In der letzten Zeit habe ich „heute graben“ von Mario Schlembach gelesen. Das Buch ist 2022 im Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG erschienen und dem Genre der Gegenwartsliteratur zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Alles beginnt mit A. Ein Totengräber steigt in einen Zug und trifft A., seine erste Liebe. A. ist auch der Grund, weshalb er zu schreiben beginnt. In seinem Tagebuch begibt er sich auf eine Irrfahrt entlang der Untiefen des Dating- und Friedhofsalltags. Als bei ihm dieselbe Lungenkrankheit wie bei Thomas Bernhard diagnostiziert wird – kurioserweise, nachdem er sich intensiv mit dessen Werk auseinandergesetzt hat –, befeuert die Todesangst noch die unermüdliche Suche nach der wahren Liebe. Wird er sie finden oder bleibt sie für immer unerreichbar?
„heute graben“ ist ein autofiktional erzählter Roman über einen Totengräber auf der Suche nach der großen Liebe. Wer sich mit Schlembachs Biografie beschäftigt, kommt unweigerlich zu der Frage, ob es sich bei dem Protagonisten um den Autor selbst handeln könnte – und landet bei: vielleicht. So ist Schlembach selbst Totengräber und sicherlich sind viele Erfahrungen in das Werk, das in Form von Tagebucheinträgen erzählt wird, eingeflossen.
Dabei zieht sich eine depressive Grundstimmung durch das gesamte Buch, sei es im verzweifelten und vergeblichen Versuch, sich bei dem Werk über die vergangene, große Liebe nicht in kitschgeschwängerten Plattitüden zu verliehen – oder im permanenten Scheitern bei der Beziehungssuche, vergleicht der Protagonist doch unweigerlich irgendwann alle Frauen (die er netterweise mit B. bis Z. abkürzt) mit seiner großen Liebe A., deren Schicksal nie ganz geklärt wird.
Die Handlung wird vor allem durch die Erkrankung des Protagonisten an Sarkoidose vorangetrieben, einer Lungenkrankheit, an der ironischerweise auch Thomas Bernhard litt, mit dessen Werk sich der Protagonist im Rahmen seines Studiums intensiv beschäftigt hat. Dabei wechseln sich lustig-ironische Passagen wie der Kauf von Boki mit Selbstmitleid und fast psychotischen Episoden ab – der Tod allgegenwärtig aufgrund der Arbeit als Totengräber.
So sprachlich ansprechend das Buch auch ist, so wort- und bildgewaltig die Einträge des Protagonisten, die sich mit alltäglichen Routinen wie dem Festhalten von Mahlzeiten abwechseln, lässt „heute graben“ einen doch etwas ratlos zurück. So wird zu keinem Punkt wirklich erkennbar, wo Schlembach mit dem Buch hinmöchte. Ohne Ziel, mit einem Ende im Nirgendwo, ist es nicht mehr aber auch nicht weniger als eine Momentaufnahme – eine kurze Passage aus dem Leben des Protagonisten.
Die Buchgestaltung ist solide, Lektorat und Korrektorat haben im Wesentlichen sauber gearbeitet, der Buchsatz ist ebenfalls gelungen, auch wenn ich kein Freund von Trennzeichen zwischen den Abschnitten bin, die am Seitenende stehen. Das Cover, der gesamte Umschlag, ist künstlerisch gestaltet, aber relativ eintönig und unauffällig, dafür überrascht das Buch unter dem Umschlag mit einer tollen Gestaltung.
Mein Fazit: „heute graben“ ist ein Roman, eine Momentaufnahme aus dem Leben eines Totengräbers, der vor allem durch seine starke Sprache besticht, den Leser aber auch etwas ratlos zurücklässt. Für Liebhaber von Gegenwartsliteratur dennoch bedenkenlos zu empfehlen.