[Buchgedanken] Alex Beer: „Felix Blom – Der Häftling aus Moabit“ (Felix Blom 1)

Vor kurzem habe ich „Felix Blom – Der Häftling aus Moabit“ gelesen, den ersten Band der neuen Reihe von Alex Beer. Der Roman ist 2022 bei Limes in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH erschienen und als historischer Kirminalroman einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines unkorrigierten Vorableseexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Berlin, 1878: Der Gauner Felix Blom wird nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Doch in Freiheit ist nichts mehr so, wie es mal war: Sein Hab und Gut gepfändet, seine Verlobte ist mit jemand Neuem liiert. Alle Versuche, an Geld oder Arbeit zu kommen, scheitern. Aber dann hat Blom eine geniale Idee: Warum sich nicht mit der neuen Nachbarin zusammentun? Die ehemalige Prostituierte Mathilde führt eine Privatdetektei, allerdings sind die Aufträge rar, da man ihr als Frau diese Arbeit nicht zutraut. Ihr erster Fall führt die beiden gleich auf die Spur eines mysteriösen Mörders, der seinen Opfern Briefe mit der Botschaft zukommen lässt: „In wenigen Tagen wirst Du eine Leiche sein.“ Als auch Blom eine solche Karte unter seiner Tür durchgeschoben bekommt, wird die Sache persönlich …

„Felix Blom – Der Häftling aus Moabit“ ist ein historischer Kriminalroman, der im Berlin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach der Reichsgründung spielt und damit beweist, dass preußische Kriminalromane in letzter Zeit immer stärker auf den Buchmarkt drängen. So habe ich ja auch Ralph Knobelsdorfs Bücher über Wilhelm van der Heyden gelesen, die mich ebenfalls ins Polizeigebäude am Molkenmarkt geführt haben – eine tolle Entwicklung, denn die Epoche ist wirklich hochspannend.

Apropos spannend – auch die Handlung des Buches ist hochspannend, abwechsungsreich und kurzweilig und vermag mit der ein oder anderen unerwarteten Wendung zu überraschen. Dabei ist es interessant, als Ermittler nicht einen Polizisten, sondern einen – mehr oder minder geläuterten – früheren Verbrecher zu begleiten, der zusammen mit einer ehemaligen Prostituierten eine Detektei betreibt – eine skurille, aber auch erfrischende Kombination, die noch viele Entwicklungsmöglichkeiten für die Folgebände lässt, da die beiden zusammen noch nicht annähernd ihr Potential ausgeschöpft haben. Hierbei lässt sich der Roman durchaus – überraschend – auch als Standalone lesen, da die wesentlichen Handlungsstränge aufgelöst werden – nicht selbstverständlich für den Beginn einer Reihe.

Generell überzeugt das Setting auf ganzer Linie. Alex Beer entführt den Leser in ein Berlin auf dem Weg zur Weltstadt, in ein Preußen kurz nach der Gründung des Kaiserreichs. Industrialisierung, politische Unruhen und Umwälzungen, Standesdünkel und ein perfider Racheplan werden hier von der Autorin zu einem tollen Gemisch verwoben, das im Kopf des Lesers – nicht zuletzt auch dank dem flüssig und leicht zu lesenden Schreibstil der Autorin – sofort Bilder heraufbeschwört und die Geschichte vor dem inneren Auge ablaufen lässt.

Die einzelnen Figuren sind dabei im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive – auch wenn Alex Beer einen relativ großen Verschleiß an Figuren in diesem Band hat, da diverse Nebenfiguren versterben. Vor allem überzeugen hierbei Mathilde und Bruno, während ich auch sehr lang ein Fan von Cronenberg war – ein Gefühl, das zuletzt doch merklich abgeflaut ist.

Die Buchgestaltung ist – soweit man das beurteilen kann – solide. Da es sich um ein unkorrigiertes Leseexemplar handelt, sind natürlich noch Fehler enthalten – wenn auch einer der Schnitzer ungewöhnlich groß ist. Gleiches gilt für die Umschlaggestaltung, da dies ebenfalls ja nicht dem regulären Exemplar entspricht. Lediglich zum Covermotiv können daher Aussagen getroffen werden, das immerhin einen Bezug zu Berlin auweist, in Gänze aber etwas unscheinbar daherkommt.

Mein Fazit? „Felix Blom – Der Häftling aus Moabit“ ist ein vielversprechender Beginn in eine neue historische Krimireihe, der vor allem durch eine abwechslungsreiche und überraschende Handlung punktet und sogar als Standalone lesbar ist. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen.

Rückkehr nach London | Ein viktorianischer Krimi-Doppelpack

Bevor es in der nächsten Woche dann mit einigen Rezensionen weitergeht, möchte ich Euch heute noch einmal zwei Bücher zeigen, die mich vor kurzem als Doppelpack erreichten. „Callander Square“ und „Nachts am Paragon Walk“ von Anne Perry sind der zweite und dritte Teil der Krimireihe um Thomas & Charlotte Pitt, die den Leser ins viktorianische London des 19. Jahrhunderts entführt. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Adrian Verlag für die Bereitstellung der Rezensionsexemplare über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Welche Buchreihe habt Ihr zuletzt gelesen?

Agenturbuchpost im Doppelpack

Vor kurzem erreichten mich auch diese beiden Bücher – jeweils als Rezensionsexemplare über die vermittelnde Agentur Buchcontact – vielen Dank dafür! „Wütende Bärin“ von Ingebjorg Berg Holm (KJM Buchverlag) ist dabei ein norwegischer Familienthriller, „Felix Blom – Der Häftling aus Moabit“ von Alex Beer (Limes Verlag) ein historischer Kriminalroman im Berlin des 19. Jahrhunderts – hier ist Abwechslung garantiert.

Welches Buch ist zuletzt bei Euch eingezogen?

Der Wunsch nach Freiheit | Doppelte Buchpost

Während des Urlaubs sind einige Rezensionen und Buchneuzugänge aufgelaufen, die ich Euch nach und nach präsentieren möchte. Den Anfang machen heute zwei Rezensionsexemplare: „Freiheitsgeld“ von Andreas Eschbach (Bastei Lübbe, über die Bloggerjury) und „Der Hunger nach Leben – Wege des Schicksals“ von Ella Zeiss (Tinte & Feder, vermittelt von der Agentur Buchcontact). Beiden ist dabei das zentrale Element der Freiheit immanent: in einer digitalisierten Gesellschaft der nahen Zukunft, und in einem vergangenen Europa, üer das ein drohender Krieg bereits seine Schatten wirft.

Habt Ihr schon Bücher der Autoren gelesen?

[Buchgedanken] Anne Perry: „Der Würger von der Cater Street“ (Thomas & Charlotte Pitt 1)

Vor kurzem habe ich „Der Würger von der Cater Street“ von Anne Perry gelesen, den ersten Band ihrer „Thomas & Charlotte Pitt“-Reihe. Das Buch ist in der vorliegenden deutschsprachigen Ausgabe 2022 im Label Adrian Crime des Adrian Verlags, Adrian & Wimmelbuchverlag GmbH, neu erschienen und als viktorianischer Kriminalroman einzuordnen, die Originalausgabe erschien 1979 bei Robert Hale unter dem Titel „The Cater Street Hangman“. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact. Für die Übersetzung zeichnet Michael Tondorf verantwortlich, der auch bereits die früheren deutschen Ausgaben 2002 bei DuMont betreute, das Nachwort wurde von Volker Neuhaus verfasst.

Ein Mörder erwürgt junge Frauen in der Cater Street und lässt ihre geschwollenen Gesichter in den dunklen Schatten des vornehmen Viertels zurück. Als das Dienstmädchen der Familie Ellison das dritte Opfer des Mörders wird, übernimmt der junge Inspektor Thomas Pitt den Fall. Er muss die Fassade der Oberschicht durchbrechen, um sich der Wahrheit zu nähren. Die freimütige Charlotte Ellison, bemüht sich redlich, die Einschränkungen der viktorianischen Manieren zu erfüllen. Doch dem irritierten Polizisten gegenüber verhält sie sich etwas zu offen. Während sich ihre Beziehung zu etwas Kompliziertem entwickelt, müssen Thomas und Charlotte zusammen das Rätsel lösen, bevor „Der Würger der Cater Street“ erneut zuschlägt.

„Der Würger von der Cater Street“ ist der Beginn einer historischen Kriminalromanreihe von Anne Perry, die im viktorianischen London spielt und aus mittlerweile 32 Bänden besteht. Im Gegensatz zu ihrer Reihe um William Monk ist die „Charlotte & Thomas Pitt“-Reihe dabei im letzten Drittel des viktorianischen Zeitalters angesiedelt, beginnt die Handlung doch im Frühjahr 1881.

Der Roman besticht hierbei durch sein tolles Setting. So entführt Anne Perry den Leser wie schon erwähnt ins viktorianische London, in eine hochspannende Epoche, geprägt von Klassenunterschieden und Standesdünkel. Da die Familie Ellison zur oberen Mittelschicht gehört, steht sie zwischen der Welt des Adels und der Dienerschaft, ist in alle Richtungen durchlässig und ermöglicht so einen guten Einblick in die komplette Gesellschaft.

DIe Handlung ist grundsätzlich spannend, teils aber etwas vorhersehbar und startet etwas langsam, müssen doch erst die ganzen Charaktere eingeführt werden. Auch wird unschönerweise ein zentrales Handlungselement bereits durch den Titel der Reihe vorweggenommen, sodass hier einiges an Spannung verlorengeht – schade.

Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, wenn auch aufgrund der Vielzahl an Figuren hier noch Entwicklungsbedarf besteht, der hoffentlich in den Folgebänden konsequent umgesetzt wird. So überzeugt neben Charlotte vor allem Emily, während gerade Edward und Dominic noch etwas blass bleiben.

Anne Perrys Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen, ist authentisch und bildhaft. Teils sind die Perspektivwechsel allerdings etwas sprunghaft und nicht voneinander abgesetzt, sodass man kurzzeitig als Leser verwirrt zurückbleibt.

DIe Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat und Korrektorat sind nur Kleinigkeiten durchgerutscht, der Buchsatz und die grafische Gestaltung der ersten und letzten Seiten ist wunderschön. Zwar überzeugt das Covermotiv nicht (dies wird allerdings im Folgeband besser), dafür ist der Buchumschlag mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen.

Mein Fazit? „Der Würger von der Cater Street“ ist ein gelungener Auftakt in die Krimireihe, der vor allem durch sein Setting glänzen kann, eine zentrale Auflösung aber bereits vorwegnimmt, in jedem Fall jedoch Potential für Folgebände bietet. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 14 Jahren.

[Buchgedanken] Lea Korte: „Morgen werden wir glücklich sein“

Vor kurzem habe ich „Morgen werden wir glücklich sein“ von Lea Korte gelesen. Das Buch ist 2022 in der Piper Verlag GmbH veröffentlicht worden und dem Genre historischer Roman zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Marie, Amiel und Geneviève sind seit Kindertagen miteinander befreundet. Als 1940 die Deutschen in Paris einmarschieren, wird ihre Freundschaft jedoch auf eine harte Probe gestellt. Lehrerin Marie geht zur Résistance, um ihre jüdischen Schüler vor den Nazis zu retten. Ärztin Amiel unterstützt sie, obwohl sie selbst Jüdin ist. Die Sängerin Geneviève wiederum lässt sich mit den Deutschen ein, um weiter auf der Bühne stehen zu können. Für Marie ist dies ein verheerender Verrat und sie wendet sich von der Freundin ab, die bisher ›alles‹ für sie war. Als Geneviève sie am meisten braucht, verweigert Marie ihr die Hilfe und löst damit eine Katastrophe aus …

„Morgen werden wir glücklich sein“ ist eine Mischung aus historischer Roman und Familiensage, spielt das Buch doch in zwei Zeitebenen, da als Rahmenhandlung in der heutigen Zeit (unter anderem) die Nachfahren der Protagonistinnen aufeinander treffen. Durch die dadurch entstehenden vielen Zeitsprünge wird die Handlung regelmäßig unterbrochen, wirkt etwas fahrig und lässt etwas an Stringenz vermissen – schade. Vielleicht hätte man hier wirklich nur zu Beginn und am Ende, zumindest aber selektiver, die zweite Zeitebene einbauen können.

Denn die Handlung an und für sich – zumindest die vergangene – ist spannend, abwechslungsreich und dramatisch. Lea Korte gelingt es, die Verzweiflung der Protagonistinnen, die Hoffnung, Trauer und ja, auch die Liebe in diesen schweren Zeiten, greifbar zu machen, den Leser mit den Protagonisten mitfühlen zu lassen.

Dies wird auch durch das tolle Setting unterstützt. Die Autorin beschreibt das Paris zur Besatzungszeit anschaulich, eindrücklich und nicht beschönigend, lässt das Grauen der Zeit wiederauferstehen, aber auch die Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, den Kraft und den Mut der Franzosen damals. Dabei lässt sich Lea Kortes Schreibstil leicht und flüssig lesen, ist authentisch und kraftvoll.

Die einzelnen Potagonisten sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Dabei überzeugt vor allem Amiel – aus meiner Sicht der stärkste Charakter im Roman und eine unglaubliche Frau, während auch Nebenrollen wie Maciej und Charlotte glänzen können.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Cover vermag hingegen nicht so recht zu überzeugen, lässt es zum einen doch etwas den Bezug zur Handlung vermissen und ist generell etwas unscheinbar sowie mit einem harten Bruch zum Buchrücken versehen.

Mein Fazit? „Morgen werden wir glücklich sein“ ist ein toller historischer Roman, der vor allem durch sein atmosphärisches Setting und eine spannende Handlung punktet, wenn auch die Rahmenhandlung vielleicht etwas weniger Platz hätte einnehmen können. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen.

Von Pop- und Weltgeschichte | Doppelte Buchpost

Vor kurzem trafen auch diese beiden Bücher als Rezensionsexemplare bei mir ein. „Morgen werden wir glücklich sein“ von Lea Korte (Piper Verlag) erreichte mich dabei über die vermittelnde Agentur Buchcontact, „Schmalz und Rebellion“ von Jens Balzer (Duden Verlag) über eine Leserunde auf Lovelybooks.de – vielen Dank jeweils dafür. Die Bücher entführen den Leser dabei ins Paris der 1940er Jahre und nehmen ihn mit auf eine Reise durch die Gschichte des Deutschpops von den 50ern bis heute.

Hört Ihr gern Deutschpop?

Von Morden und Magie | Doppelte Buchpost

Auch diese beiden Bücher erreichten mich vor kurzem als Rezensionsexemplare – vielen Dank allen Beteiligten. „Purpurstaub Magie“ von Jana Paradigi (Novel Arc Verlag, vermittelt über die Agentur Literaturtest) und „Der Würger von der Cater Street“ von Anne Perry (Adrian Verlag, vermittelt über die Agentur Buchcontact), Teil eins der Thomas & Charlotte Pitt-Reihe, entführen den Leser in die magische Welt Pipinea und ins viktorianische London. Ich freue mich schon darauf, in die beiden Welten einzutauchen.

Welches Buch ist zuletzt bei Euch eingezogen?

[Buchgedanken] Irene Solà: „Singe ich, tanzen die Berge“

Vor einiger Zeit habe ich „Singe ich, tanzen die Berge“ von Irene Solà gelesen. Das Buch ist 2022 im Trabanten Verlag erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 unter dem Titel „Canto jo i la muntanya balla“ bei Editorial Anagrama, Barcelona, veröffentlicht. Der Roman ist der Gegenwartsliteratur zuzurechnen, für die Übersetzung aus dem Katalanischen zeichnet Petra Zickmann verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Gewitterwolken schürfen über den Rücken der Pyrenäen und ein Blitz erschlägt den dichtenden Bauern Domènec, dessen junge Frau Sió mit ihrem Schwiegervater und ihren Kindern allein zurückbleibt. Doch das Leben geht weiter. Teilnahmslos beobachten die Berge das Werden und Vergehen derer, die dort leben.

„Singe ich, tanzen die Berge“ adäquat zu beschreiben ist in etwa so erfolgsversprechend, wie ein Gewitter mit bloßen Händen aufzuhalten. Das mit dem Europäischen Literaturpreis 2020 ausgezeichnete Werk ist so ungewöhnlich wie sprachlich bestechend, Irene Solàs Stimme in der Übersetzung von Petra Zickmann sehr melodisch und malerisch.

Dabei erzählt der Roman die Geschichte einer Region aus der Sicht verschiedener Protagonisten unterschiedlicher Generationen, aber auch aus der Perspektive von Tieren, Geistern, Wolken – oder auch der Erde selbst. Er vermischt Erzählung und Mythen, Tradition und Moderne.

Die Handlung folgt dabei zumindest lose den Schicksalen der Mitglieder einer Familie, richtige Spannung oder emotionale Bindungen zu den Figuren kommen jedoch nie wirklich auf, ist der Roman doch mehr Porträt einer Region als wirklich auf ein Ende zulaufende Geschichte. Dies sorgt auch dafür, dass das Buch – trotz der durchaus vorhandenen flüssigen Lesbarkeit – sich nie zu einem wahren Pageturner entwickelt, den Leser nie in einen Sog zieht, sodass er das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Das Setting ist – erwartbar, da der Roman komplett darauf angelegt ist – brillant und trägt im Endeffekt das Buch. Der Leser wird tief in eine Welt voller Mythen, in eine abgelegene Bergregion im Herzen Europas geführt, die zumindest in der Populärliteratur kaum Erwähnung findet.

Die Buchgestaltung ist im Wesentlichen gelungen, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Hardcover ist zudem leicht auf dem Titel geprägt. Dem Titelmotiv fehlt jedoch etwas der Bezug zur Handlung, auch ist das Buch insgesamt eher schlicht und unauffällig gestaltet.

Mein Fazit: „Singe ich, tanzen die Berge“ ist ein ungewöhnliches, in Romanform gegossenes Porträt einer Region, das durch sein Setting besticht, aber auch Handlungselemente vermissen lässt. Für Liebhaber von sprachlichen Bildern und anspruchsvoller Literatur dennoch bedenkenlos zu empfehlen.

[Buchgedanken] Mario Schlembach: „heute graben“

In der letzten Zeit habe ich „heute graben“ von Mario Schlembach gelesen. Das Buch ist 2022 im Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG erschienen und dem Genre der Gegenwartsliteratur zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Alles beginnt mit A. Ein Totengräber steigt in einen Zug und trifft A., seine erste Liebe. A. ist auch der Grund, weshalb er zu schreiben beginnt. In seinem Tagebuch begibt er sich auf eine Irrfahrt entlang der Untiefen des Dating- und Friedhofsalltags. Als bei ihm dieselbe Lungenkrankheit wie bei Thomas Bernhard diagnostiziert wird – kurioserweise, nachdem er sich intensiv mit dessen Werk auseinandergesetzt hat –, befeuert die Todesangst noch die unermüdliche Suche nach der wahren Liebe. Wird er sie finden oder bleibt sie für immer unerreichbar?

„heute graben“ ist ein autofiktional erzählter Roman über einen Totengräber auf der Suche nach der großen Liebe. Wer sich mit Schlembachs Biografie beschäftigt, kommt unweigerlich zu der Frage, ob es sich bei dem Protagonisten um den Autor selbst handeln könnte – und landet bei: vielleicht. So ist Schlembach selbst Totengräber und sicherlich sind viele Erfahrungen in das Werk, das in Form von Tagebucheinträgen erzählt wird, eingeflossen.

Dabei zieht sich eine depressive Grundstimmung durch das gesamte Buch, sei es im verzweifelten und vergeblichen Versuch, sich bei dem Werk über die vergangene, große Liebe nicht in kitschgeschwängerten Plattitüden zu verliehen – oder im permanenten Scheitern bei der Beziehungssuche, vergleicht der Protagonist doch unweigerlich irgendwann alle Frauen (die er netterweise mit B. bis Z. abkürzt) mit seiner großen Liebe A., deren Schicksal nie ganz geklärt wird.

Die Handlung wird vor allem durch die Erkrankung des Protagonisten an Sarkoidose vorangetrieben, einer Lungenkrankheit, an der ironischerweise auch Thomas Bernhard litt, mit dessen Werk sich der Protagonist im Rahmen seines Studiums intensiv beschäftigt hat. Dabei wechseln sich lustig-ironische Passagen wie der Kauf von Boki mit Selbstmitleid und fast psychotischen Episoden ab – der Tod allgegenwärtig aufgrund der Arbeit als Totengräber.

So sprachlich ansprechend das Buch auch ist, so wort- und bildgewaltig die Einträge des Protagonisten, die sich mit alltäglichen Routinen wie dem Festhalten von Mahlzeiten abwechseln, lässt „heute graben“ einen doch etwas ratlos zurück. So wird zu keinem Punkt wirklich erkennbar, wo Schlembach mit dem Buch hinmöchte. Ohne Ziel, mit einem Ende im Nirgendwo, ist es nicht mehr aber auch nicht weniger als eine Momentaufnahme – eine kurze Passage aus dem Leben des Protagonisten.

Die Buchgestaltung ist solide, Lektorat und Korrektorat haben im Wesentlichen sauber gearbeitet, der Buchsatz ist ebenfalls gelungen, auch wenn ich kein Freund von Trennzeichen zwischen den Abschnitten bin, die am Seitenende stehen. Das Cover, der gesamte Umschlag, ist künstlerisch gestaltet, aber relativ eintönig und unauffällig, dafür überrascht das Buch unter dem Umschlag mit einer tollen Gestaltung.

Mein Fazit: „heute graben“ ist ein Roman, eine Momentaufnahme aus dem Leben eines Totengräbers, der vor allem durch seine starke Sprache besticht, den Leser aber auch etwas ratlos zurücklässt. Für Liebhaber von Gegenwartsliteratur dennoch bedenkenlos zu empfehlen.