[Buchgedanken] Brad Meltzer: „Ich bin Marie Curie“

Heut habe ich „Ich bin Marie Curie“ von Brad Meltzer gelesen. Das von Christopher Eliopoulos illustrierte Buch wurde 2023 bei Egmont BÄNG! Comics, Egmont Verlagsgesellschaften mbH veröffentlicht, die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel „I am Marie Curie“ bei Rocky Pond Books. Das Buch ist als illustriertes Sachbuch einzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Annica Strehlow verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Wie verändert man die Welt? Marie Curie wusste schon als Kind, dass sie ihr Leben der Wissenschaft widmen wollte. Doch trotz ihres herausragenden Intellektes hatte sie hohe Hürden zu überwinden, denn im 19. Jahrhundert waren Frauen oft von einer höheren Bildung ausgeschlossen. Sie schaffte es, sich gegen alle Widerstände zu behaupten und wurde eine revolutionäre Physikerin und Chemikerin.

„Ich bin Marie Curie“ ist der neueste Teil der Reihe „Jede*r kann die Welt verändern“ (orig. „Ordinary People Change the World“); eine Buchreihe mit Biografien inspirierender Persönlichkeiten als Bilderbuch / illustriertes Sachbuch für sehr junge Leser (Altersangabe der dt. Version: 4-7 Jahre; Originalausgabe 5-9 Jahre). Ich würde hier eher die Alterseinschätzung der Originalausgabe teilen und das Buch somit eher ab 5-6 Jahren empfehlen – für ambitionierte Erstleser oder spannende Vorleseabende.

Die Handlung hangelt sich lose entlang der Stationen von Marie Curies Leben, lässt den Leser sie in die Schule, an die Universität und zur Nobelpreisverleihung begleiten. Dabei bleibt das Buch naturgemäß sehr oberflächlich, setzt seine Schwerpunkte vor allem auf die Schwierigkeiten, die Marie Curie als Frau in der damals männlich-dominierten Wissenschaftswelt hatte. Hierbei werden die einzelnen Themen größtenteils altersgerecht behandelt – einzig einen Verweis auf die damalige geopolitische Lage und den Konflikt zwischen Polen und Russen hätte man sich für die Zielgruppe eher sparen können.

Die Illustrationen sind wunderschön anzusehen und unterstützen die Handlung, gestalten diese sogar aus und sorgen für einen enormen Mehrwert. Dabei irritiert jedoch, dass Marie sich über all die Jahre ihres Lebens nicht verändert, die gleiche, kleine Figur bleibt und so in den Bildern als sehr anders auffällt. Ich glaube schon, dass auch junge Leser*Innen hier Marie bei einer auch körperlichen Entwicklung weiterhin erkannt hätten – so bleibt die Figur als Erwachsene stark überzeichnet, fast Funko-Pop-artig mit einem großen Kopf.

Die Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, auch wenn die Texte teils noch etwas innovativer hätten gesetzt werden können, um die Synergieeffekte mit den Bildern noch zu erhöhen. Das Cover passt gut zur Geschichte und macht auf das Buch aufmerksam, auch die Coverrückseite überzeugt. zudem ist das Buch mit farbigen Coverinnenseiten versehen.

Mein Fazit? „Ich bin Marie Curie“ ist ein altersgerechtes, illustriertes Sachbuch, das mit einem tollen Zusammenspiel zwischen Bild und Text punktet, allerdings auch leicht im Hinblick auf den Zeichenstil irritiert. Für interessierte Erstleser und als Vorlesebuch dennoch bedenkenlos zu empfehlen – ab dem (vom englischen Verlag) empfohlenen Alter von 5 Jahren.

[Buchgedanken] Nele Pollatschek: „Dear Oxbridge: Liebesbrief an England“

In den letzten Tagen habe ich „Dear Oxbridge: Liebesbrief an England“ von Nele Pollatschek gelesen. Das Buch ist 2020 im Verlag Galiani, Berlin, einem Tochterverlag von Kiepenheuer & Witsch, erschienen und enthält eine Sammlung biografischer Anekdoten. Vielen Dank an dieser Stelle auch dem Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

Als Nele Pollatschek am 23. Juni 2016 nach Oxford unterwegs ist, wo sie jahrelang studiert hat, ahnt sie nicht, dass sie am nächsten Tag zum Brexit Profiteur wider Willen werden wird. Über Nacht löst sich wegen des Währungszerfalls ihr Studienschuldenberg fast in Luft auf – gleichzeitig aber durchlebt sie den Schock ihres Lebens: Die Briten wollen mit Europäern wie ihr nichts mehr zu tun haben.41NYw3ie1AL._SX312_BO1204203200_

Wenn jemand eine Obsession hat, dann ist es schwer, ihn davon abzubringen. In Nele Pollatscheks Fall heißt die Obsession seit ihrer Jugend Oxbridge. Nichts konnte sie abhalten, dort hinzukommen, wo ihre Helden, die mitunter exzentrischen englischen Geistesriesen, studierten. Irrsinnige Anstrengungen nimmt sie auf sich, um dorthin vorzudringen, erleidet das Hochstaplersyndrom, als es endlich gelingt, lernt das bizarre Verhalten der englischen Eliten kennen, kommt der Abwasserwirtschaft und dem Pillenkonsum der Briten auf die Schliche, verbringt die Nächte zwischen High-Society-Partys und Bibliothek. Gerade denkt sie, sie gehöre dazu – da erfolgt dieser Schlag.

Mit „Dear Oxbridge“ gelingt es Nele Pollatschek, den Leser mit auf eine Reise in die Welt der englischen Eliteuniversitäten zu nehmen, auch wenn der Anlass dafür, ein trauriger ist. Denn erst durch den Brexit als Auslöser, als Katalysator, als traumatischer Einschnitt und Anlass für die Geschichte erzählt die Autorin von ihrem Weg nach Oxbridge – der Kaderschmiede, der auch die wichtigsten Figuren der britischen Geschichte entstammen.

Pointiert, witzig aber auch sehr bildhaft – Nele Pollatscheks Schreibstil vermag von Anfang an zu überzeugen und den Leser zu fesseln, egal ob sie von verstopften Toiletten oder von weltberühmten Partys spricht. Dabei ist es gerade auch das Eingeständnis des eigenen Scheiterns, das das Buch so lesenswert macht und es dem Leser ermöglicht, sich mit der Erzählerin zu identifizieren.

Kulturelle und sprachliche Unterschiede, verschiedene Bildungssysteme und wissenschaftliche Ansätze – Nele Pollatschek vergleicht in ihrem Werk auch die Lebensweisen in Deutschland und Großbritannien, hält dem Leser einen Spiegel vor und beschreibt, dass anders nicht gleich schlecht ist. So ist „Dear Oxbridge“ nicht nur ein Liebesbrief an England, sondern auch ein Einstehen für Toleranz und Vielfalt, ein Plädoyer, dass jeder auf seine eigene Art anders und daher normal ist. Und als Absolvent der Universität Heidelberg freut es mich natürlich, dass es gerade meine Alma Mater war, die der Autorin schlussendlich den Weg nach Oxbridge eröffnet hat.

Auch die Buchgestaltung überzeugt auf ganzer Linie. Satz, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, insbesondere möchte ich lobend anmerken, dass jede Anekdote auf einer ungeraden Seite beginnt – was heute leider viel zu häufig ignoriert wird. Das Cover ist kräftig in der Farbe und damit ein Eyecatcher, vom Design her insgesamt aber unauffällig.

Mein Fazit? „Dear Oxbridge: Liebesbrief an England“ ist ein humorvolles und pointiertes Porträt eines Landes, dessen Kultur, Menschen und Eigenarten. Dabei überzeugt vor allem Nele Pollatscheks prägnanter Schreibstil. Bedenkenlos zu empfehlen, und leider viel zu aktuell.