einige Schwächen auf. Sofern ein Lektorat und/oder Korrektorat durchgeführt worden sein sollte, besteht Nachholbedarf, da viel zu viel durchgerutscht ist. Gleiches gilt für den Buchsatz. Mangels Silbentrennung am Zeilenende sind die Wortabstände sehr unterschiedlich, hinter (fälschlich verwendeten) Apostrophen befindet sich ein größerer Abstand. Irritierend ist auch der dauerhaft in Kopfzeilen festgehaltene Titel des Buches. Das Grundmotiv des Covers ist schön, leidet aber etwas unter der Druckqualität. Zudem setzt sich auch der Buchtitel nicht wirklich vom Cover ab.

Mein Fazit? „Die Brücke nach Hause“ ist ein historischer Roman, der etwas Licht in ein viel zu selten beleuchtetes Kapitel der deutsch-russischen Geschichte bringt und vor allem mit einem tollen Setting und historischer Authentizität punkten kann. Trotz leichterer Schwächen im Erzählstil und Mängeln in der Buchgestaltung für Liebhaber historischer Romane noch zu empfehlen.

 

[Buchgedanken] Anna Todd: „After Passion“ (After 1)

In der letzten Zeit habe ich – inspiriert vom damaligen Kinobesuch – „After Passion“ von Anna Todd gelesen, den ersten Band ihrer erfolgreichen New-Adult-Reihe. Das Buch ist 2015 im Wilhelm Heyne Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH veröffentlicht worden, die Originalausgabe erschein bei Gallery Books, Simon & Schuster, Inc., New York. Mein Exemplar entstammt aus der mittlerweile 18. Auflage (Glückwunsch!), der Roman ist dem Genre New-Adult-Romance zuzurechnen.

41bHN8VxJ6L._SX325_BO1204203200_Tessa Young ist attraktiv und klug. Und sie ist ein Good Girl. An ihrem ersten Tag an der Washington Central University trifft sie Hardin Scott. Er ist unverschämt und unberechenbar. Er ist ein Bad Guy. Er ist genau das Gegenteil von dem, was Tessa sich für ihr Leben wünscht. Und er ist sexy, gutaussehend und zieht Tessa magisch an. Sie kann nicht anders. Sie muss ihn einfach lieben. Und sie wird nie wieder die sein, die sie einmal war

Mich lässt die Lektüre von „After Passion“ etwas zwiegespalten zurück – wahrscheinlich bin ich auch mit zu hohen Erwartungen an das Buch heran gegangen. Denn mit „After Passion“ legt die Autorin unzweifelhaft einen gelungenen und im Wesentlichen überzeugenden Roman vor, aufgrund des Hypes hätte ich allerdings mehr erwartet. So bleibt als erstes Fazit bereits festzuhalten, dass „After Passion“ vielleicht mit dafür gesorgt hat, das New-Adult-Genre in Deutschland zu etablieren, es mit der deutschsprachigen New-Adult-Elite um Mona Kasten und Laura Kneidl aber nicht mithalten kann, deren Bücher (z.B. „Trust Again“ oder „Berühre mich. Nicht.„) sich doch deutlich absetzen können.

„After Passion“ punktet – wie die meisten Bücher des Genres – zunächst mit einem tollen Setting. Ein Universitätswohnheim, ein Verbindungshaus, die Bibliothek, unberührte Natur oder auch ein Diner – der Roman versetzt einen in das amerikanische Lebensgefühl, lässt den Leser sich nach Washington träumen. Dabei verliert er sich jedoch nicht in den Klischees. Die Handlung – genrebedingt teils vorhersehbar – ist spannend, elektrisierend und lässt den Leser durch unerwartete Wendungen immer mal wieder wütend, verzweifelt und frustriert zurück – genau wie Tessa, mit der man sich sofort gut identifizieren kann. Kleinere Ungereimtheiten in der Handlung kann man dabei locker verzeihen, den großen Cliffhange am Ende eher nicht. Insgesamt kommen mir in der Handlung aber zu wenig Impulse von außerhalb. So spannend die Probleme sind, die die Protagonisten alle untereinander haben, gibt es doch sonst kaum Krisen, Konflikte in ihrem Leben – abgesehen von den obligatorischen Problemen in der Kindheit.

Die Figuren sind dreidimensional angelegt, haben Stärken und Schwächen – teils mehr, teils weniger. Doch hier stoße ich auch auf mein größtes Problem – Hardin. Ein interessanter Charakter, der mich jedoch etwas verzweifeln lässt. Mir ist klar, dass die Geschichte einen Bad Boy braucht, und auch so angelegt ist. Mir ist auch klar, dass das Love Interest gegensätzlich zu Tessa konzipiert wurde, um Konfliktpotential zu schaffen – sonst wäre die Geschichte auch langweilig. Und dennoch finde ich es wichtig, dem – wenn man so will – Antagonisten auch Züge zu geben, die ihn sympathisch werden lassen, die es dem Leser ermöglicht, ihm ein gutes Ende zu wünschen. Und das sehe ich nicht, kann mich persönlich nicht mit Hardin identifizieren – und, so sehr ich Tessa auch mag, habe ich mich beim Lesen ertappt, ihnen kein Happy End zu wünschen – schlicht weil Hardin es nicht verdient hat.

Anna Todds Schreibstil ist hochemotional und strotz vor Gefühlen, ist aber auch sehr direkt, gerade in den Dialogen – was zwar zum Charakter von Hardin passt, ihm jetzt allerdings auch keine Sympathiepunkte mehr bringt. So gefühlvoll das Buch auch ist, gerade in den (überraschend und fast zu zahlreichen) erotischen Szenen wird hier noch Potential verschenkt, hier ist eindeutig noch Luft nach oben.

Die Buchgestaltung überzeugt auf der ganzen Linie. Satz, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, das wunderschöne Cover sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert und passt sich gut in das Gesamtbild der Reihe ein. Es ist hochwertig geprägt und mit ausklappbaren, farbigen Coverinnenseiten versehen.

Mein Fazit? „After Passion“ ist ein im Wesentlichen gelungener Reihenauftakt, der vor allem mit seinem Setting und einer spannenden, wenn auch sehr auf die Beziehungen unter den Protagonisten zentrierten, Handlung punkten kann, sein Potential aber bei weitem nicht ausschöpft. Für Leser des Genres, die von Cliffhangern und unsympathischen Bad Boys nicht abgeschreckt werden, bedenkenlos zu empfehlen.

[Veröffentlichung] „Rosenkriege“ – eine alte Geschichte im neuen Gewand

Wie bereits in den letzten Tagen angeteasert, habe ich heute eine tolle Nachricht zu verkünden. Der ein oder andere erinnert sich vielleicht an meine Kurzgeschichte „Rosenkriege“ – meine allererste Verlagszusage überhaupt, die mit einiger Verzögerung 2015 in der Anthologie „Coole Mädchen, große Liebe“ des Oldigor Verlags veröffentlicht wurde. Da nach der Insolvenz des Verlages alle Rechte an mich zurückgefallen sind, suchte ich seit einiger Zeit nach einer Möglichkeit, die Geschichte woanders unterzubringen, da sie mir besonders am Herzen liegt.

unnamed-200x300Daher freue ich mich ungemein, dass sie ab dem 20.06.2019 wieder erhältlich ist. Zusammen mit den Geschichten von 29 anderen Autoren und Autorinnen kann sie nunmehr in der Anthologie „Ich glaube, verliebt: Geschichten voll erster Liebe“ des Schreiblust Verlages gelesen werden. Erhältlich ist das Buch unter anderem *hier*.

Vielleicht wird so der ein oder andere neue Leser auch die Geschichte entdecken und sich, hoffentlich, auch ein kleines bisschen in die Protagonisten verlieben.

 

[Buchgedanken] J. Vellguth: „Zauberhaftes Aschenputtel“

In der letzten Zeit habe ich „Zauberhaftes Aschenputtel“ von J. Vellguth gelesen. Das Buch ist 2015 im Selfpublishing erschienen und als Märchenadaption einzuordnen. Es ist mein bisher drittes Buch der Autorin (ein weiteres wartet schon auf dem SuB), ihr Roman „Das Päckchen“ schaffte es sogar auf den dritten Rang meiner Lesehighlights 2017.

51q1DwVkW2L._SX326_BO1204203200_Seit frühester Kindheit träumen Anna und ihre Mutter davon, dass das Mädchen einst den Prinzen heiraten wird. Doch als ihre Mutter stirbt, und sich ihr Vater eine neue Frau mit zwei Töchtern wählt, wird Annas Leben zum Albtraum. Nur der geheimnisvolle Wald hinter dem Haus erlaubt es ihr, den Schikanen und Boshaftigkeiten der neuen Familie für einige Augenblicke zu entfliehen und neuen Lebensmut zu schöpfen. Dort trifft sie nicht nur auf Feen, sondern auch auf Leo. Obwohl der Jäger nicht standesgemäß ist, verfällt sie ihm von Treffen zu Treffen immer mehr. Bis schließlich eine Balleinladung die Familie erreicht – und Anna endlich die Möglichkeit sieht, den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen.

„Zauberhaftes Aschenputtel“ ist eine sehr klassisch gehaltene Märchenadaption, die nah am ursprünglichen Geschehen bleibt. Daher bleiben auch große Überraschungen aus – die Handlung ist und bleibt (dem Genre geschuldet) leicht vorhersehbar. Dennoch gelingt es der Autorin, den Leser an den Text zu fesseln, und ihn für einige, kostbare Momente aus der Realität in die Welt der Märchen zu entführen. Dabei vermag vor allem das Setting zu begeistern – sei es der geheimnisvolle Wald, das zauberhafte Schloss oder die malerischen Kleider.

Was mich persönlich etwas stört, sind die Perspektivwechsel und Sprünge innerhalb der Kapitel. Zwar kann ich die Intention dahinter verstehen, dennoch sorgen sie aus meiner Sicht für Unruhe und stören den Lesefluss. Trotzdem gelingt es J. Vellguth, dem Leser eine Bindung zu Anna zu vermitteln – obwohl man weiß, was geschehen wird, freut man sich und leidet mit ihr.

J. Vellguths Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen, die Gefühle und Zerrissenheit der Protagonistin werden gut transportiert. Auch die Charaktere sind überzeugend entwickelt, besitzen jeweils eigene Motive, Stärken und Schwächen. Insbesondere Bernadette hat mich als Nebencharakter hier überzeugt.

Das Cover ist wunderschön, ich hätte mir lediglich gewünscht, dass das zentrale Motiv etwas größer ist, damit es noch besser zur Geltung kommt. Lektorat und Korrektorat sind – sofern durchgeführt – einige, kleinere Fehler durchgerutscht, die sich aber noch auf eine akzeptablem Niveau bewegen, sodass das Lesevergnügen nicht geschmälert wird. Der Buchsatz ist grundsätzlich gelungen, allerdings unterbrechen die vielen Sprünge das Bild und sorgen für einen unheitlichen Gesamteindruck.

Mein Fazit? „Zauberhaftes Aschenputtel“ ist eine gelungene Märchenadaption, die den Leser aus der Realität entführt. Kleinere Schwächen und fehlende Überraschungen vermögen dabei nicht, den guten Gesamteindruck zu schmälern. Für Märchenfans bedenkenlos zu empfehlen.

 

[Buchgedanken] Julia Adrian: „Die Dreizehnte Fee – Entzaubert“

(Achtung: Die hier enthaltene Kurzzusammenfassung enthält leichte Spoiler bezüglich der Handlung des Vorgängerbandes)

Vor einiger Zeit habe ich „Die Dreizehnte Fee – Entzaubert“, den zweiten Teil von Julia Adrians zauberhaften Märchenreihe gelesen. Ob dieser mich ebenso begeistern konnte, wie der Erste (bereits jetzt ein absolutes Jahreshighlight für mich), möchte ich Euch jetzt mitteilen :). Das Buch ist 2015 im Drachenmond Verlag erschienen und am ehesten als Märchenadaption einzugruppieren.515l1uy1nxl-_sx310_bo1204203200_

Bereits fünf Feen sind unter dem Schwert des Hexenjägers gefallen, bevor er sich Lilith, der dreizehnten Fee, zuwendet. Diese wartet im Schloss ihrer Schwester, der Eishexe, auf das Urteil der verbliebenen Feen. Weshalb ist sie damals verraten worden? Und warum gerade jetzt erwacht? Noch immer hat Lilith keine Antworten auf die drängendsten Fragen gefunden. Einzig das Orakel, ihre Schwester Kassandra, könnte Licht ins Dunkel bringen, doch deren Macht schwindet mit jeder Sekunde. Wird es Lilith gelingen, die Rätsel noch rechtzeitig zu lösen, bevor ihre große Liebe, der Hexenjäger, alle Feen vernichtet?

Insgesamt kommt „Die Dreizehnte Fee – Entzaubert“ nicht ganz an die Brillanz des ersten Teils heran, ist (da ich mit dem dritten Band nahezu fertig bin) wohl der schwächste Teil der Reihe. Um dies ganze aber mal in die richtige Perspektive zu rücken, bevor jemand das falsch versteht: „Entzaubert“ ist eines der besten Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe und würde auf einer Skala von 1 bis 10 lockere 11 Punkte erreichen. Nur hat Julia Adrian mit dem ersten Band ein „Überbuch“ vorgelegt, das mich so begeistert, so zerstört hat, wie kein anderes seit langem.

„Die Dreizehnte Fee – Entzaubert“ schließt nahtlos an den Vorgängerband an und erzählt die Geschichte von Lilith weiter. Bemerkenswert ist, dass mit Fortschreiten der Serie die Charaktere auch konsequent weiterentwickelt werden, was vor allem bei Lilith zu immer stärker ausgeprägten, fast schizophrenen Charakterzügen führt. Dabei tauchen auch liebgewonnene Nebencharaktere aus dem ersten Band (Uhrmacher) wieder auf und nehmen eine größere Rolle in der Geschichte ein. Gleichzeitig lernt man in dem Roman die anderen Feen besser kennen, ihre Geschichten und Schicksale, ihre verschiedenen Charaktereigenschaften und magischen Fähigkeiten.

Womit ich auch schon beim einzigen, hauchzarten Kritikpunkt wäre, der auch mehr dem persönlichen Geschmack entspringen kann. Durch die ganzen Rückblenden, in denen die Vergangenheit Pandoras und die Geschichten der Feenkinder erzählt werden, ist mir die Handlung etwas zu entschleunigt. Zwar tragen die Rückblenden durchaus zum Verständnis bei, und sind – wie alles in dem Buch – exzellent geschrieben, aus meiner Sicht ist jedoch die Balance – minimal – verschoben, der Fokus einen Hauch zu stark auf die Rückblenden gelegt, im Verhältnis zum restlichen Text. Nichtsdestotrotz gelingt es Julia Adrian, den Spannungsbogen immer aufrecht zu erhalten und den Leser durch unerwartete Wendungen immer wieder in eine neue Richtung zu lenken.

Wie schon angemerkt, habe ich sonst nichts auszusetzen. Der Schreibstil ist erneut grandios, der Weltenbau gelungen. Mit ihrer bildgewaltigen Sprache schafft die Autorin ein Kopfkino, das die jetzigen und vergangenen Ereignisse in Pandora vor dem geistigen Auge des Lesers zum Leben erweckt. Auch die Wahl der Ich-Perspektive von Lilith erweist sich erneut als Glücksgriff, so kann der Leser ihre Gedanken und Gefühle, ihre ambivalente Entwicklung nachvollziehen und miterleben.

Das Cover ist – wie könnte es anders sein – vom talentierten Alexander Kopainski entworfen worden und, erneut, ein Meisterwerk. Lektorat und Korrektorat (Michael Lohmann), Buchsatz (Astrid Behrendt), und Illustration (Svenja Jarisch) sorgen dafür, dass dieses Buch erneut liebevoll gestaltet und zusammengestellt wurde. Hier trifft der Verlagsslogan „Bücher mit Herzblut“ voll und ganz zu – es sind alles kleine Schätze. Die Coverinnenseiten sind teils ausklappbar und als kleines Gimmick wurden am Ende des Buches noch einige Bilder von einem Malwettbewerb zur Romanreihe abgedruckt.

Mein Fazit: „Die Dreizehnte Fee – Entzaubert“ schließt nahtlos an den Vorgängerband an und ist ein gelungenes, phantastisches Buch. Der Roman punktet vor allem durch bildgewaltige Sprache, ein tolles Setting und eine konsequente Weiterentwicklung der Protagonisten. Muss man als Liebhaber von phantastischen Geschichten gelesen haben – und auch, wenn einem das Genre fremd ist, sollte man der Autorin eine Chance geben und sich verzaubern lassen.

Julia Adrians Reihe setzt bereits jetzt Maßstäbe und gehört zum Besten, was die deutsche Phantastik hervorgebracht hat. Daher blicke ich, mit einem weinenden und einem lachenden Auge, zum dritten Teil, den ich gerade lese. Ich kann das Ende kaum erwarten, und möchte doch nicht, dass es ein Ende nimmt. Gibt es ein größeres Kompliment, das man einem Autor machen kann?

[Buchgedanken] Regina Meißner: „Seductio: Von Schatten verführt“

In den letzten Tagen habe ich als vorletztes Buch im fantastischen Lesefrühling „Seductio: Von Schatten verführt“ von Regina Meißner gelesen. Das Buch ist 2015 im Selfpublishing bei BoD erschienen und ist dem Genre Young-Adult Urban/Contemporary Fantasy zuzuordnen. Es ist der Auftakt einer dreibändigen Reihe.

Seit ihrem vierten Lebensjahr befindet sich Ivory auf der Flucht vor den Decessaren. Nur518oeicbspl-_sx312_bo1204203200_ sie ist in der Lage, das Tor zur Welt Embonis zu öffnen, um den dort gefangenen Schatten die Freiheit zu schenken. Da diese sich von menschlichen Seelen ernähren, engagiert Ivorys Tante Grace den Privatermittler Kil, um die Schlüsselträgerin – und die Menschheit –  zu schützen. Seit ihrem ersten Aufeinandertreffen ist Ivory von dem undurchsichtigen Ermittler fasziniert. Doch welche Geheimnisse verbirgt er?

Vorweg: Regina Meißners Roman zeigt einmal mehr, dass sich unter der Vielzahl an Selfpublishing-Titeln auch wahre Schätze verbergen. „Von Schatten verführt“ überzeugt dabei mit einem tollen Grundidee. Durch die eingestreuten Auszüge aus dem „Dunklen Buch“ lernt man während des Lesens auch nach und nach mehr über die Welt Embonis. Gut gelungen sind auch die Charaktere, die sich – vor allem Ivory – im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Schade fand ich, dass einer meiner Lieblingscharaktere – Lynn – so sang und klanglos aus der Geschichte verschwand. Vielleicht kehrt sie ja in den Folgebänden zurück – auch wenn ich derzeit keine große Hoffnung darauf hege :).

Der Spannungsbogen wird durch viele unerwartete Wendungen dauerhaft aufrechterhalten, auch wenn das Ende nicht gänzlich überraschend kommt, sondern sich einige Seiten vorher schon ankündigt. Zudem ist das Ende ein brutaler Cliffhanger. Regina Meißners Schreibstil ist leicht und flüssig und lässt sich gut lesen. Positiv hervorheben möchte ich auch die Perspektivenwahl. Durch die Erzählung in der Ich-Perspektive gewinnt die Geschichte aus meiner Sicht ungemein, lässt sie doch einerseits den Leser noch eine tiefere Bindung zur Protagonistin knüpfen, und sorgt andererseits dafür, dass Kil seine mystische und geheimnisvolle Aura dauerhaft beibehält. Ich freue mich daher bereits jetzt auf die weiteren Bücher und bin sehr gespannt darauf, wie es mit Ivory und Kil, mit Embonis und der Welt weitergeht.

Das Cover ist ein wahres Meisterwerk und wurde von der tollen Rica Aitzetmüller (Cover & Books) gestaltet. Zusammen mit den folgenden Reihencovern sorgt es für ein einheitliches Gesamtbild und einen hohen Wiedererkennungswert. Im Gegensatz zum Cover können Lektorat und Korrektorat, sofern durchgeführt, nicht restlos überzeugen. Die vorhandenen Fehler und Logikbrüche mindern den Lesefluss zwar nicht sehr, wären aber bei einer genaueren Kontrolle locker zu vermeiden gewesen und sorgen dafür, dass das Buch das Potential, das die Geschichte bietet, nicht vollständig ausschöpft.

Mein Fazit: „Seductio: Von Schatten verführt“ ist ein vielversprechender Auftakt zu Regina Meißners Urban-Fantasy-Buchreihe. Mit einer spannenden Grundidee und tollen Charakteren legt der Roman den Grundstein für weitere tolle Bücher und macht Lust auf mehr. Trotz kleinerer Schönheitsfehler in der Umsetzung für Fantasy-Liebhaber bedenkenlos zu empfehlen.