[Buchgedanken] Christina Rey: „Ein kleines Stück von Afrika – Hoffnung“ (Das endlose Land 2)

Vor kurzem habe ich auch „Ein kleines Stück von Afrika – Hoffnung“ von Christina Rey gelesen. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen und als (historische) Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Nach dem Ersten Weltkrieg muss sich die jung verwitwete Ivory in Kenia großen Herausforderungen stellen. Denn ihre Entscheidung für einen neuen Mann an ihrer Seite sorgt für Aufruhr in der Gesellschaft und Ablehnung seitens ihrer Familie. Dennoch ist Ivy mit ihrem Mann und ihren kleinen Töchtern auf Edgecumbe Farm glücklich. Bis eines Tages ein Fremder anreist und Anspruch auf das Anwesen erhebt. Völlig mittellos und begleitet von der tiefen Sorge um ihre älteste Tochter muss Ivy mit ihrer Familie nach Nairobi übersiedeln. Dort verknüpft sich ihr Schicksal mit einer einst einflussreichen Adligen, die aus Indien nach Afrika floh …

„Ein kleines Stück von Afrika – Hoffnung“ ist der zweite und abschließende Band der Dilogie „Das endlose Land“. Dabei ist der Roman als (historische) Familiensaga einzuordnen, spielt er doch in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Allerdings kann man den Roman aus meiner Sicht, im Gegensatz zum ersten Band „Ein kleines Stück von Afrika – Aufbruch„, eher nicht als Standalone lesen, setzt er doch so einiges an Vorwissen des Vorgängerbandes voraus.

Die Handlung ist spannend und kurzweilig, wenn auch – mindestens – ein längerer Zeitsprung etwas irritierte. Hierbei setzt die Handlung grundsätzlich relativ zeitnah nach dem Ende des ersten Bandes ein und führt diese nahtlos fort – auch der Cast an Charakteren wird im Wesentlichen so übernommen und in einigen Punkten erweitert. Dabei entfernt sich die Handlung von der klassischen jagd- und liebesbasierten Zentrierung des ersten Bandes und stellt im vorliegenden Buch vielmehr auf die Beziehung der Kolonialmacht mit den Einwohnern ab, auf latenten oder offenen Rassismus und auf kulturelle Unterschiede. Man könnte das Buch sogar fast als Justizroman sehen, werden doch zwei wesentliche Verfahren in das Zentrum der Handlung gerückt.

Das Setting ist weiterhin natürlich sehr gelungen. So entführt auch dieser Band die Leser nach Kenia, auf das mittlerweile deutlich angenehmer geführte Resort – auch wenn es hier natürlich zu einem unschönen Rückfall kommt. Toll finde ich es zudem, dass Christina Rey den Leser dieses Mal auch nach Indien mitnimmt, an die Seite von Ranjana, die im ersten Band als Charakter bereits überzeugen und Interesse wecken konnte.

Die einzelnen Figuren sind vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugt vor allem Ranjana als wichtige Nebenfigur, während Sanele teils nicht gänzlich nachvollziehbar handelt. Christina Reys Schreibstil ist dabei leicht und flüssig zu lesen, teils authentisch und lässt das Kopfkino sofort anspringen.

Die Buchgestaltung kann ebenfalls im Wesentlichen glänzen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben solide gearbeitet, der Buchdeckel ist auf dem Cover hochwertig geprägt und mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen, die toll gestaltet sind. Das Covermotiv fügt sich dabei gut in das Gesamtbild der Reihe ein und sorgt für einen Wiedererkennungswert, weiterhin wirkt die auf dem Titel befindliche Frau jedoch deplatziert und künstlich eingefügt. Auch wird das Covermotiv irritierenderweise zum Buchrücken hin teils fortgesetzt, teils unterbrochen – eine einheitliche Lösung hätte hier ebenfalls harmonischer gewirkt.

Mein Fazit? „Ein kleines Stück von Afrika – Hoffnung“ ist ein gelungener und spannender Abschluss der Dilogie, der gut an den Vorgängerband anknüpft und nur kleinere Schwächen hat. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – allerdings nicht ohne Band 1.

Von neuen Wegen und alten Erinnerungen | Lovelybooks-Buchpost

Vor kurzem erreichten mich auch diese beiden Bücher über Lovelybooks.de – vielen Dank dafür. „Erinnerung und Lüge“ von Anne-Marie Garat (Goya Verlag, JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH) kam dabei als Rezensionsexemplar im Rahmen einer Leserunde zu mir, „Neue Wege der Lust“ von Alisha Schmidt (Selfpublishing, Books on Demand) als Gewinn einer Buchverlosung. Ein Sachbuch und Ratgeber, eine Familiensaga und Generationenroman: so unterschiedlich waren meine Neuzugänge wohl noch nie. Ich bin auf beide Bücher jedenfalls schon sehr gespannt!

Welches Buch ist zuletzt bei Euch eingezogen?

[Buchgedanken] Viktoria Bolle: „Blumental – Leeres Land“ (Blumental 1)

Vor kurzem habe ich auch „Blumental – Leeres Land“ von Viktoria Bolle gelesen. Das Buch ist 2023 im Kampenwand Verlag veröffentlicht worden und als historische Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Olga und ihre Familie leben als freie und wohlhabende Bauern, bis Stalins Regime ihre Welt auf den Kopf stellt. Als Kulaken und Deutsche werden sie von der Roten Armee verfolgt, enteignet und zur Arbeit im Kolchos gezwungen. Doch Olga gibt nicht auf. Inmitten von Hunger, Willkür und Leid kämpft sie ums Überleben und muss dabei ihre tiefsten Überzeugungen aufgeben.

„Blumental – Leeres Land“ ist der erste Teil der Blumentalsaga, die mit „Blumental – Eis und Sturm“ fortgesetzt wird. Dabei spielt der Roman in zwei Zeitebenen, einer vergangenen und einer halbwegs aktuellen (2004). Da man letztere jedoch gänzlich vernachlässigen kann, sie unnötig ist und nur aus Prolog und Epilog besteht, könnte man das Buch durchaus auch als historischen Roman einordnen. Aufgrund der starken Konzentration auf das Schicksal der Familie Suppes habe ich es dennoch bei der vom Verlag getroffenen Eingruppierung als (historische) Familiensaga belassen.

Die Handlung ist im Wesentlichen spannend, aber auch im ersten Drittel etwas langatmig und ereignisarm, was sich jedoch im Verlauf des Buches stark verbessert. Dabei vermag es die hochemotionale Handlung jedoch nicht, diese Gefühle auch komplett zum Leser zu transportieren, bleibt doch immer eine gewisse Distanz, eine gewisse Emotionslosigkeit in der Beschreibung der Handlung. Positiv festzuhalten bleibt dahingegen, dass der Roman nicht in einem Cliffhanger endet, sondern Handlungsstränge im Wesentlichen abgeschlossen werden, sodass das Buch auch als Standalone gelesen werden kann.

Das Setting ist gelungen. So entführt die Autorin den Leser nach Westsibirien, in die einst blühenden Landschaften deutscher Kolonisten, in der Zeitspanne nach dem ersten Weltkrieg bis in die 1930er Jahre. Dabei gelingt es Viktoria Bolle gut, die zwar entbehrungsreiche und keinesfalls perfekte Lebensweise der deutschen Kolonisten von den späteren sowjetischen Gräueltaten, dem allumfassenden Hunger und der herrschenden Willkür abzugrenzen, und so eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen.

Die einzelnen Figuren sind teils schematisch angelegt, es bleibt jedoch genug Potential, um diese im zweiten Band dann konsequent weiterzuentwickeln. Vorerst kann David – Olgas Bruder, nicht ihr Mann – am stärksten glänzen, gelingt ihm doch in seiner Person eine glaubhafte Entwicklung vom unbekümmerten Mädchenschwarm zum verantwortungsbewussten Erwachsenen, während Olga – trotz der Ich-Perspektive – etwas blass und vom Leser entfernt bleibt. Viktoria Bolles Schreibstil ist dabei zwar – wie bereits beschrieben – relativ emotionsarm, aber authentisch bis an die Grenzen guter Lesbarkeit und zeugt von umfassender Recherche.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben ordentlich gearbeitet, insbesondere der Buchsatz verdient sich ein Lob dafür, jedes Kapitel auf einer ungeraden Seite zu starten. Zudem wird die Handlung mit Rezepten abgerundet. Der Buchumschlag ist auf Cover, Coverrückseite und Buchrücken ganz leicht geprägt und typografisch toll gestaltet, insgesamt aber relativ eintönig und unauffällig.

Mein Fazit? „Blumental – Leeres Land“ ist ein in weiten Teilen spannender Auftakt in die Familiensaga mit tollem Setting, aber auch noch einigem Entwicklungspotential für den nächsten Band. Trotz der relativ emotionsarmen Erzählweise für Leser des Genres dennoch zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

[Buchgedanken] Isabell Schönhoff: „Das Erbe der Greiffenbergs – Gegen den Wind“ (Chiemsee-Saga 1)

Vor kurzem habe ich auch „Das Erbe der Greiffenbergs – Gegen den Wind“ von Isabell Schönhoff gelesen. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen und als Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Am Ufer des malerischen Chiemsees ist der exklusive Flagship-Store des Feinkostunternehmens Greiffenberg eine Attraktion. Patriarch Ludwig leitet in dritter Generation die Geschicke mit harter Hand … und nach seinem Gutdünken. Die drei Kinder interessieren sich nicht fürs Geschäft, seine Frau Therese, ein ehemaliges Münchner Modell, pflegt ihr Image als Society-Lady, und Großmutter Elsa ist trotz ihrer 80 Jahre eine passionierte Bergwanderin. Dann kehrt Ludwig eines Tages nicht von einem Segeltörn zurück. Widerstrebend nimmt die älteste Tochter Pauline die Zügel in die Hand, ohne zu wissen, dass sie damit ein Intrigenkarussell in Gang setzt, das zur Zerreißprobe für die ganze Familie wird.

„Das Erbe der Greiffenbergs – Gegen den Wind“ ist der erste Band der Chiemsee-Saga rund um die Familie von Greiffenberg. Dabei habe ich es, trotz der starken Liebesgeschichte, bei der Eingruppierung als Familiensaga belassen, stehen doch die Geschicke der ganzen Familie im Mittelpunkt. So werden auch fleißig die personalen Erzählperspektiven ausgetauscht, auch wenn natürlich der Hauptaugenmerk auf den Erlebnissen von Pauline liegt. Ungewöhnlich ist zudem, dass die Geschichte in der Jetztzeit spielt, eine unverhoffte aber nicht unwillkommene Überraschung.

Die Handlung kann im Wesentlichen überzeugen, ist abwechslungsreich, wenn auch teils vorhersehbar und mit kleineren Längen im Mittelteil versehen. Größtes Manko ist aus meiner Sicht das Ende – hier hätte die Autorin zwingend ein Kapitel – oder auch nur einen Absatz – früher enden müssen. Dieser krasse Cliffhanger, dessen Inhalt zwar erwartbar war, zerstört vieles, was die sonst gute Handlung aufgebaut hat und lässt mich als Leser ratlos und unbefriedigt zurück. Auch werden diverse Handlungsstränge nicht aufgelöst – ganz schön viel bleibt offen. Abgesehen davon thematisiert das Buch ein Potpourri moderner und gesellschaftlich relevanter Themen wie toxische Beziehungen, faire Erzeugerpreise, ökologische Landwirtschaft und psychische Erkrankungen.

Das Setting ist natürlich brillant. So entführt Isabell Schönhoff den Leser an den malerischen Chiemsee zwischen Biohof und High-Society-Villa, zwischen Dorfstammtisch und Partys der Schickeria. Dabei zeichnet die Autorin ein wundervolles Panorama der Landschaft mit ihren Beschreibungen – und zeigt die auch heute noch vorhandenen krassen Gegensätze zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten anschaulich.

Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, lasen aber auch noch Entwicklungspotential für die Folgebände. Hierbei überzeugen vor allem Antonia und Elsa, während bei Pauline und vor allem bei Therese noch Luft nach oben verbleibt. Ich hoffe, dass die Autorin diese in den Folgebänden konsequent weiterentwickelt, abrundet und ihnen noch mehr Tiefe verleiht. Isabell Schönhoffs Schreibstil ist zudem leicht und flüssig zu lesen und lässt das Kopfkino sofort anspringen.

Die Buchgestaltung kann ebenfalls größtenteils glänzen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Buchdeckel ist auf dem Cover hochwertig geprägt, mit Klappen und farbigen, allerdings eintönigen, Coverinnenseiten versehen – hier ist etwas Potential verschenkt worden. Auch das Covermotiv ist ansprechend und durchaus ein Eyecatcher, allerdings auch etwas austauschbar. Zudem wird es leider zum Buchrücken hin unterbrochen und sowohl dort als auch auf der Coverrückseite marginal abgewandelt wieder aufgegriffen – das hätte ebenfalls eleganter gelöst werden können.

Mein Fazit? „Das Erbe der Greiffenbergs – Gegen den Wind“ ist ein solider Start in die Familiensaga, der vor allem durch sein Setting, eine spannende Handlung und viel Innovation glänzt, zugleich aber auch kleinere Längen hat und in einem unnötig-massiven Cliffhanger endet. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 14 Jahren.

[Buchgedanken] Beate Sauer: „Wunder gibt es immer wieder“ (Die Fernsehschwestern 1)

Vor kurzem habe ich auch „Wunder gibt es immer wieder“ von Beate Sauer gelesen, den ersten Band der Trilogie „Die Fernsehschwestern“. Der Roman ist 2023 im Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH erschienen und als Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

1955: Die junge Eva wünscht sich nichts sehnlicher als Kostümbildnerin zu werden. Da bietet sich ihr wie durch ein Wunder die Chance, mit Gerdago zusammenzuarbeiten, der Frau, die die traumhaften Kleider für Romy Schneider als Sissi entwirft. Gerdago erkennt auf den ersten Blick, dass Eva Talent besitzt. Ihrem konservativen Vater passen diese hochtrabenden Ambitionen überhaupt nicht. Doch Eva ist nicht allein. Denn da ist noch Paul, der ambitionierte Journalist, der Eva den Kopf verdreht. Er glaubt an sie und unterstützt ihren Traum. Können sich die beiden aus der Enge ihrer Zeit befreien?

„Wunder gibt es immer wieder“ ist der Auftakt in eine (bislang) auf drei Bände angelegte Familiensaga um die Frauen der Familie Vordemfelde. Dabei deckt der erste Band – im Wesentlichen – die Jahre 1955 bis 1956 ab, eine ungewöhnlich kurze Zeitspanne für eine Familiensaga. Da es im nächsten Band jedoch mit den – jüngeren – Geschwistern der Protagonistin weitergeht, bleibt zu hoffen, dass man Evas Geschichte auch in den nächsten Bänden über die Jahre mitverfolgen kann.

Die Handlung ist kurzweilig und abwechslungsreich, wenn auch teils vorhersehbar und zwischenzeitlich auch mit kleineren Längen versehen, die aber nie dafür sorgen, dass das Lesevergnügen verloren geht. Beate Sauer mischt in dem Roman die historischen Themen, die Entstehungsgeschichte des Fernsehens in der BRD, mit feministischen Fragen und der gesellschaftspolitischen Lage, die durchaus kritisch betrachtet wird, zu einem interessanten Gesamtkonstrukt. Positiv ist hierbei auch anzumerken, dass das Buch zwar nicht alle Handlungsstränge auflöst, dennoch jedoch nicht in einem Cliffhanger endet und somit auch gut als Standalone gelesen werden kann, gleichsam aber genug Potential für die Folgebände offen lässt.

Das Setting kann ebenfalls überzeugen. So entführt der Roman den Leser nicht nur unter anderem nach München, Köln, Bonn und Wien, sondern auch in tolle Urlaubsregionen – und auch auf den Bundespresseball. Dabei gelingt es der Autorin – trotz kleinerer historischer Ungenauigkeiten, die sie selbst im Nachwort anspricht – die Welt des Fernsehens in den 50er Jahren, den Zauber der ersten Sendungen und Shows für den Leser erlebbar und greifbar zu machen. Insbesondere der Prolog holt hier den Leser direkt ab.

Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Neben Eva überzeugen hier vor allem Margit und Jutta – vor allem von Margit hätte ich mir noch mehr gewünscht, vielleicht spielt sie ja auch in den Folgebänden noch eine Rolle. Beate Sauers Schreibstil ist dabei leicht und flüssig zu lesen, zeugt von guter Recherche und lässt das Kopfkino sofort anspringen.

Die Buchgestaltung kann ebenfalls glänzen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben ordentlich gearbeitet, der Buchdeckel ist zwar leider nicht hochwertig geprägt, was der Haptik etwas abträglich ist, dafür aber mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen. Das Titelmotiv ist farblich toll gestaltet, allerdings austauschbar und mit wenig Bezug zur Handlung. Zudem wird es irritierenderweise zum Buchrücken hin unterbrochen bzw. dort etwas versetzt neu aufgegriffen.

Mein Fazit? „Wunder gibt es immer wieder“ ist ein toller Auftakt in die Reihe mit wunderbarem Setting, einer interessanten Handlung und viel Potential für die Folgebände. Für Leser des Genres daher bedenkenlos zu empfehlen.

[Buchgedanken] Hannah Conrad: „Wirbel um die Komtess“ (Das Lilienpalais 3)

Vor kurzem habe ich „Wirbel um die Komtess“ von Hannah Conrad, einem Pseudonym hinter dem sich die Autorinnen Frieda Bergmann, Persephone Haasis, Monika Pfundmeier und Laila El Omari verbergen, gelesen. Das Buch ist 2023 im Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH erschienen und als historische Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Augenscheinlich ist Isabella von Seybach bereit für die kommende Ballsaison. Bereit für atemberaubende Kleider, rauschende Feste und die Suche nach einem Ehemann. Insgeheim schmiedet sie aber ganz andere Pläne: Sie will ihre Leidenschaft für das Theater ausleben! Als Rudolf Heiland, Hofschauspieler und der wohl begehrenswerteste Mann Münchens, Isabella seine verruchte und aufregende Welt zeigt, kann sie nicht widerstehen. Ihr engster Vertrauter Leopold von Löwenstein plant inzwischen seine eigene Zukunft – ohne Isabella. Das weckt Gefühle in ihr, die sie lange vor sich selbst versteckt hat. Isabella muss sich entscheiden. Für was – und vor allem für wen – schlägt ihr Herz wirklich?

„Wirbel um die Komtess“ ist nach „Eine fast perfekte Debütantin“ und „Ein Graf auf Abwegen“ der dritte Band der lose zusammenhängenden Lilienpalais-Reihe des Autorenquartetts. Wie schon beim Vorgänger könnte man das Buch natürlich auch wieder als historischen Roman oder als Historical Romance einordnen – aufgrund der familiären Zusammenhänge zwischen den Bänden habe ich es jedoch bei der Eingruppierung als (historische) Familiensaga belassen, auch wenn diese üblicherweise mehrere Generationen abdeckt, hier jedoch einzelne Protagonisten innerhalb der gleichen Generation verwendet.

Die Handlung ist abwechslungsreich und spannend und wartet teils mit unerwarteten Wendungen auf. Hannah Conrad serviert in diesem Band ein Potpourri aus klassischen Familiendramen, historischem Feminismus und queeren Ansätzen – und fast sogar einem Liebesquartett (Love Triangles sind wohl veraltet). Dabei kann der Roman als Standalone gelesen werden, zur besseren Würdigung aller Querverweise würde ich aber auch die Lektüre der ersten Bände empfehlen, da das Buch dann einfach noch besser wirkt – ich selbst bin ja leider erst mit dem zweiten Band eingestiegen.

Das Setting brilliert natürlich auf ganzer Linie – und lebt von den Gegensätzen. Während im letzten Band das klassische Downton-Abbey-Setting mit den gegensätzliche Welten der Herrschaft und Dienerschaft präsentiert wurde, wird hier die High Society mit Debütantenbällen der schillernden, eskapistischen Theaterwelt gegenübergestellt – und es ist somit erneut eine wahnsinnig aufregende, opulente Reise ins München des 19. Jahrhundert; eine Reise, die ich gern erneut antreten würde.

Die einzelnen Protagonisten sind vielschichtig angelegt, haben eigene Ziele und Motive – sind teils aber zu perfekt geraten, mit zu wenig Schwächen, so dass man als Leser nicht nur bei Isabella, die mich in Band zwei bereits begeisterte, sondern auch vor allem bei Julie von Hegenberg als wichtige Nebenfigur ins Schwärmen gerät. Der Schreibstil lässt sich leicht und flüssig lesen und das Kopfkino sofort anspringen, die weniger strenge historische Authentizität stört hierbei nicht wirklich.

Die Buchgestaltung überzeugt erneut völlig. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist gelungen und wartet mit kleinen Verzierungen zu Kapitelbeginn auf. Der Buchdeckel ist auf dem Cover hochwertig geprägt und mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen. Das Covermotiv ist ansehnlich, wenn auch etwas nichtssagend und austauschbar – insgesamt sorgt die Gestaltung jedoch für einen gewissen Wiedererkennungswert und passt sich gutin das Gesamtbild der Reihe ein.

Mein Fazit? „Wirbel um die Komtess“ ist eine gelungene Fortsetzung der Reihe „Das Lilienpalais“, die vor allem mit einem tollen, teils eskapistischen Setting, einer abwechslungsreichen Handlung und einer tollen Protagonistin punkten kann. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

[Buchgedanken] Birgit Borchert: „Spuren einer fernen Zeit: Die Senckenberg-Saga“ (Senckenberg 1)

Vor kurzem habe ich „Spuren einer fernen Zeit: Die Senckenberg-Saga“ von Birgit Borchert (bibo Loebnau) gelesen. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen und als Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Frankfurt, 1907. Als die junge Sophie von Mayden den großen Lichthof des neuen Senckenberg-Museums betritt, ist sie wie gebannt vom Anblick eines riesigen Dinosauriers. Sie spürt: Eines Tages will sie diese faszinierenden Urzeitwesen selbst erforschen. Doch als Frau ist ihr der Weg zum Paläontologie-Studium versperrt. Außerdem erwarten ihre Eltern baldmöglichst eine standesgemäße Heirat. Sophie aber hat andere Pläne. Ihre Beharrlichkeit verhilft ihr zu einer Anstellung im Museum. Dort verliebt sie sich in den Doktoranden Paul Klüver, der aus einfachen Verhältnissen stammt und in Sophie nur eine verwöhnte Bürgertochter sieht. Eine spektakuläre Expedition führt beide nach Afrika, wo Sophie ihm und sich selbst beweisen will: Für ihren großen Traum ist sie bereit, alles aufs Spiel zu setzen …

„Spuren einer fernen Zeit“ ist hoffentlich der erste Band der „Senckenberg-Saga“, denn gefühlt hat die Geschichte der Familie „von Mayden“ gerade erst angefangen – es gäbe noch so viel mehr zu entdecken und zu erzählen, vor allem auch über Charlotte. Zwar ist mir noch kein angekündigter zweiter Band bekannt, ich habe aber mal die hoffnungsvoll klingende Einordnung des Romans als Familiensaga vom Verlag übernommen – das schreit ja nach weiteren Teilen, sonst hätte man das Buch nämlich auch als klassischen historischen Roman eingruppieren können. Das Buch entstammt übrigens der Feder von bibo Loebnau, die den Roman unter ihrem Geburtsnamen veröffentlicht hat.

Die Handlung ist durchaus spannend und abwechslungsreich, wenn auch mit kleineren Längen versehen. Zudem irritiert es, dass unzählige Zufälle nacheinander die Handlung vorantreiben, auch wenn natürlich nicht verkannt wird, dass in der beschriebenen Zeit durchaus der ein oder andere Zufall zur Hilfe kommen musste, um eine solche Karriere wie die von Sophie voranzutreiben – nur in der Menge ist dies hier etwas zu heftig. Dahingegen bestechen die fundierte Recherche und die Liebe zur Wissenschaft, die hier auf jeder Seite durchscheinen.

Das Setting brilliert auf ganzer Linie. So entführt Birgit Borchert den Leser nach Frankfurt und Marburg, vor allem aber auch ins heutige Tansania auf eine faszinierenden Forschungsexpedition. Dabei werden die Auswüchse der Kolonialpolitik, die damals noch krassen Standes- und Geschlechterunterschiede und das alltägliche Leben gut und anschaulich dargestellt – und vor allem der Ausflug in die Welt der Wissenschaften hat mich unglaublich fasziniert. Ein kleiner Wermutstropfen ist die historisch inkorrekte Vorverlagerung des Marburg-Aufenthalts von Aldous Huxley, hat das Treffen mit Ausnahme einer amüsanten Anekdote doch wenig handlungstreibenden Effekt.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Dabei kann vor allem Charlotte als Scene Stealer und absoluter Leserliebling glänzen, aber auch Rahel und Robert von Mayden vermögen zu überzeugen, während auch Sophie grundsätzlich brilliert, teils aber nicht nachvollziehbar handelt – genau wie Paul. Birgit Borchers Schreibstil hingegen lässt sich – trotz der authentischen Sprache – im Wesentlichen gut und flüssig lesen und zeugt von der bereits gelobten, bestechenden Recherche.

Die Buchgestaltung ist ebenfalls gelungen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben ordentlich gearbeitet, der Buchdeckel ist auf Cover, Buchrücken und Coverrückseite hochwertig geprägt und mit Klappen und wundervollen farbigen Coverinnenseiten versehen. Auch die Gestaltung des Umschlags überzeugt, auch wenn ich mir hier noch etwas mehr Bezug zur Handlung gewünscht hätte. Lediglich die der Geschichte angehängten Nachbemerkungen (Nachwort, Chronologie, Personenverzeichnis, Recherche- und Literaturhinweise) sprengen etwas den Rahmen.

Mein Fazit? „Spuren einer fernen Zeit – Die Senckenberg-Saga“ ist eine im Großen und Ganzen überzeugende Familiensaga mit brillantem Setting und einem hochspannenden Thema und nur kleineren Schwächen – gern mehr davon, insbesondere von Charlotte! Für Leser des Genres und wissenschaftlich interessierte Menschen daher bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 14 Jahren.

[Buchgedanken] Thorsten Pilz: „Weite Sicht“

Vor kurzem habe ich „Weite Sicht“ von Thorsten Pilz gelesen. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen und als Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Vier Frauen, vier Leben. Charlotte, die nach dem Tod ihres Mannes in Frage stellt, woran sie so lange glaubte. Gesine, die Hilfe braucht und nicht weiß, wie sie darum bitten soll. Sabine, die einsam ist und sich nicht damit abfindet. Und die Dänin Bente, der Freigeist, die Unruhestifterin, die fürchtet, nicht mehr genug Zeit zu haben für das, was sie noch vorhat. Nach vielen Jahren taucht Bente plötzlich wieder in Hamburg auf und wirbelt Charlottes Leben durcheinander. Mit ihrem Humor, ihrer Begeisterung für die Schriftstellerin Karen Blixen und ihrer Abenteuerlust. Vier Frauen, vier Leben. Und doch ist das, was ihnen die Sicht auf Neues verstellt, nur mit vereinten Kräften zur Seite zu schieben.

„Weite Sicht“ ist der Debütroman von Thorsten Pilz – und ich habe mich bereits mit der Genrezuordnung schwer getan. So liegt keine klassische Familiensaga vor, aber definitiv ein Roman über Familie – echte und selbst gewählte. Gleichsam sind aber auch Aspekte eines Entwicklungs- und Schicksalsroman vorhanden – und auch durchaus Argumente für die Klassifizierung als Gegenwartsliteratur. Aufgrund der jedoch wirklich starken Zentrierung um das Thema „Familie“ habe ich es schlussendlich bei der Eingruppierung als Familiensaga gelassen.

Die Handlung ist eher sekundär, passiert doch – etwas zugespitzt gesagt – fast gar nichts, wird die Geschichte doch vielmehr durch die Beziehungen untereinander und durch jeweils intrinsische Motive der Charaktere vorangetrieben als durch externe Handlungselemente. Dies ist in der Schlichtheit und Klarheit auch vollkommen okay – ich hätte mir lediglich gewünscht, dass die rar eingestreuten Handlungselemente etwas intensiver behandelt worden wären. Toll jedoch, dass die Handlung zeigt, dass auch im Alter von über 70 neue Liebe, neue Lebensabschnitte und drastische Veränderungen möglich sind.

Das Setting ist gelungen. So entführt der Autor den Leser nach Hamburg in die High Society zwischen Reederfamilie und Kulturstiftung, und in einen Vorort von Kopenhagen am Oresund – malerischer Sandstrand inklusive. Dabei zeigt Thorsten Pilz vor allem die stillen Seiten der Orte, die Alster am frühen Morgen, das Geburtshaus von Karen Blixen – oder auch den Berliner Teufelsberg. Eine bewusste Ruhe und Entschleunigung, die sicher auch dem Alter der Protagonistinnen geschuldet ist.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugt vor allem die dänische Wahlverwandtschaft mit Bente, Mogens und Troels, während Sabine nicht zwingend nachvollziehbar handelt. Der Schreibstil von Thorsten Pilz ist dabei leicht und flüssig lesbar, lässt das Kopfkino sofort anlaufen.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist ordentlich, auch wenn die Überschrift der Kapitel mit fortlaufender Handlungsdauer unnötig erscheint. Der Buchumschlag ist mit Klappen ausgestaltet, das Titelbild zieht sich gut über den kompletten Umschlag und sorgt für einen tollen Gesamteindruck, auch wenn der Bezug zur Handlung etwas fehlt.

Mein Fazit? „Weite Sicht“ ist ein im Großen und Ganzen, vor allem sprachlich, überzeugendes Debüt mit tollem Setting und interessanten Charakteren und nur kleineren Schwächen in der Handlung. Bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 16 Jahren – vielleicht auch ein, zwei Jahre früher.

Ein Anfang und ein Ende | Doppelte Buchpost

Auch diese beiden Bücher erreichten mich vor kurzem als Rezensionsexemplare über die Bloggerjury von Bastei Lübbe – vielen Dank dafür! „Das Erbe der Greiffenbergs – Gegen den Wind“ von Isabell Schönhoff stellt dabei den Auftaktband einer neuen Familiensaga, „Wagner“ von Gustaf Skördeman (jeweils Lübbe) den Abschluss der Thriller-Trilogie um Sara Nowak dar – kontrastreicher hätte man das Leseprogramm wohl nicht gestalten können. Ich bin jedenfalls hochgespannt!

Mögt Ihr Buchreihen oder lest Ihr lieber Einzelbände?

[Buchgedanken] Hannah Conrad: „Ein Graf auf Abwegen“ (Das Lilienpalais 2)

Vor kurzem habe ich auch „Ein Graf auf Abwegen“, den zweiten Band der Reihe „Das Lilienpalais“ von Hannah Conrad gelesen – einem Pseudonym, hinter der sich das Autorinnenquartett Frieda Bergmann, Persephone Haasis, Monika Pfundmeier und Laila El Omari verbirgt. Das Buch ist 2023 im Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH erschienen und als historische Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Maximilian von Seybach ist Arzt aus Leidenschaft. Sein größter Wunsch ist es, besonders den Ärmsten der Gesellschaft zu helfen. Das passt ganz und gar nicht zu den ehrgeizigen Plänen seiner Familie. Als er erfährt, dass seine Großmutter bereits eine Ehe mit der wohlhabenden Sophie de Neuville arrangiert hat, ist er außer sich vor Wut. Heimlich hat Maximilian schon lange ein Auge auf die schöne und kluge Louisa geworfen. Das Problem: Louisa ist Dienstmädchen im Hause von Seybach. Er will nicht riskieren, dass sie ihre Stellung verliert, aber gegen seine Gefühle ist er machtlos. Unaufhaltsam kommen sie sich immer näher. Doch für ihre Liebe gibt es keinen Platz in der Gesellschaft. Und Maximilians Heirat mit Sophie steht kurz bevor …

„Ein Graf auf Abwegen“ ist der zweite Band der historischen Familiensaga um die Familie von Seybach. Da sich jeder Band um ein anderes Paar dreht, ist der Band als Standalone lesbar, ich würde es aber nicht empfehlen. So fehlten mir als Einsteiger mit Band 2 doch etwas die Vorgeschichte und die Erlebnisse aus Band 1, die einige der Personen in diesem Buch ja nachhaltig geprägt haben. Apropos andere Pärchen: Da sich jedes Buch um ein anderes Liebespaar dreht, hätte man hier auch das Genre Historical Romance oder historischer Liebesroman annehmen können – aufgrund der familiären Bande untereinander habe ich es aber bei einer Familiensaga belassen, auch wenn diese sich üblicherweise über mehrere Generationen erstreckt und nicht wie hier – zumindest in den ersten drei Bänden – lediglich eine Generation abdeckt.

Die Handlung ist abwechslungsreich, kurzweilig und stellt sich mit dem Wechsel zwischen „Oben“ und „Unten“ als Mischung aus Downton Abbey und Aschenputtel dar. Dabei gelingt es der Autorin (oder müsste ich „den Autorinnen“) sagen, die Probleme und Geschichten gut miteinander zu verflechten, die Handlungsstränge gut zusammenzuführen – lediglich der Plot-Twist am Ende mutet hier dann doch etwas konstruiert und unglaubhaft an – ein nur minimaler Wermutstropfen in dem sonst absoluten Pageturner.

Das Setting ist – wie sollte es anders sein – brillant. München um 1830, eine Geschichte zwischen Prachtvillen, dem Königshof und den Armenvierteln. Hannah Conrad entführt den Leser in eine Zeit des Umbruchs, die trotzdem an alten gesellschaftlichen Konventionen, die wir alle so lieben, festhält. Hierbei werden die krassen Unterschiede zwischen den Ständen unter einem Dach deutlich – und die nicht sehr gleichberechtigte Gesetzeslage, wenn man nur mal an Annas Lage denkt.

Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei brilliert Sophie als absoluter Megastar des Buches, während mich auch Isabella, Johanna (deren Geschichte aus Band 1 mir leider fehlt), Leopold und Alexander überzeugten. Max hingegen bleibt etwas blass – hier hätte noch mehr kommen können – und Nanette schlichtweg nicht einschätzbar, ihre Geheimnisse möchte ich unbedingt aufgedeckt wissen. Der Schreibstil, in dem das Buch verfasst wurde, ist darüber hinaus leicht und flüssig lesbar und lässt das Kopfkino sofort anspringen.

Die Buchgestaltung ist ebenfalls größtenteils gelungen. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz überzeugt und wartet mit kleinen Verzierungen zu Kapitelbeginn auf. Der Buchdeckel ist auf dem Cover hochwertig geprägt und mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen. Lediglich das Titelbild und die harten Brüche zwischen Cover, Buchrücken und Coverrückseite (die allerdings toll gestaltet ist), vermögen hier nicht zu überzeugen. So hätte ich mir beim Cover etwas mehr Liebe zum Detail gewünscht – wenn schon die Kleidung (durchaus gut) dem Ball der guten Seelen nachempfunden worden ist, hätte hier etwas mehr Sorgfalt in das Kleid gelegt werden können, das zwar farblich passt, aber dann doch leicht anders beschrieben wird. Abgesehen davon wird die Geschichte von einer Dramatis Personae und einem historischen Abriss umrahmt und abgerundet.

Mein Fazit? „Ein Graf auf Abwegen“ ist ein toller Roman aus der Reihe „Das Lilienpalais“, der vor allem mit seinem Setting und einer wundervollen Handlung punkten kann. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.