[Buchgedanken] Christian Handel: „Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“

Vor kurzem habe ich „Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ von Christian Handel gelesen. Das Buch ist 2022 in der Piper Verlag GmbH erschienen und als phantastische Märchenadaption einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Drei Dinge muss Farah ihren Eltern versprechen: Iss nie etwas, das dir Feen anbieten. Verrate ihnen nicht deinen Namen. Und am wichtigsten: Lass dich unter keinen Umständen auf einen Handel mit dem Dunklen Volk ein. In diesem Sommer wird Farah jedes einzelne dieser Versprechen brechen.

„Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ ist eine phantastische Märchenadaption, eine Neuerzählung des bekannten Märchens „Rumpelstilzchen“. Dabei ist die Adaption durchaus düster gestaltet – und sicherlich nichts für kleine Kinder, sondern vielmehr für ältere Jugendliche. Gleichsam kann man das Buch auch der progressiven Phantastik zurechnen, spielen doch diverse und queere Charaktere eine zentrale Rolle in der Handlung.

Diese Handlung ist, obwohl aufgrund des Quellmaterials in Grundzügen bekannt, dennoch spannend und abwechslungsreich und durchaus in Teilen überraschend – allerdings wird sie auch gelegentlich durch die doch etwas zu aussagekräftigen Kapitelüberschriften gespoilert. Mögliche Abweichungen zum Quellmaterial halten sich im vertretbaren Rahmen.

Das Setting ist naturgemäß brillant. So entführt der Autor den Leser nach Firnland und in den Firnwald, in eine märchenhafte Welt voller Magie, Fabelwesen und bösen Schwiegermüttern. Dabei ist die Welt insgesamt düster aber atmosphärisch, geprägt von Standesdünkel, Steuererhöhungen und Furcht. Christian Handels Schreibstil ist hierbei leicht und flüssig zu lesen, lässt das Kopfkino sofort anspringen und die Welt so vor dem inneren Auge entstehen.

Die einzelnen Charaktere sind, im Wesentlichen, gelungen angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei glänzen vor allem wichtige Nebencharaktere wie Giulietta, Adil und – ein Fanliebling – der Waschbär, während Farah leider etwas blass bleibt, nicht nachvollziehbar und unlogisch handelt, und auch die Beziehung zu Magnus nicht in Gänze überzeugt.

Die Buchgestaltung ist solide. Dem Lektorat und Korrektorat sind zwar, gerade zu Beginn, doch einige Kleinigkeiten durchgerutscht, die den Lesefluss allerdings nicht erheblich hemmen. Der Buchsatz hingegen ist wunderschön, genau wie der auf Cover, Buchrücken und Coverrückseite leicht geprägte Buchumschlag, der ein tolles Gesamtbild ergibt, das sich auf dem farbigen Buchschnitt fortsetzt. Zudem ist das Buch mit leicht farbigen Coverinnenseiten und mit Illustrationen vor den einzelnen Buchabschnitten ausgestattet die jedoch dem Cover in Gänze entsprechen oder dies minimal variieren – hier hätte durchaus etwas mehr Variabilität für noch mehr visuelle Power gesorgt.

Mein Fazit? „Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ ist eine tolle Märchenadaption, die vor allem durch das atmosphärisch-düstere Setting und tolle Nebencharaktere brilliert, aber auch kleinere Schwächen bei der Protagonistin und spoilernde Kapitelüberschriften vorzuweisen hat. Für Liebhaber des Genres dennoch bedenkenlos zu empfehlen, ab einem Lesealter von etwa 15 Jahren.

[Buchgedanken] Nora Bendzko: „Kindsräuber“ (Ein Galgenmärchen)

In der letzten Zeit habe ich Nora Bendzkos „Kindsräuber“ gelesen. Die Märchenadaption ist Bestandteil ihrer dunkelfantastischen Gagenmärchen-Reihe und am ehesten dem Genre „Historical Fantasy“ zuzuordnen. Das Buch ist 2017 im Selfpublishing erschienen und landete bei der diesjährigen Seraph-Verleihung auf der Shortlist der „Besten Independent Romane“. Eine signierte Ausgabe davon könnt Ihr noch bis zum 11.05.2018 auf meiner Facebook-Seite gewinnen, ein Interview mit der Autorin *hier* nachlesen.

51ozlfbz6tl-_sx327_bo1204203200_Seit ihrer Kindheit besitzt Alene die Gabe, die Geister der Toten zu sehen. Nur mit Mühe schlagen sie und ihr Vater sich durch das von Hunger und Krieg gebeutelte Prag. Doch dann wird die Stadt vom Rumpelstilzchen heimgesucht, und ein Kind nach dem anderen verschwindet. Aus Angst, ihr eigenes ungeborenes Kind zu verlieren, greift Alene nach jeder Gelegenheit, dem Geist zu entfliehen. Doch ihr bleiben nur drei Tage. Drei Tage, eine Lösung auf das Rätsel zu finden, und ihren drohenden Tod zu verhindern.

Wie aus der Inhaltsangabe schon ersichtlich, greift „Kindsräuber“ das grimmsche Märchen „Rumpelstilzchen“ auf und adaptiert dieses auf innovative Weise vor dem historischen Hintergrund des 30-jährigen Krieges. Auch wenn ich (als Kurpfälzer) der Autorin die Rollen, die Friedrich von der Pfalz und Elizabeth Stuart in der Geschichte spielen, etwas übel nehme, so ist es ihr doch gelungen, eine überzeugende, beklemmende Grundstimmung zu schaffen, die sich noch am ehesten mit „Stolz und Vorurteil und Zombies“ vergleichen lässt.

„Kindsräuber“ ist spannend von der ersten, bis zur letzten Seite und überzeugt mit einem tollen Setting der historischen Stadt Prag. Der Spannungsbogen wird durchgängig gehalten und effektvoll mit Spannungsspitzen bis aufs äußerste gespannt. Es gelingt der Autorin zudem, allen Charakteren eigene Motive zu geben, die die Handlungen nachvollziehbar machen. Noras Schreibstil lässt sich größtenteils flüssig lesen, kleinere Holpler stammen eher aus der verwendeten historischen Sprache.

Der Buchsatz ist leicht gewöhnungsbedürftig, aber größtenteils fehlerfrei. Auch Lektorat und Korrektorat sind kleinere Fehler durchgerutscht, die aber nicht so gravierend sind, dass sie das Lesevergnügen schmälern. Das Cover fügt sich gut ins Gesamtkonzept der Reihe ein und schafft einen hohen Wiedererkennungswert, ist mir persönlich aber zu verwaschen und gewollt künstlerisch.

Mein Fazit? „Kindsräuber“ ist ein dunkelfantastischer Roman, der vor allem durch ein tolles Setting und ein innovatives Konzept punkten kann. Kleinere Schwächen in der Bucherstellung werden dabei durch die spannende Handlung mehr als ausgeglichen. Für Fans dunkler Phantastik oder von Thrillern, die auf der Suche nach etwas neuem, ungewöhnlichen sind, bedenkenlos zu empfehlen. Allerdings nicht für Leser unter 16 Jahren!