[Buchgedanken] Brad Meltzer: „Ich bin Marie Curie“

Heut habe ich „Ich bin Marie Curie“ von Brad Meltzer gelesen. Das von Christopher Eliopoulos illustrierte Buch wurde 2023 bei Egmont BÄNG! Comics, Egmont Verlagsgesellschaften mbH veröffentlicht, die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel „I am Marie Curie“ bei Rocky Pond Books. Das Buch ist als illustriertes Sachbuch einzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Annica Strehlow verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Wie verändert man die Welt? Marie Curie wusste schon als Kind, dass sie ihr Leben der Wissenschaft widmen wollte. Doch trotz ihres herausragenden Intellektes hatte sie hohe Hürden zu überwinden, denn im 19. Jahrhundert waren Frauen oft von einer höheren Bildung ausgeschlossen. Sie schaffte es, sich gegen alle Widerstände zu behaupten und wurde eine revolutionäre Physikerin und Chemikerin.

„Ich bin Marie Curie“ ist der neueste Teil der Reihe „Jede*r kann die Welt verändern“ (orig. „Ordinary People Change the World“); eine Buchreihe mit Biografien inspirierender Persönlichkeiten als Bilderbuch / illustriertes Sachbuch für sehr junge Leser (Altersangabe der dt. Version: 4-7 Jahre; Originalausgabe 5-9 Jahre). Ich würde hier eher die Alterseinschätzung der Originalausgabe teilen und das Buch somit eher ab 5-6 Jahren empfehlen – für ambitionierte Erstleser oder spannende Vorleseabende.

Die Handlung hangelt sich lose entlang der Stationen von Marie Curies Leben, lässt den Leser sie in die Schule, an die Universität und zur Nobelpreisverleihung begleiten. Dabei bleibt das Buch naturgemäß sehr oberflächlich, setzt seine Schwerpunkte vor allem auf die Schwierigkeiten, die Marie Curie als Frau in der damals männlich-dominierten Wissenschaftswelt hatte. Hierbei werden die einzelnen Themen größtenteils altersgerecht behandelt – einzig einen Verweis auf die damalige geopolitische Lage und den Konflikt zwischen Polen und Russen hätte man sich für die Zielgruppe eher sparen können.

Die Illustrationen sind wunderschön anzusehen und unterstützen die Handlung, gestalten diese sogar aus und sorgen für einen enormen Mehrwert. Dabei irritiert jedoch, dass Marie sich über all die Jahre ihres Lebens nicht verändert, die gleiche, kleine Figur bleibt und so in den Bildern als sehr anders auffällt. Ich glaube schon, dass auch junge Leser*Innen hier Marie bei einer auch körperlichen Entwicklung weiterhin erkannt hätten – so bleibt die Figur als Erwachsene stark überzeichnet, fast Funko-Pop-artig mit einem großen Kopf.

Die Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, auch wenn die Texte teils noch etwas innovativer hätten gesetzt werden können, um die Synergieeffekte mit den Bildern noch zu erhöhen. Das Cover passt gut zur Geschichte und macht auf das Buch aufmerksam, auch die Coverrückseite überzeugt. zudem ist das Buch mit farbigen Coverinnenseiten versehen.

Mein Fazit? „Ich bin Marie Curie“ ist ein altersgerechtes, illustriertes Sachbuch, das mit einem tollen Zusammenspiel zwischen Bild und Text punktet, allerdings auch leicht im Hinblick auf den Zeichenstil irritiert. Für interessierte Erstleser und als Vorlesebuch dennoch bedenkenlos zu empfehlen – ab dem (vom englischen Verlag) empfohlenen Alter von 5 Jahren.

[Buchgedanken] Kameron Hurley: „Soldaten im Licht“

Kurz unterbreche ich die Messeberichterstattung für eine weitere Rezension, da ich vor einigen Tagen „Soldaten im Licht“ von Kameron Hurley beendet habe. Das Buch ist 2022 in der Panini Verlags GmbH erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 unter dem Titel „The Light Brigade“ bei SAGA PRESS, einem Imprint von Simon & Schuster inc. veröffentlicht. Der Roman ist dem Genre Science-Fiction zuzurechnen, für die Übersetzung zeichnet Helga Parmiter verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Die Lichtbrigade – so nennen Veteranen des Marskriegs diejenigen Kameraden, die zurückkommen … und nicht mehr sie selbst sind. Diese Konzern-Kämpfer wurden in Licht umgewandelt, um schnell zu interplanetaren Schlachtfeldern versetzt werden zu können. Doch bei dieser Transformation geschieht etwas mit ihnen. Diejenigen, die die Prozedur überleben, halten sich exakt an die Missionsvorgaben – koste es was es wolle. Dietz, ein frischgebackener Infanterist, muss feststellen, dass seine Erinnerungen an die Einsätze nicht mit denen seines Zuges übereinstimmen. Sie erzählen eine ganz andere Geschichte des Krieges, die ganz und gar nicht dem entspricht, was die Konzernleitung ihren Soldaten weismachen will. Licht oder Schatten? In den Wirren des Krieges ist der Unterschied manchmal nur noch marginal.

„Soldaten im Licht“ ist der neue Roman der Gewinnerin zweier Hugo Awards, die sie für einen Essay und als bester Fan-Autor erhalten hat. Das Buch lässt sich dem Genre Science-Fiction oder auch dem Untergenre Military Sci-Fi zuordnen, gleichsam finden sich dystopische Ansätze. Aufgrund der sehr futuristischen Technik und dem Aspekt der Zeitreisen würde ich es jedoch bei der allgemeinen Kategorisierung als klassische Science-Fiction belassen, auch wenn der Krieg natürlich eine zentrale Rolle spielt.

Die Handlung ist, nun ja, durchaus spannend, aber vor allem eines, nämlich verworren. Als Leser verzweifelt man schier – wie der Protagonist – und versucht, sich zurechtzufinden. Dabei ist die Atmosphäre wirklich toll, die Erlebnisse eindringlich, die einzelnen Szenen durchweg stark. Und doch, es bleibt eine gewisse Frustration, auch über das viel zu offene Ende, das kaum Fragen beantwortet und sicherlich zumindest einige der Leser unbefriedigt zurücklässt.

Das Setting hingegen vermag zu überzeugen. Kameron Hurley entführt den Leser in eine sehr dystopische Welt, in der Konzerne die Regierungen abgelöst haben; in eine Zukunft, in der Menschen wieder in Klassen eingeteilt sind, die das Leben vorbestimmen und Wechsel fast unmöglich machen. Dabei wird gerade der Krieg in all seiner Grausamkeit und Idiotie gut dargestellt, was „Soldaten im Licht“ auch zum Antikriegsbuch macht. Der Schreibstil der Autorin ist hierbei eindringlich und schonungslos, aber dennoch gut und flüssig lesbar und lässt das Kopfkino anspringen.

Durch die enorme Masse an Figuren, durch die ständigen Wechsel und ja, auch Tode, ist es nahezu unmöglich, alle vielschichtig und detailliert auszuarbeiten. Hierbei überzeugen vor allem Andria, Jones und Munoz als wichtige Nebencharaktere, während Norberg als Antagonistin ebenfalls solide ist. Dietz als Ich-Erzähler bleibt hingegen, trotz der Perspektive, geheimnisvoll und verschlossen, verwehrt dem Leser etwas den Zugang zum Charakter, auch wenn man die Verzweiflung und Verwirrtheit der Figur gut spüren kann.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Buchdeckel ist auf dem Cover und Buchrücken hochwertig geprägt, mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen. Das Covermotiv, das sich auch auf dem Buchrücken und den Coverinnenseiten wiederfindet – etwas mehr Abwechslung hätte hier auch nicht geschadet -, ist dennoch gut anzusehen, sehr eindrucksvoll und ein wahrer Eyecatcher, auch wenn dessen Wirkung auf dem Cover durch die doch etwas penetrant-große und das Cover sogar überschreitende Schrift gemindert wird.

Mein Fazit? „Soldaten im Licht“ ist ein solider Science-Fiction Roman, der vor allem durch seine Message und sein Setting punkten kann, dessen Handlung aber auch sehr verworren daherkommt. Für Liebhaber des Genres dennoch zu empfehlen – allerdings nicht unter 16 Jahren.

[Buchgedanken] Irene Vallejo: „Papyrus: Die Geschichte der Welt in Büchern“

Vor kurzem habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de „Papyrus: Die Geschichte der Welt in Büchern“ von Irene Vallejo gelesen. Das Buch ist 2022 im Diogenes Verlag erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 bei Siruela, Madrid, unter dem Titel „El infinito en un junco. La invención de los libros en el mundo antiguo“ veröffentlicht. Das Buch ist dabei als Sachbuch einzuordnen, für die Übersetzung zeichnen Maria Meinel und Luis Ruby verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

Das Buch ist eine der schönsten Erfindungen der Menschheit. Bücher lassen Worte durch Zeit und Raum reisen und sorgen dafür, dass Ideen und Geschichten Generationen überdauern. Irene Vallejo nimmt den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise durch die faszinierende Geschichte des Buches, von den Anfängen der Bibliothek von Alexandria bis zum Untergang des Römischen Reiches. Dabei treffen wir auf rebellische Nonnen, gewiefte Buchhändler, unermüdliche Geschichtenerzählerinnen und andere Menschen, die sich der Welt der Bücher verschrieben haben.

„Papyrus: Die Geschichte der Welt in Büchern“ ist ein Sachbuch über die Anfänge der Literatur. Dabei ist der Untertitel im Deutschen doch etwas missverständlich, erwartet man doch einen Abriss der Weltgeschichte, während der spanische Originaltitel (in sehr freier Übersetzung) „Die Erfindung der Bücher in der antiken Welt“ hier viel akkurater ist.

Allerdings weicht Irene Vallejo auch von diesem Konzept regelmäßig ab, streut sie doch aktuelle Themen, persönliche Anekdoten und Erinnerungen in einer solchen Bandbreite ein, dass die Darstellung oftmals einen roten Faden vermissen lässt. Diverse Wiederholungen sorgen dabei ebenfalls nicht für die notwendige Straffung und hindern damit etwas den Informationsfluss.

Dabei ist Irene Vallejos episches Werk durchaus informativ, gerade die Anfänge der Bibliotheken, die anfänglich gänzliche Absenz eigener römischer Literatur oder auch die Kritik am geschriebenen Wort von Sokrates – der Autorin gelingt es, neue Fakten interessant aufzuarbeiten und zu vermitteln. Dabei lässt sich Vallejos Schreibstil grundsätzlich gut und flüssig lesen, durch die vielen Sprünge bleibt es aber anstrengend, konzentriert am Ball zu bleiben – und daher lässt sich das Buch nur in kleineren Abschnitten lesen.

Die Buchgestaltung überzeugt im Wesentlichen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, der Schutzumschlag ist mit dem Covermotiv schön anzusehen und leicht geprägt, allerdings zum Buchrücken von dem Titel und der Coverrückseite mit harten Brüchen vesehen. Das Buch unter dem Umschlag ist naturgemäß schlicht – und insgesamt fehlt der Gestaltung, gerade, aber nicht nur, im Buchsatz, etwas Mut und Innovation.

Mein Fazit? „Papyrus: Die Geschichte der Welt in Büchern“ ist ein informatives und interessantes Sachbuch, dem leider etwas die Stringenz und der rote Faden fehlt. Für geschichtsinteressierte Buchliebhaber dennoch zu empfehlen – wenn man einen langen Atem hat.

[Buchgedanken] Xia Da: „Bu Tian Ge – Die Ballade von den Himmelsstürmern – Band 1“ (Bu Tian Ge 1)

Vor kurzem habe ich den ersten Band von „Bu Tian Ge – Die Ballade von den Himmelsstürmern“ gelesen. Xia Da zeichnet dabei sowohl für Text als auch für die Illustrationen verantwortlich, die Übersetzung ist von Marc Hermann. Das Buch ist 2022 bei Chinabooks erschienen und als Manhua / chinesischer Manga einzuordnen, die Originalausgabe wurde 2019 in der Beijing Xiron Culture Group Co, Ltd. veröffentlicht. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Die kaiserliche Konkubine höchsten Ranges Jing gebärt unter den Strahlen der Abendsonne Zwillinge: einen Jungen und ein Mädchen. Der kleine Prinz wird mit einem zinnoberroten Muttermal auf der Stirn geboren, die kleine Prinzessin kommt mit sechs Fingern zur Welt. Glückverheissende Vorzeichen gehen mit unglückverheissenden Omen einher. Die beiden Geschwister, die im selben Mutterleib herangereift sind, treten in der Folge vollkommen unterschiedlichen Schicksalen entgegen, und sie werden dadurch von ihren nächsten Verwandten getrennt. Ein grosses Verhängnis naht drohend heran. Wird es zu einer Wiederbegegnung zwischen den beiden Geschwistern kommen, die von Geburt an voneinander getrennt waren? Und wie werden die beiden mit ihrem Schicksal ringen?

„Bu Tian Ge – Die Ballade von den Himmelsstürmern – Band 1“ ist – nach einigen Graphic Novels und früheren Mangas – mein erster Manhua, der in parallelen Handlungssträngen die Geschichte der Zwillinge Quchen und Ating erzählt. Dabei ist das Buch nicht als Standalone lesbar, da leider kaum Handlungsstränge aufgelöst werden, das Buch in einem sehr offenen Ende kulminiert.

Die Handlung generell ist spannend, aber teils auch vorhersehbar. So werden vor Kapitelbeginn einige der relevanten Geschehnisse bereits in einem Fließtext zusammengefasst, was durchaus spoilert und dessen Sinn sich mir nicht erschließt. Auch besitzt die Handlung durch das Auseinanderfallen in zwei parallel laufende Handlungsstränge einige Längen und geht, gerade in den Kapiteln 2 bis 4, relativ zäh voran.

Im Gegensatz zur Handlung brillieren die Illustrationen auf ganzer Linie. So sind Xia Das Zeichnungen unglaublich hochwertig und edel, atmosphärisch und detailreich, insgesamt wunderschön anzusehen und stellen den Text in den Schatten, tragen die Handlung deutlich besser.

Auch das Setting überzeugt im Wesentlichen. So verschlägt es den Leser in die Zeit einer fiktiven chinesischen Dynastie. Er besucht neben dem Hof mythische Orte, Dörfer und Zwischenwelten und lernt viel über chinesische Tradition, Kultur und Legenden.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz sind gelungen, allerdings sind die der Geschichte angehängten Informationen im Vergleich zur doch sehr kurzen Handlung etwas zu umfangreich. Der Buchumschlag und das darunter liegende Buch sind hochwertig gestaltet und dank des Covermotivs ein wahrer Eyecatcher – farbige Coverinnenseiten hätten hier das sehr edle Produkt noch abrunden können.

Mein Fazit? „Bu Tian Ge – Die Ballade von den Himmelsstürmern – Band 1“ ist ein gelungener Auftakt in die Manhua-Reihe, der vor allem dank brillanter Zeichnungen glänzt, aber auch Schwächen in der Handlung hat und kaum Handlungsstränge auflöst. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 13 Jahren.

[Buchgedanken] Irene Solà: „Singe ich, tanzen die Berge“

Vor einiger Zeit habe ich „Singe ich, tanzen die Berge“ von Irene Solà gelesen. Das Buch ist 2022 im Trabanten Verlag erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 unter dem Titel „Canto jo i la muntanya balla“ bei Editorial Anagrama, Barcelona, veröffentlicht. Der Roman ist der Gegenwartsliteratur zuzurechnen, für die Übersetzung aus dem Katalanischen zeichnet Petra Zickmann verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die vermittelnde Agentur Buchcontact.

Gewitterwolken schürfen über den Rücken der Pyrenäen und ein Blitz erschlägt den dichtenden Bauern Domènec, dessen junge Frau Sió mit ihrem Schwiegervater und ihren Kindern allein zurückbleibt. Doch das Leben geht weiter. Teilnahmslos beobachten die Berge das Werden und Vergehen derer, die dort leben.

„Singe ich, tanzen die Berge“ adäquat zu beschreiben ist in etwa so erfolgsversprechend, wie ein Gewitter mit bloßen Händen aufzuhalten. Das mit dem Europäischen Literaturpreis 2020 ausgezeichnete Werk ist so ungewöhnlich wie sprachlich bestechend, Irene Solàs Stimme in der Übersetzung von Petra Zickmann sehr melodisch und malerisch.

Dabei erzählt der Roman die Geschichte einer Region aus der Sicht verschiedener Protagonisten unterschiedlicher Generationen, aber auch aus der Perspektive von Tieren, Geistern, Wolken – oder auch der Erde selbst. Er vermischt Erzählung und Mythen, Tradition und Moderne.

Die Handlung folgt dabei zumindest lose den Schicksalen der Mitglieder einer Familie, richtige Spannung oder emotionale Bindungen zu den Figuren kommen jedoch nie wirklich auf, ist der Roman doch mehr Porträt einer Region als wirklich auf ein Ende zulaufende Geschichte. Dies sorgt auch dafür, dass das Buch – trotz der durchaus vorhandenen flüssigen Lesbarkeit – sich nie zu einem wahren Pageturner entwickelt, den Leser nie in einen Sog zieht, sodass er das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Das Setting ist – erwartbar, da der Roman komplett darauf angelegt ist – brillant und trägt im Endeffekt das Buch. Der Leser wird tief in eine Welt voller Mythen, in eine abgelegene Bergregion im Herzen Europas geführt, die zumindest in der Populärliteratur kaum Erwähnung findet.

Die Buchgestaltung ist im Wesentlichen gelungen, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Hardcover ist zudem leicht auf dem Titel geprägt. Dem Titelmotiv fehlt jedoch etwas der Bezug zur Handlung, auch ist das Buch insgesamt eher schlicht und unauffällig gestaltet.

Mein Fazit: „Singe ich, tanzen die Berge“ ist ein ungewöhnliches, in Romanform gegossenes Porträt einer Region, das durch sein Setting besticht, aber auch Handlungselemente vermissen lässt. Für Liebhaber von sprachlichen Bildern und anspruchsvoller Literatur dennoch bedenkenlos zu empfehlen.

[Buchgedanken] Mariana Enriquez: „Unser Teil der Nacht“

Vor kurzem habe ich „Unser Teil der Nacht“ von Mariana Enriquez gelesen. Das Buch ist 2022 im Tropen Verlag, J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 unter dem Titel „Nuestra parte de noche“ im Verlag Editorial Anagrama, Barcelona, veröffentlicht. Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de. Für die Übersetzung zeichnen Silke Kleemann und Inka Marter verantwortlich.

Ein Vater und sein Sohn fahren quer durch Argentinien, als wären sie auf der Flucht. Wohin wollen sie? Vor wem fliehen sie? Es sind die Jahre der Militärjunta: Menschen verschwinden spurlos, überall lauert Gefahr. Sein Vater versucht den jungen Gaspar vor dem Schicksal zu schützen, das ihm zugedacht ist, seit seine Mutter unter ungeklärten Umständen gestorben ist. Bei einem Unfall, der vielleicht keiner war.  Wie sein Vater Juan soll Gaspar einem Geheimbund, genannt der Orden, als Medium dienen. Mit grausamen Ritualen versuchen sie, dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur zu kommen. Doch der Preis ist hoch und der körperliche und geistige Verfall schnell und unerbittlich, wie Juan weiß. Eine scheinbar aussichtslose Flucht beginnt, denn der Einfluss des Ordens kennt keine Grenzen.

Bei „Unser Teil der Nacht“ fällt bereits die Genrezuordnung schwer. So balanciert das Buch auf der Grenze zwischen okkultem Thriller und Historical Mystery, im Spannungsfeld von Gegenwartsliteratur und mythologischer Abhandlung. Trotz der düsteren Themen liest sich der Roman dennoch relativ gut und schnell – auch dank des hochathmosphärischen Schreibstils der Autorin.

Dabei brilliert der Roman eindeutig durch sein Setting. Mariana Enriquez nimmt den Leser mit auf eine Reise in das von Militärdiktatur, aufstrebenden Protesten und Großgrundbesitzern geprägte Argentinien der Jahre von 1960 bis 1997. Dabei lernt der Leser tief im Land verwurzelte Natur- und Totenkulte, okkulte Praktiken und Rituale kennen, die einen erschauern lassen.

Die Handlung ist düster und geheimnisvoll und wird in zeitlichen Sinnabschnitten – die aber nicht chronologisch angeordnet sind – erzählt. Dabei wechseln die Erzählperspektiven bunt durch, einige der Abschnitte haben auch Längen. Hierbei überzeugen vor allem der erste Abschnitt aus Sicht von Juan und der spätere von Rosario, während die Abschnitte von Gaspar – und damit leider auch das Ende – eher blass und teils unlogisch bleiben. Dies schlägt auch auf die Gestaltung der Protagonisten durch. Neben Juan und Rosario glänzen auch noch Tali und Florence.

Die Buchgestaltung ist solide, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Titelmotiv ist intensiv und bestechend. Leider zieht es sich nicht über den gesamten Umschlag, der Bruch zum Buchrücken ist heftig, Buchrücken, Coverrückseite und das Buch unter dem Umschlag sind insgesamst sehr schlicht.

Mein Fazit? „Unser Teil der Nacht“ ist ein unglaublich athmosphärischer, düsterer mythologischer Roman mit einem tollen Setting, spannenden Charakteren aber auch einigen Schwächen und Längen in der Handlung. Dennoch bedenkenlos zu empfehlen – allerdings nicht unter einem Lesealter von 18.

[Buchgedanken] John Grisham: „Forderung“

In der letzten Zeit habe ich den Justizthriller „Forderung“ von John Grisham gelesen. Das Buch ist in der mir vorliegenden Taschenbuchausgabe 2019 im Wilhelm Heyne Verlag, Verlagsgruppe Random House GmbH, veröffentlicht worden, die deutschsprachige Erstausgabe erschien 2018, ebenfalls bei Heyne, die Originalausgabe 2017 unter dem Titel „The Rooster Bar“ bei Doubleday, New York. Für die Übersetzung zeigen sich Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter und Imke Walsh-Araya verantwortlich.

Sie wollten die Welt verändern, als sie ihr Jurastudium aufnahmen. Doch jetzt stehen Zola, Todd und Mark kurz vor dem Examen und müssen sich eingestehen, dass sie einem Betrug aufgesessen sind. Die private Hochschule, an der sie studieren, bietet eine derart mittelmäßige Ausbildung, dass die drei das Examen nicht schaffen werden. Doch ohne Abschluss wird es schwierig sein, einen gut bezahlten Job zu finden. Und ohne Job werden sie die Schulden, die sich für die Zahlung der horrenden Studiengebühren angehäuft haben, nicht begleichen können. Aber vielleicht gibt es einen Ausweg. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, nicht nur dem Schuldenberg zu entkommen, sondern auch die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ein geniales Katz- und Mausspiel nimmt seinen Lauf.

„Forderung“ ist mein erstes Grisham-Buch nach einigen Jahren Pause – und trägt die Faszination, die ich schon immer mit dem Autor und seinen Geschichten verbunden habe, nur bedingt, ist fast mehr Thriller als Justizthriller und heroisiert und belohnt – ich glaube, das kann man ohne zu spoilern voraussagen – die falschen. Schließlich gibt es in „Forderung“ niemanden, mit dem man als Leser wirklich sympathisieren kann, außer vielleicht Zola, die mehr in die Kriminalität gedrängt wird, dort nie ihren Platz findet.

Todd und Mark hingegen lassen sich nicht nur von hehren Motiven leiten, verbinden Rache und Eigennutz, verlieren jedweden Halt oder moralischen Kompass, was zwar der Spannung keinen Abbruch tut, gleichsam aber dafür sorgt, dass das Ende nicht überzeugt, fast irrelevant wird, fiebert man doch keinem bestimmten Ausgang entgegen. Abgesehen davon ist John Grishams Schreibstil wie immer hochspannend und lässt sich – trotz der juristischen Sachverhalte – schnell und flüssig lesen.

Dabei überzeugt neben der dramatischen Handlung auch das gelungene Setting, die Verstrickung in einen internationalen Finanzskandal vor dem Hintergrund von Scheinfirmen und Verflechtungen – so gelingt es John Grisham auch, gesellschaftlich relevante Themen geschickt in die Handlung einzuflechten – lediglich die Reaktion der Protagonisten darauf vermag nicht zu überzeugen und sollte nicht als Vorbild dienen.

Die Buchgestaltung ist ebenfalls gelungen, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Cover ist auf dem Titel hochwertig geprägt und mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen. Auch das Titelbild passt zur Geschichte, farblich abgestimmte Buchrücken und Coverrückseite runden den tollen Gesamteindruck ab, der lediglich durch die kurze Vorstellung jedes! Grisham-Buches nach der Handlung geschmälert wird – länger als das letzte Kapitel…

Mein Fazit? „Forderung“ von John Grisham ist ein hochspannender und gesellschaftlich relevanter (Justiz-)Thriller, der vor allem durch seine abwechslungsreiche Handlung glänzt, aber auch Identifikationsfiguren und ein passendes Ende vermissen lässt. Für Leser des Genres und Fans des Autors bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.

[Buchgedanken] L. A. Gunn: „London’s Lost – Band 1“ (London 1)

In der letzten Zeit habe ich den ersten Band von „London’s Lost“ gelesen, einer Detektivromanreihe in der Tradition von Sherlock Holmes. Das Buch von L. A. Gunn erschien in der jetzigen Ausgabe 2021 im Selfpublishing bei Tredition, die Erstveröffentlichung erfolgte 2019 unter gleichem Titel ebenfalls im Selfpublishing über Books on Demand. Die Geschichte ist dabei als historischer Kriminalroman für Jugendliche einzuordnen. Vielen Dank auch an dieser Stelle an die Autorin für die Bereitstellung eines unkorrigierten Vorabexemplars, in dem händisch einige der Tippfehler ausgebessert worden sind – was für ein Einsatz!

Ein ungleiches Ermittlerduo nimmt unter der Obhut von Sherlock Holmes die Arbeit auf: June, ein taffes Waisenkind aus der Baker Street und Lihla, ein vorlautes Mädchen aus der Oberschicht, treten in die Fußstapfen des Meisterdetektivs und stoßen dabei auf eine Polizeiakte, die es nicht geben sollte; schon gar nicht in der Tasche von Lihlas Vater – die Akte von Jack the Ripper.

Auch wenn „London’s Lost“ nicht als Jugendbuch, sondern als Kriminalroman angepriesen wird, richtet er sich meines Erachtens doch primär an junge Leser. So sind die Protagonistinnen im Großteil des Romans etwa 15 Jahre alt und neben den Kriminalfällen scheinen gerade jugendliche Probleme und Konflikte durch wie die Suche nach der eigenen Identität, das Loslösen vom Elternhaus und die Rebellion gegen familiäre Strukturen.

Dabei wird die Geschichte episodenhaft erzählt, eingebettet in eine große Rahmenhandlung, die mir allerdings etwas zu kurz kommt. Denn es ist gerade diese Rahmenhandlung, die den Reiz des Buches ausmacht, die ein unglaubliches Potential trägt und von einem Hauch des Geheimnisvollen umschwebt wird. Dahingegen sind die kleinen, eingestreuten Kriminalfälle zwar unterhaltsam und nett, ihnen fehlt aber die Tiefe, die Spannung eines wirklichen Krimis.

Das Setting hingegen vermag auf ganzer Linie zu überzeugen. L. A. Gunn fängt das viktorianische London zur Jahrhundertwende gut ein, beschreibt es für den Leser anschaulich, sodass er sich gut in die Zeit versetzen kann. Dabei gelingt es der Autorin ebenfalls, das Kopfkino des Leser anzuwerfen – auch wenn der dauerhafte Wechsel in der Erzählperspektive nach dem Prolog doch sehr irritiert.

Die einzelnen Charaktere bleiben – auch aufgrund der, episodentypischen, Fluktuation – relativ farblos, wovon sich auch die dauerhaft auftretenden Nebencharaktere nicht wirklich absetzen können, vielleicht mit Ausnahme von Gwen. June und Lihla werden als Hauptprotagonisten jedoch ordentlich entwickelt, zeigen Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive und erlauben es dem Leser so, sich in sie hineinzuversetzen, mit ihnen mitzufiebern.

Die Buchgestaltung zeigt sich insgesamt durchwachsen. Zum Korrektorat kann ich dabei nichts sagen, da das mir vorliegende Exemplar noch unkorrigiert war. Dabei sind einige Fehler händisch korrigiert worden, einige auch nicht – ich gehe aber davon aus, dass auch diese in der Endversion bereinigt sind. Während der Buchsatz sehr gelungen ist, zeigt das Lektorat jedoch einige Schwächen. Das Cover allerdings ist wunderschön anzusehen und vermittelt eine tolle Grundstimmung. Zudem zieht sich das Titelbild gut über den gesamten Buchrücken – ich hätte mir aber einen noch stärkeren Bezug zur Geschichte gewünscht. Auch auf die sehr allgemein gehaltene Triggerwarnung hätte man aus meiner Sicht verzichten können, Blut, Gewalt und Tod sind in Kriminalromanen sehr übliche Tropes, die nahezu in jedem Buch des Genres vorkommen.

Mein Fazit: „London’s Lost – Band 1“ ist ein im wesentlichen gelungener Kriminalroman für junge Leser, der vor allem durch sein tolles Setting punkten kann, aber in der Handlung und Gewichtung leichtere Schwächen hat, die hoffentlich im nächsten Band ausgebügelt werden. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter, je nach Entwicklung, von 12-14.

[Buchgedanken] Claudia Casanova: „Albas Sommer“

In der letzten Zeit habe ich „Albas Sommer“ von Claudia Casanova gelesen. Das Buch ist 2020 beim Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG erschienen, die Originalausgabe wurde 2019 unter dem Titel „Historia de una flor“ bei Penguin Random House Grupo Editorial veröffentlicht . Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Spanien 1875. Alba liebt die langen Sommer im Valle de Valcabriel am Fuße der Pyrenäen. Hier kann sie ausgiebig durch die Natur streifen und sich ganz ihrer Leidenschaft widmen: dem Studium von Pflanzen. Als sie den bekannten deutschen Botaniker Heinrich Willkomm kennenlernt, der eine von Alba entdeckte Pflanze nach ihr benennt und auf der Pariser Weltausstellung präsentieren will, kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch dann muss sie eine harte Entscheidung treffen, die ihr Leben verändern wird.

„Albas Sommer“ ist historischer Roman, Familiensaga und Entwicklungsroman in einem – und ja, irgendwie trotz des historischen Settings auch Gegenwartsliteratur, sind doch die angesprochenen Themen auch in der heutigen Zeit duchaus noch aktuell. So ist das Buch – neben allem anderen – auch eine Hommage an die mutigen Frauen der Geschichte, an Entdeckerinnen, Forscherinnen und Wissenschaftlerinnen, deren vielfältigste Leistungen oft nicht den ihnen eigentich zustehenden Ruhm erhielten.

Der Roman erzählt auf eine leichte, leise und einfühlsame Weise das Leben von Alba in kurzen Episoden. Dabei erschafft die Autorin filigrane, zerbrechliche Bilder, die trotzdem kraftvoll strahlen und den Balanceakt Albas zwischen gesellschaftlichen Konventionen und eigenem Entdeckerdrang perfekt porträtieren.

Eingebettet in ein wundervolles Setting klingt in jedem Kapitel die Liebe zur Natur durch, die Alba – und auch Heinrich – antreibt. Eine gemeinsame Leidenschaft aus der eine zarte, aber nie übertriebene oder zu präsente Liebesgeschichte erwächst, deren Ende aber leider durch das erste Kapitel schon vorweggenommen worden ist – wie auch ein weiteres, elementares Ereignis, was die Spannung etwas mindert, der Unterhaltung schlussendlich jedoch keinen Abbruch tut.

Die Buchgestaltung bezaubert hingegen auf ganzer Linie. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist wunderschön und hält sich als eines der wenigen Bücher noch an alte Traditionen, jedes Kapitel auf einer ungeraden Seite zu beginnen. Auch das Cover vermag in der einfachen Natürlichkeit mit den wundervollen Abbildungen zu überzeugen.

Mein Fazit? „Albas Sommer“ ist ein leichtes, fragiles Buch über die Natur und die Liebe, eine Hommage an all die vergessenen Frauen der Wissenschaft – und kann vor allem dank eines tollen Settings und wunderschön erzeugten Bildern punkten. Bedenkenlos zu empfehlen.

[Buchgedanken] Nika S. Daveron: „Fine Line – Create Your Character“ (Fine Line 1)

In der letzten Zeit habe ich „Fine Line – Create Your Character“ von Nika S. Daveron gelesen. Vielen Dank an dieser Stelle an die Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Das Buch ist in der mir vorliegenden Ausgabe 2019 im Selfpublishing erschienen, die Erstausgabe wurde 2015 veröffentlicht. „Fine Line – Create Your Character“ ist als Fantasy-Roman einzuordnen, kann aber auch mit Thriller-Elementen aufwarten.

41tLeXKYJxLElayne ist ganz besessen von dem Spiel Fine Line, einem eigentlich typischen Onlinespiel. Doch bald stellt sie fest, dass an Fine Line eigentlich gar nichts normal ist, nachdem sie der Gilde Xanadu beitritt. Denn die Gilde hat durch eine spezielle Technologie die Möglichkeit, in den Körper ihrer Avatare einzutauchen. Anfangs gefällt Elayne dieses phänomenale Spielgefühl, doch schon bald entbrennt ein Kampf um Leben und Tod, als jemand versucht, diese Technologie zu stehlen.

„Fine Line – Create Your Character“ ist der Auftakt zu einer Buchreihe um das Computerspiel „Fine Line“ und greift das klassische Motiv auf, dass Menschen mit ihren Avataren verschmelzen, wenn auch auf eher ungewohnte Weise über einen technischen Ansatz. Da es diesem – zumindest noch – an Plausibilität fehlt, ist „Fine Line“ als Fantasyroman und nicht als Science Fiction einzuordnen. Dies kann sich aber durchaus im Verlauf der Reihe noch drehen.

Die Handlung ist spannend und durch den Wechsel zwischen realer und fiktiver Welt abwechslungsreich. Zudem gelingt es Nika S. Daveron auch, durch unvorhergesehene Wendungen immer mal wieder an der Spannungsschraube zu drehen. Zwar bietet der Roman – wie üblich in einer Reihe – leider am Ende einen Cliffhanger, dieser ist erfrischenderweise aber sehr mild ausgeprägt. Dennoch kann der Roman nicht wirklich als Standalone gelesen werden, da zum Ende hin kaum Handlungsstränge ausreichend aufgelöst sind.

Der Schreibstil der Autorin lässt sich gut und flüssig lesen, ist vor allem authentisch an der Gamer-Szene orientiert, was für einen durchschnittlichen Leser allerdings auch erstmal eine Umstellung sein kann. Da jedoch Elayne auch erst in die Szene hineinwächst, werden Begriffe wie TeamSpeak und Tank geduldig erklärt, sodass der Leser mit ihr zusammen die Gamingwelt kennenlernen kann – was auch dadurch erleichtert wird, dass man aufgrund der Ich-Perspektive von Elayne sich gut mit ihr identifizieren kann.

Das Setting überzeugt im Wesentlichen, die einzelnen Welten im Spiel hätten allerdings noch bildgewaltiger beschrieben werden können, um den Leser noch mehr mit auf die Reise zu nehmen, um das Kopfkino zu erleichtern. Lobend erwähnen möchte ich zudem die Lösung, die die Autorin im Bereich der Triggerwarnung gewählt hat. Zwar bin ich weiterhin der Überzeugung, dass man in den meisten Fällen auf sie verzichten kann und vielmehr Hilfsangebote für Betroffene in den Mittelpunkt stellen sollte, aber mit einem Hinweis, dass man für mögliche Triggerwarnungen Kontakt mit der Autorin vorab aufnehmen soll, kann ich mich ebenfalls anfreunden.

Da relativ viele Charaktere in dem Roman angelegt und eingeführt werden, ist es nachvollziehbar, dass die Entwicklung der einzelnen Charaktere noch etwas im Hintergrund bleibt. Dies ist für eine Reihe aber nicht unüblich, und daher hoffe ich, dass in den nächsten Bänden die Motive, Stärken und Schwächen der vielen Charaktere noch stärker herausgearbeitet werden. Dass sich gerade Elayne hier teils auch unlogisch und nicht nachvollziehbar verhält, liegt nunmal auch an der Krankheit (über die man sicher in den Triggerwarnungen informiert worden wäre).

Die Buchgestaltung hat hingegen leichte Schwächen zu bieten. So sind dem Lektorat und Korrektorat kleinere Fehler durchgerutscht, die sich aber noch im Rahmen halten und den Lesefluss nicht beeinträchtigen. Der Buchsatz verzichtet leider auf die automatische Silbentrennung am Zeilenende, sodass ein uneinheitliches Zeilenbild entsteht. Das Cover passt gut zur Geschichte und bietet ein durchaus ansprechendes Titelbild. Farblich ist es jedoch eher unauffällig und relativ einfach gedruckt. Insgesamt ergibt es aber mit dem zweiten Teil ein einheitliches Reihenbild.

Mein Fazit: „Fine Line – Create Your Character“ ist ein im Wesentlichen gelungener Auftakt in die phantastische Buchreihe über das Computerspiel „Fine Line“. Der Roman punktet im Wesentlichen mit einer spannenden Handlung und einer authentischen Sprache, kleinere Schwächen in der Logik, Charakterentwicklung und Buchgestaltung fallen dagegen nicht so sehr ins Gewicht. Für Liebhaber des Genres oder von Rollenspielen bedenkenlos zu empfehlen.