[Buchgedanken] Kacen Callender: „How do I tell them I love them?“

Vor kurzem habe ich „How do I tell them I love them“ von Kacen Callender gelesen. Das Buch ist 2022 im LYX Verlag in der Bastei Lübbe AG veröffentlicht worden, die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel „Lark and Kasim Start a Revolution“ bei Amulet Books, einem Imprint von Abrams, New York. Das Buch ist als Jugendbuch einzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Anne-Sophie Ritscher verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Lark Winters größter Traum ist es, Autor*in zu werden. Aber dey erhält eine Agenturabsage nach der anderen. Zu jung, zu queer, zu emotional – niemand will die Relevanz der Geschichte für nichtbinäre Menschen wie Lark erkennen. Doch als plötzlich ein Tweet von Lark über unerwiderte Liebe viral geht, ist deren Traum zum Greifen nah. Endlich bekommt Lark die Aufmerksamkeit, die dey sich die ganze Zeit gewünscht hat. Einziges Problem: Lark hat den Tweet nie geschrieben! Er stammt eigentlich von Larks ehemals bestem Freund Kasim, der seit einem Jahr nicht mehr wirklich mit demm redet. Lark muss sich entscheiden: einen Traum leben, der auf einer Lüge basiert, oder herausfinden, was hinter Kasims Tweet steckt und was mit ihrer Freundschaft passiert ist …

Auch bei „How do I tell them I love them?“ fällt die Genrebestimmung nicht leicht. So liegt unzweifelhaft ein Jugendbuch/-Roman vor, es ließen sich aber – durchaus genretypisch – auch die Voraussetzungen eines Entwicklungsromans, eines Liebesromans oder eines LGBTQIA+-Romans bejahen. Kacen Callender steht in jedem Fall als Own Voice-Autorin zur Verfügung und besetzt spätestens seit ihrem letzten Romans mehrere der Themen prominent in den Medien.

Die Handlung ist geprägt von Gesprächen über Diskriminierung, Cybermobbing, LGBTQIA+-Thematiken und polyamouröse Beziehungen – hier werden wichtige Themen von der Autorin angerissen und glaubhaft diskutiert. Leider erschöpft sich die Handlung auch bereits darin und kommt so mehr oder weniger ohne Spannungskurve aus – die Integration der gesellschaftlich relevanten Themen in eine tragfähigere Handlung hätte diese durchaus noch präsenter werden lassen können.

Das Setting ist naturgemäß gelungen. Die Autorin entführt den Leser authentisch in die USA der Jetztzeit, in minorisierte Communities in dem Land, das nach Trump weiter von Polizeigewalt und tiefen Spaltungen geprägt ist. Dabei spielt die Corona-Pandemie in dem Roman ebenfalls eine tragende Rolle, auch wenn sie weder viel zur Handlung noch für die Atmosphäre des Settings beiträgt, mit Ausnahme der obligatorischen Maskenpflicht.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, bilden aber auch eine in sich geschlossene Bubble, die sie in Gänze von der, teils verhassten, weißen cis-Mehrheitsgesellschaft abgrenzt – hier hätte etwas Durchmischung, hätten etwas mehr durchlässige Grenzen nicht geschadet. So enttäuscht gerade Lark als Charakter und bleibt blass, während Jamal und Asha als wichtige Nebenfiguren hingegen glänzen können. Kacen Callenders Schreibstil ist dabei leicht und flüssig lesbar, teils aber zu belehrend.

Die Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Einbau von Tweets ist wunderschön gelöst, die Handlung mit eingebauten Texten und Kommentaren durchbrochen und abgerundet. Der Buchumschlag ist auf dem Cover und dem Buchrücken hochwertig geprägt, das unter dem Umschlag befindliche Buch ebenfalls aufwendig gearbeitet und mit farbigen Coverinnenseiten versehen. Das Covermotiv passt gut zur Geschichte, lässt aber etwas Spannung, Akzente vermissen, die dafür sorgen, dass es direkt ins Auge springt und im Gedächtnis bleibt.

Mein Fazit? „How do I tell them I love them?“ ist ein Jugendbuch, das wichtige Themen anspricht und durch sein Setting brilliert, leider aber auch kleinere Schwächen in der Hauptfigur und bei der Handlung hat. Für Leser des Genres dennoch bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 14 Jahren.

[Buchgedanken] Aiki Mira: „Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“

Vor kurzem habe ich „Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“ von Aiki Mira gelesen. Das Buch ist 2023 im Polarise Verlag, einem Imprint der dpunkt.verlag GmbH veröffentlicht worden und dem Genre Science-Fiction zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Hamburg im Jahr 2112: Die Stadt wird immer wieder von Starkregen geflutet, im Binnendelta hat sich ein Slum aus schwimmenden Containern gebildet und über allem thront das gigantische Stadion. Zum „Turnier der Legenden“ reisen Fans aus der ganzen Welt an, um die berühmten Glam-Gamer spielen zu sehen. Auch Go [Stuntboi] Kazumi begeistert sich für das VR-Gaming, fährt jedoch noch lieber Stunts auf dem Retro-Skateboard. Ein Sturz scheint das Aus für Gos Karriere zu bedeuten, doch dann wird Go ein Job im Stadion angeboten – bei den Rahmani-Geschwistern, den berühmtesten Gamern Deutschlands! Von da an überschlagen sich die Ereignisse und Gos Welt wird komplett auf den Kopf gestellt: ein Bombenanschlag, illegale Flasharenen, Tech-Aktivisten, Cyberdrogen, künstliche Intelligenzen – und dann ist da auch noch dieses Mädchen …

„Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“ lässt sich bereits schwer einem Genre zuordnen. Vom Verlag beworben als Near-Future-Science-Fiction, als Entwicklungsroman, als LGBTQIA+-Roman, habe ich es der Einfachheit halber bei der Einordnung als Science-Fiction belassen – denn für „Near-Future“ sind mir die 90 Jahre doch etwas viel. Gute Argumente hätten sich aber auch für die Einstufung als progressive Phantastik gefunden – oder sogar für die Kategorisierung als (Polit-) Thriller oder Dystopie.

Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich, teils aber auch etwas verworren und sehr komplex, fügen sich doch genug Handlungsstränge und Schauplätze für – mindestens – zwei Bücher mal mehr, mal weniger gut zusammen. So bleiben gerade die politischen Themen etwas flach, die verschiedenen Aktivisten- und Terrorgruppen blass, während der Handlungsstrang um Go, ELLL und die Rahmanis gut aufgearbeitet wird. Gerade der Einstieg fällt jedoch unglaublich schwer – selbst für gameaffine Leser ist der Wechsel zwischen Realität und VR, zwischen Gesprächen, Chats und übermittelten Gedanken anfangs viel und nicht immer leicht fassbar.

Das Setting begeistert hingegen auf ganzer Linie. Aiki Mira entführt den Leser in ein Hamburg der Zukunft, in eine Welt, die von global agierenden Unternehmen geprägt und dominiert wird. Und auch wenn man anfangs etwas braucht, sich zurechtzufinden, ist die Welt doch nach und nach immer faszinierender, spannender und – ja – auch dystopischer. Lediglich die Ingame-Umgebung und die Szenen im Neurosubstrat lassen sich bildlich für die Leser nur schwer fassen.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugen vor allem Ren Kazumi, beide Rahmanis und ELLL, während Ben und Tayo sehr blass bleiben. Bei Go bin ich zwiegespalten. So sind die Zweifel, ihre Suche nach der geschlechtlichen Identität gut dargestellt, darüber hinaus handelt sie aber nicht zwingend nachvollziehbar. Aiki Miras Schreibstil ist im Wesentlichen gut und flüssig lesbar, sehr authentisch und technikaffin.

Die Buchgestaltung ist gelungen, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist solide, aber relativ schlicht – hier hätte man den Gamecharakter oder die technologischen Features noch etwas besser darstellen können. Das Covermotiv zieht sich über den kompletten Buchumschlag, ist farblich ein Traum und verbirgt das ein oder andere typografische Easter Egg. Allerdings hätte hier durchaus noch mit Klappen oder farbigen Coverinnenseiten das Design etwas aufgepeppt werden können.

Mein Fazit? „Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“ ist ein sehr ambitionierter, aber auch gelungener Science-Ficion Roman, der mit einem brillanten Setting punktet, aber fast zu viel Handlung für ein Buch bietet. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

Von Debütanten und Preisträgern | Doppelte Lovelybooks-Buchpost

Vor kurzem erreichten mich mal wieder zwei Bücher als Rezensionsexemplare im Rahmen von Leserunden auf Lovelybooks.de – vielen Dank dafür! „Freischwimmer“ von Gabriel Herlich ist dabei ein im Pendragon Verlag erschienenes Debüt, ein Roadmovie als Entwicklungsroman, während „Soldaten im Licht“ von Kameron Hurley (Panini Verlags GmbH) neue epische Military Science-Fiction der Hugo Award Gewinnerin von 2014 ist. Krasser könnten die Unterschiede gar nicht mehr sein – und genauso groß ist auch die Vorfreude auf die beiden Bücher.

Lest Ihr lieber Debüts oder Romane etablierter Autoren?

[Buchgedanken] Jan Weiler: „Der Markisenmann“

In der letzten Zeit habe ich „Der Markisenmann“ von Jan Weiler gelesen. Das Buch ist 2022 im Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH erschienen und als Entwicklungsroman bzw. Gegenwartsliteratur zu klassifizieren. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Was wissen wir schon über unsere Eltern? Meistens viel weniger, als wir denken. Und manchmal gar nichts. Die fünfzehnjährige Kim hat ihren Vater noch nie gesehen, als sie von ihrer Mutter über die Sommerferien zu ihm abgeschoben wird. Der fremde Mann erweist sich auf Anhieb nicht nur als ziemlich seltsam, sondern auch als der erfolgloseste Vertreter der Welt. Aber als sie ihm hilft, seine fürchterlichen Markisen im knallharten Haustürgeschäft zu verkaufen, verändert sich das Leben von Vater und Tochter für immer.

„Der Markisenmann“ ist – wie oben schon erwähnt – Entwicklungsroman und Gegenwartsliteratur zugleich; Coming of Age meets Vater-Tochter-Roman. Dabei schildert der Roman primär einen Sommer des Jahres 2005, erzählt aus der Sicht einer 17 Jahre älteren Protagonistin in der Jetztzeit (2022). Eingestreute Kommentare dieser Erzählerin sorgen dafür, dass leider wesentliche Handlungspunkte schon vorweggenommen werden, was dem Buch etwas an Spannung nimmt.

Die Handlung ist dabei durchaus abwechslungsreich und humorvoll, teils aber auch unlogisch – und lässt Konsequenzen und Reflektionen im Zusammenhang mit Fehlern vermissen – selbst rückblickend vom 17 Jahre älteren Ich werden diese teils geschönt. Insgesamt ist die erste Hälfte des Romans deutlich stärker, zum Ende hin wird vieles erwartbar und kann mit der aufgebauten Spannung nicht mithalten – und auch das Ende an und für sich vermag in einigen Punkten nicht zu überzeugen.

Hingegen brilliert das Setting auf ganzer Linie. Jan Weiler gelingt es, das Ruhrgebiet zwischen Herzlichkeit und Tristesse, zwischen Akropolis, Venezia und Centro, dem Leser ans Herz zu legen. Automatisch erschafft Weiler mit seinen Worten Bilder in den Köpfen der Leser – die Verfilmung schreibt sich quasi von selbst. Ich würde ja die pubertierende Kim in ein, zwei Jahren mit Helena Zengel besetzen …

Die Buchgestaltung ist im Wesentlichen gelungen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Covermotiv zieht sich einheitlich über den kompletten Buchumschlag, ist aber simpel, unauffällig und farblich … gewöhnungsbedürftig, passt daher aber zur Handlung. Dahingegen ist die Einbindung von Autor und Titel auf dem Cover über die Banderole sehr innovativ, die damit integraler Bestandteil des Gesamtbildes wird.

Mein Fazit? „Der Markisenmann“ ist ein Entwicklungsroman über die Beziehung zwischen Vater und Tochter, der vor allem durch sein brillantes Setting punktet, aber auch im Verlauf der Handlung leider abbaut. Für Liebhaber der Gegenwartsliteratur bedenkenlos zu empfehlen – etwa ab einem Lesealter von 13, 14 Jahren.

[Buchgedanken] Anni E. Lindner: „Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan“

In der letzten Zeit habe ich „Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan“ von Anni E. Lindner gelesen. Das Buch ist 2021 im Francke-Verlag, Francke-Buch GmbH, veröffentlicht worden und dem Genre „Jugendbuch“ zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag und die vermittelnde Agentur Literaturtest für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

Als ob ein Tagebuch ihren Scherbenhaufen von Leben besser machen könnte! Die 16-jährige Tally hat unerwartet ihren Vater verloren und das Letzte, was sie jetzt braucht, sind die Ratschläge ihrer selbst überforderten Mutter. Oder der merkwürdigen Therapeutin, die ihr empfiehlt, ihre Gefühle aufzuschreiben! Erst als Tally zufällig Frau Möller kennenlernt, eine alte Dame mit einem Papagei sowie einer Vorliebe für Marzipan, und ihr das Foto von deren jung verschollenen Onkel in die Hände fällt, findet sie doch noch etwas, was sie zum Schreiben inspiriert. Außerdem sind da ja auch noch ihre beste Freundin Sanna und nicht zu vergessen Mr Wow, der eigentlich Timo heißt und Tally einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Dummerweise ist er Christ und mit diesem religiösen Quatsch kann sie so gar nichts anfangen …

Auch mit einigen Tagen Abstand bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, was ich von „Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan“ halten soll. So ist das Buch sowohl Jugendbuch, als auch Schicksalsroman und Entwicklungsroman in einem, und zur christlichen Literatur zu zählen, wobei der Glaube hier eine sehr starke, präsente Rolle spielt und – vielleicht etwas zu stark – glorifiziert wurde. Dabei meine ich gar nicht die Religion an sich, die jedem persönlich unbenommen ist, sondern lediglich den Weg der Protagonistin von einer gebrochenen, trauernden Jugendlichen hin zum Glauben, der mir etwas zu glatt geht, etwas mehr innere Auseinandersetzung benötigt hätte.

Abgesehen von dem überstürzten – ich nenne es mal, um nicht zu spoilern – „Ausflug“ am Ende des Buches, den ich etwas unrealistisch finde, gefällt mir die Handlung ansonsten sehr gut und hält einige, unerwartete Wendungen bereit. Dabei überzeugt der von Tally verfasste Roman im Roman vollends und ergänzt die eigentliche Handlung gut, ist er doch Sehnsuchtsort und Ventil für die trauernde Tally.

Die einzelnen Figuren sind in aller Regel vielschichtig angelegt. Während bei der Protagonistin Tally (wie oben bereits erwähnt) und auch bei Tino, ist er doch zu perfekt gezeichnet, noch etwas Luft nach oben verbleibt, überzeugen die Nebencharaktere auf ganzer Linie, vor allem Olivia, Tallys Mutter, Gregor und Beata.

Anni E. Lindners Schreibstil lässt sich gut und flüssig lesen, ist einfühlsam und authentisch. Allerdings werde ich mich wohl nie an die doch sehr ungewöhnliche Erzählperspektive eines Ich-Erzählers im Präsens gewöhnen – mir liegt Präteritum einfach mehr, auch wenn es gerade im Romance-Bereich durchaus auch anders üblich ist.

Die Buchgestaltung ist solide, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet. Das Cover, der Buchumschlag insgesamt, ist jedoch etwas eintönig und unauffällig geraten. Zwar ist über die Marzipanförmchen ein Bezug zur Geschichte – und zum Titel – gegeben, hier hätte aber durchaus etwas mehr Liebe – und Budget – in die Gestaltung fließen können.

Mein Fazit: „Die Wahrheit schmeckt nach Marzipan“ ist ein Jugendroman, der sich sehr stark auf den christlichen Glauben fokussiert und der vor allem durch eine interessante Handlung und eine Geschichte in der Geschichte punkten kann. Trotz leichter Schwächen daher für Leser christlicher Literatur zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Alter von 14.

[Buchgedanken] Veronika Lackerbauer: „Arabische Nächte“

In der letzten Zeit habe ich „Arabische Nächte von Veronika Lackerbauer gelesen, mein viertes Buch der Autorin nach „Licht & Schatten 1„, „Licht & Schatten 2“ und „Bacchus‘ Vermächtnis„. Der Roman erschien 2021 im Selfpublishing über Books on Demand und ist eine bunte Mischung aus Entwicklungs-, Schickals- und Liebesroman. Vielen Dank an dieser Stelle an die Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

Weil ihr Mann wieder einmal in seiner Arbeit feststeckt, fährt Inga mit ihrer Freundin in den Urlaub. Am Strand von Dubai verliebt sie sich Hals über Kopf in den charmanten Architekten Paul, der in den Emiraten lebt. Alle Brücken abbrechen und mit Paul neu anfangen oder zurück in ihr altes Leben? Doch der Zwiespalt zwischen den beiden Männern ist bald Ingas kleinstes Problem, denn das Schicksal kann manchmal ein mieses Arschloch sein.

Wie oben schon angedeutet, fiel mir bei „Arabische Nächte“ die Genrezuordnung unglaublich schwer. Veronika Lackerbauer vermischt hier gekonnt Elemente von Liebes- und Schicksalsromanen, wodurch im Endeffekt ein Werk entsteht, das den Fokus auf die Entwicklung der Protagonistin Inga legt, ihre Wandlung, Erfahrungen und Sehnsüchte. Und auch wenn die Schwerpunktsetzung im zweiten Teil des Romanes vielleicht etwas zu stark auf den schicksalshaften Aspekten liegt, gelingt es der Autorin doch, den Charakter eines Liebesromanes dauerhaft beizubehalten – eines sehr ungewöhnlichen Liebesromans allerdings, weiß man als Leser hier nicht einmal, mit welchem der Männer man Inga nun Glück wünscht.

Dafür sorgt sicherlich auch der Prolog, der leider dem Buch etwas an Spannung nimmt, Teile der Handlung bereits spoilert, gleichsam aber einen schönen Rahmen zum Epilog bildet – und für ein offenes Ende sorgt. Ein Ende, das den Leser gleichsam befriedigt und unbefriedigt zurücklässt; ein Ende, das es ihm ermöglicht, Ingas Geschichte zum Wunschausgang weiterzuspinnen.

Das Setting ist malerisch. Die traumhaften Kulissen in den Emiraten, gigantische Hotelkomplexe, Strände und Einkaufszentren – mit Inga reist man in eine Welt, die den meisten Lesern im deutschsprachigen Raum fremd vorkommt. Hier hätte durchaus noch mehr, noch stärker, noch expresssiver beschrieben werden können, um den Leser noch brutaler in die Welt zu ziehen, ihm Bilder, Gerüche und Geschmäcker einzupflanzen.

Abgesehen davon ist Veronika Lackerbauers Schreibstil – wie üblich – leicht und locker zu lesen. Die Autorin schfaft glaubhafte, dreidimensionale Protagonisten mit Stärken und Schwächen, eigenen Zielen und Motiven, wobei mir hier insbesondere Britta und Tom sehr ans Herz gewachsen sind.

Lektorat, Korrektorat und Buchsatz sind solide, die durchgerutschten Kleinigkeiten bremsen den Lesefluss bzw. schmälern das Lesevergnügen kaum. Das Covermotiv zieht sich gelungen über den ganzen Buchumschlag und ist wunderschön anzuschauen, gleichsam hätte aber der Bezug zur Handlung noch stärker hervorgehoben werden können, da dort ein brombeerfarbenes Kleid eine starke Rolle spielt. Zudem scheinen die Füße der Frau im Sand etwas komisch zu versinken.

Mein Fazit: „Arabische Nächte“ ist ein Roman über Schicksal und die ganz große Liebe, der vor allem durch ein malerisches Setting und authentische Charaktere punkten kann. Für Liebhaber von Liebesromanen abseits des Romance-Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16.

Ps: Ich finde es mehr als schade – möchte es aber ausdrücklich nicht kritisieren -, dass im Klappentext die Chance auf ein kleines Easter Egg vertan wurde. Denn das Schicksal kann manchmal nicht nur ein mieses Arschloch, sondern vor allem ein mieser Verräter sein. Mit dieser minmalen Anpassung hätte man eine Hommage an John Green einbauen können, dessen Jugendliebesromane mehr als eine Generation an Lesern begeisterten und die Bestseller- und Preisträgerlisten stürmten. Ich hätte es zumindest gefeiert!

[Buchgedanken] Claudia Casanova: „Albas Sommer“

In der letzten Zeit habe ich „Albas Sommer“ von Claudia Casanova gelesen. Das Buch ist 2020 beim Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 unter dem Titel „Historia de una flor“ bei Penguin Random House Grupo Editorial veröffentlicht . Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Spanien 1875. Alba liebt die langen Sommer im Valle de Valcabriel am Fuße der Pyrenäen. Hier kann sie ausgiebig durch die Natur streifen und sich ganz ihrer Leidenschaft widmen: dem Studium von Pflanzen. Als sie den bekannten deutschen Botaniker Heinrich Willkomm kennenlernt, der eine von Alba entdeckte Pflanze nach ihr benennt und auf der Pariser Weltausstellung präsentieren will, kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch dann muss sie eine harte Entscheidung treffen, die ihr Leben verändern wird.

„Albas Sommer“ ist historischer Roman, Familiensaga und Entwicklungsroman in einem – und ja, irgendwie trotz des historischen Settings auch Gegenwartsliteratur, sind doch die angesprochenen Themen auch in der heutigen Zeit duchaus noch aktuell. So ist das Buch – neben allem anderen – auch eine Hommage an die mutigen Frauen der Geschichte, an Entdeckerinnen, Forscherinnen und Wissenschaftlerinnen, deren vielfältigste Leistungen oft nicht den ihnen eigentich zustehenden Ruhm erhielten.

Der Roman erzählt auf eine leichte, leise und einfühlsame Weise das Leben von Alba in kurzen Episoden. Dabei erschafft die Autorin filigrane, zerbrechliche Bilder, die trotzdem kraftvoll strahlen und den Balanceakt Albas zwischen gesellschaftlichen Konventionen und eigenem Entdeckerdrang perfekt porträtieren.

Eingebettet in ein wundervolles Setting klingt in jedem Kapitel die Liebe zur Natur durch, die Alba – und auch Heinrich – antreibt. Eine gemeinsame Leidenschaft aus der eine zarte, aber nie übertriebene oder zu präsente Liebesgeschichte erwächst, deren Ende aber leider durch das erste Kapitel schon vorweggenommen worden ist – wie auch ein weiteres, elementares Ereignis, was die Spannung etwas mindert, der Unterhaltung schlussendlich jedoch keinen Abbruch tut.

Die Buchgestaltung bezaubert hingegen auf ganzer Linie. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist wunderschön und hält sich als eines der wenigen Bücher noch an alte Traditionen, jedes Kapitel auf einer ungeraden Seite zu beginnen. Auch das Cover vermag in der einfachen Natürlichkeit mit den wundervollen Abbildungen zu überzeugen.

Mein Fazit? „Albas Sommer“ ist ein leichtes, fragiles Buch über die Natur und die Liebe, eine Hommage an all die vergessenen Frauen der Wissenschaft – und kann vor allem dank eines tollen Settings und wunderschön erzeugten Bildern punkten. Bedenkenlos zu empfehlen.

[Buchgedanken] Luca Rohleder: „Die Suche nach Gott“

In der letzten Zeit habe ich „Die Suche nach Gott“ von Luca Rohleder gelesen. Das Buch ist 2020 in der dielus edition erschienen und wurde mir als unkorrigiertes Leseexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt – vielen Dank dafür!

Nachdem ihre Hündin von einem LKW überfahren und ihr Internetbusiness lahmgelegt wurde, schlittert die Bloggerin Lucy in eine schwere Lebenskrise. Mithilfe der Wissenschaft macht sie sich auf eine abenteuerliche Suche nach Gott. Dabei lässt sie sich auf viele Gespräche und Liebesabenteuer mit Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen ein, mit deren Hilfe sie den physikalischen Beweis für die Existenz Gottes findet. Sie kommt dem geheimnisvollen Wirken göttlicher Spielregeln auf die Spur, und erkennt den höheren Sinn hinter allem. Und schließlich entdeckt sie am Ende ihrer Reise etwas, mit dem sie niemals gerechnet hätte …

„Die Suche nach Gott“ ist kein typischer Roman, vermischt er doch wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse mit einer fiktiven Handlung. Daher fällt es bereits schwer, überhaupt ein Genre festzulegen. Während das Buch online teils unter dem Label der Gegenwartsliteratur geführt wird sowie von mir bei der Vorstellung untechnisch als quantenphilosophischer Roman betitelt wurde, würde ich es nach der Lekture als Entwicklungsroman sehen, wobei aufgrund des Epiloges auch noch ein anderes Genre zur Auswahl stünde, das ich hier aber nicht erwähnen werde, um nicht zu spoilern.

Dabei balanciert das Buch die ganze Zeit auf der Grenze zwischen Wissenschaft und Esoterik, vermengt Wissen, Gefühle und Spiritualität. Und auch wenn die 10 Handlungsempfehlungen / „göttlichen“ Spielregeln – eine nette Anspielung auf die 10 Gebote – sicherlich teils ihre Berechtigung haben und auf viele Situationen anwendbar sind, ist die Allgemeingültigkeit, mit der diese propagiert werden, vielleicht etwas übertrieben. Auch finden Stimmen, die den teils durchaus diskutablen wissenschaftlichen Begründungen widersprechen, kaum Gehör – aber dies ist verschmerzbar, wenn man sich während des Lesens dauerhaft bewusst macht, dass es sich um meinen Roman und somit um Fiktion, und gerade keine wissenschaftliche Abhandlung oder ein Sachbuch, handelt.

Aussagen zum Setting, zum Spannungsbogen oder zur Handlung können vorliegend nicht getroffen werden, da – rein äußerlich – nicht viel passiert, sich das Buch auf Lucys Entwicklung, ihre Gedanken und Gefühle konzentriert. Hierbei muss man aber dem Autor zugute halten, dass das Ende sehr überraschend kam und gänzlich unerwartet war.

„Die Suche nach Gott“ ist ein bisschen wie „Sofies Welt“ für Erwachsene, bei dem an die Stelle der grundlegenden philosophischen Konzepte eine neue, wissenschaftlich angehauchte Philosophie tritt – ein Buch, das bildet und unterhält, und dabei die volle Aufmerksamkeit des Lesers fordert – mit einem ungeahnt hohen Erotikanteil.

Die Buchgestaltung ist im Wesentlichen gelungen. Aussagen zum Korrektorat verbieten sich, da die Schlusskorrektur noch aussteht. Lektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Cover ist schlicht aber gelungen, der Buchrücken aus meiner Sicht etwas textlastig/überlastet.

Mein Fazit: „Die Suche nach Gott“ ist – wenn man sich darauf einlässt – ein Roman, der einem auf durchaus unterhaltsame Weise wissenschaftliche und philosophische Ansätze vermittelt, die durchaus hilfreich sein können. Für Leser, denen die Fiktion der Handlung bewusst ist, und die sich offen, aber auch krtisch, damit auseinandersetzen wollen, bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 17.

[Buchgedanken] Vera Jürgens: „Emmas Weg“

In den letzten Tagen habe ich „Emmas Weg“ von Vera Jürgens gelesen – vielen Dank an dieser Stelle auch an die Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares. Der Roman ist 2018 im Selfpublishing erschienen und eine Mischung aus einem Entwicklungsroman und einem Liebesroman mit spirituellen Elementen.

41aK472H3oL._SX326_BO1204203200_Nachdem sie ihren Freund mit einer anderen Frau erwischt hat, trennt sich Emma von ihm und fliegt nach Indien, um sich selbst zu finden und spirituell zu wachsen. Dort lernt sie die extrovertierte Gesa sowie den Journalisten Jan kennen, zu dem sich Emma sofort hingezogen fühlt. Als auch ihr Ex-Freund auftaucht, um sie zurückzuerobern, wird alles kompliziert. Erst in einem Ashram in Patna gelingt es Emma, spirituell aufzuwachen und zum Guru aufzusteigen. Doch dann steht plötzlich Jan wieder vor ihr …

„Emmas Weg“ ist zugleich Liebesroman, Entwicklungsroman und spirituelles Buch, es ist Reiseführer und Porträt der indischen Gesellschaft. Und gerade hier liegt auch die größte Stärke des Romanes. Durch die lebensnahen Beschreibungen, durch die vielen Bilder und Personen, durch die Reisen der einzelnen Charaktere lernt  man als Leser die indische Lebensweise, Land und Leute kennen und lieben. Dabei zeigt der Roman auch die krassen Gegensätze zwischen den 5-Sterne-Luxushotels und einfachen Unterkünften, zwischen Stadt und Land auf. Er vermittelt dem Leser spirituelle Konzepte und nimmt ihn auf dem Weg zur Selbstfindung an die Hand, lässt ihn mit Emma zusammen lernen.

Ungeachtet dessen, ob man den Weg zur Erweckung akzeptiert oder nicht, enthält der Roman viele allgemeingültige Wahrheiten, sorgt dafür, dass man sich mit relevanten Themen auseinandersetzt. Dass dabei gelegentlich leicht über das Ziel herausgeschossen wird – wie zum Beispiel bei Gesas Liebe zu Joints – vermag den positiven Eindruck nur leicht zu schmälern.

Genretypisch sind Teile der Handlung natürlich vorhersehbar, der Autorin gelingt es jedoch, immer mal wieder mit unerwarteten Wendungen das erwartbare Ende etwas hinauszuzögern. Vor dem Hintergrund des malerischen Settings kann man als Leser dabei über kleinere Schwächen in der Handlung, über kleinere Längen durchaus auch hinwegsehen.

Von der Buchgestaltung bin ich allerdings nicht restlos überzeugt. Lektorat und Korrektorat haben sehr ordentlich gearbeitet, die wenigen vorhandenen Fehler schmälern keinesfalls den Lesefluss. Der Buchsatz hingegen lässt etwas Kreativität, etwas Frische vermissen und setzt gerade zum Anfang und zum Ende hin kaum Akzente. Das Cover ist ein Eyecatcher und farblich ausdrucksstark, ich hätte mir aber noch eine stärkere Bindung zum Inhalt des Buches gewünscht.

Mein Fazit? „Emmas Weg“ ist ein grundsolider Liebes- und Entwicklungsroman, der mit einem tollen Setting und der ausdrucksstarken Beschreibung der kulturellen Gegensätze punkten kann. Kleinere Schwächen vermögen dabei das Lesevergnügen nicht zu schmälern. Für Liebhaber von spirituell angehauchten Entwicklungsromanen bedenkenlos zu empfehlen.