[Buchgedanken] Jeannine Meighörner: „Die silberne Riesin: Als Maria Theresia das Nashorn traf“

Vor einiger Zeit habe ich „Die silberne Riesin: Als Maria Theresia das Nashorn traf“ von Jeannine Meighörner gelesen. Das Buch ist 2022 im Michael Wagner Verlag erschienen und als historischer Roman einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Eine zahme Bestie auf Grand Tour d’Europe: Nashorn trifft Kaiserin! Das erste Nashorn, das nach Jahrhunderten Europa lebend erreichte. Maria Theresia, Voltaire, Madame Pompadour – sie alle wurden zu Nebenfiguren, als sie in Europa eintraf: die gefürchtete und gefeierte Nashorndame Clara. Wieso schrieb ihr Casanova ein Liebesgedicht? Was hat Clara mit Tabak und Bier zu tun? Und wie konnte sie für die Menschen gleichermaßen eine Höllenbestie und eine Salonschönheit sein?

„Die silberne Riesin“ ist ein Roman, der den Leser in die Mitte des 18. Jahrhunderts versetzt. Dort begleitet er die Reise des Nashorns Clara auf ihrem Weg durch die Länder und an die Höfe Europas. Dabei wird der Roman teils aus personaler, teils aus auktorialer Erzählperspektive erzählt und deckt eine Spanne von etwa 20 Jahren erzählter Zeit ab.

Die Handlung ist interessant und abwechslungsreich, lässt aber einen Spannungsbogen – gar Spannung gänzlich – vermissen. So spielt die auch titelgebende Maria Theresia nur am Anfang eine kleinere Rolle, die Möglichkeit, hier auch neben der Reise einen hochspannenden, politischen, historischen Roman an den Höfen Europas zu erschaffen, ist leider nicht genutzt worden. So bleibt „Die silberne Riesin“ ein interessanter Reisebericht, eher ein in Romanform gegossenes Sachbuch – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Das Setting ist naturgemäß spannend, führt den Leser nach Indien und an die europäischen Höfe, auf die Weltmeere und ins beschauliche Leiden. Dabei wird aber nicht immer der Schwerpunkt zwischen den einzelnen Handlungsorten sinnvoll gesetzt, so sind die Passagen auf See und aus Leiden zu ausführlich, zulasten der eigentlichen Tournee.

Jeannine Meighörners Schreibstil ist authentisch und informativ, lässt sich dennoch flüssig und leicht lesen. Teils hätte ich mir jedoch noch intensivere Beschreibungen gewünscht, um das Kopfkino perfekt anspringen zu lassen. Leider sprengt die Autorin am Ende des Epilogs (der mehr persönliches Nachwort als wirklicher Epilog ist …) nicht nur das Format, sondern wird provokant polemisch – das hätte wirklich nicht sein müssen.

Die Buchgestaltung ist solide, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist fehlerfrei, wirkt aber teils gedrungen und etwas mutlos. Der Buchumschlag kann hingegen nicht überzeugen. Während das Cover zwar immerhin noch den Bezug zur Geschicht wahrt, wirkt insbesondere die Coverrückseite völlig überladen. Prägungen auf dem Cover – oder auch sonstige Informationen wie Karten o.ä. vermisst man gänzlich.

Mein Fazit? „Die silberne Riesin: Als Maria Theresia das Nashorn traf“ ist ein historischer Roman, der vor allem dank seines Settings und der authentischen Sprache gänzt, aber auch Spannung vermissen lässt. Für Liebhaber informatorischer Romane dennoch zu empfehlen.

[Buchgedanken] A. J. Marini: „stromLos: odyssee“ (stromLos 2)

Vor kurzem habe ich „stromLos: odyssee“, den Abschluss der stromLos-Dilogie von A. J. Marini, beendet. Das Buch ist 2016 in der Pagina Verlag GmbH erschienen und – wie auch schon der Vorgänger – als Dystopie oder Science-Fiction-/Endzeit-Thriller anzusehen. Meine Besprechung des ersten Bandes kann *hier* abgerufen werden. Vielen Dank an dieser Stelle erneut an den Verlag und die vermittelnde Agentur Literaturtest für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

~~~ Achtung! Die Besprechung kann milde Spoiler zum Vorgängerband enthalten. ~~~

515uYcDwGUL._SX353_BO1204203200_2039. Der Planet stöhnt unter unbarmherziger Hitze. Rätselhafte Krankheiten haben sich ausgebreitet, gewaltige Sterberaten dezimieren die Erdbevölkerung. Emi Boulder und Ben Bates, gegensätzlich wie Feuer und Wasser, sind in einer globalen Katastrophe gestrandet: Elektrizität funktioniert nicht mehr! Tag um Tag vergeht ohne Strom. In gnadenloser Hitze werden die Umstände immer alptraumhafter, alles bricht rasant zusammen, es geht bald ums nackte Überleben. Die Katastrophe konfrontiert Ben schonungslos mit sich selbst, zugleich wächst in ihm eine zarte und unbeholfene Liebe für Emi. Emi weiß, warum es zu dem globalen Ausfall von Elektrizität gekommen ist, und dass der Strom nicht mehr zurückkehren wird. Sie fasst einen abenteuerlichen Plan, wie sie aus dem kollabierten Großstadtmoloch entkommen können. Doch Ben hat gute Gründe, der schönen, wie geheimnisvollen Emi zu misstrauen. Trotz aller Anziehung, die diese Frau auf ihn ausübt, nagen Zweifel und Ängste an ihm. Da geschieht das Unerwartete …

„stromLos: odyssee“ knüpft direkt an die Handlung des Vorgängerbandes an und setzt diese nahtlos fort. Teils werden Erklärungen in die Geschichte eingebaut, die Handlungsstränge aus dem ersten Band zusammenfassen, sodass „odyssee“ wohl auch als Standalone gelesen werden kann – empfehlen würde ich es aber nicht.

Während die Handlung im Vorgänger noch eher Züge eines Politthrillers aufwies, wechselt Teil Zwei endgültig in das dystopische Endzeitszenario und fokussiert sich auf das reine Überleben der Protagonisten. Menschliche Urinstinkte, der Zusammenbruch jedes gesellschaftlichen Lebens und der Verfall aller Normen – „stromLos: odyssee“ bietet eine erschreckende Zukunftsvision, der es aber auch etwas an Realität fehlt – auch wenn versucht wird, eine wissenschaftliche Untermalung anzubieten, die aber nicht zuletzt durch das sehr esoterisch anmutende Ende etwas konterkariert wird.

Abgesehen davon bleibt die Handlung aber dauerhaft spannend und wird stringend vorangetrieben. Die einzelnen Charaktere entwickeln sich weiter und zeigen ganz eigene Stärken und Schwächen. Besonders gefreut habe ich mich, in diesem Band noch mehr von Gwen und Poona zu erfahren, leider tauchen andere Charaktere dafür gar nicht mehr auf.

Nicht ganz warmgeworden bin ich weiterhin mit dem kruden Mix der Erzählperspektiven. So wird sowohl aus der Ich-Perpektive von Ben, als auch personal aus der Sicht von Emi, allerdings mit auktorialen Einschüben erzählt. Eine stärkere Fokussierung auf die beiden Protagonisten und ihre Gedanken und Gefühle hätte hier eine noch intensivere Bindung zwischen dem Leser und den Charakteren ermöglicht. Gleiches gilt im Übrigen für den etwas zu beschreibenden Schreibstil des Autors – etwas mehr „Show, don’t tell“ hätte den Lesefluss noch verstärken können. Das Setting hingegen überzeugt auf ganzer Linie und ermöglicht es dem Leser, sich in die dystopische Umgebung zu versetzen.

Die Buchgestaltung zeigt sich leicht verbessert zum Vorgängerband. Zwar sind Lektorat, Korrektorat und Buchsatz weiterhin kleinere Fehler durchgerutscht, allerdings nicht in der Häufigkeit des ersten Bandes. Das Covermotiv ist ähnlich und sorgt für einen Wiedererkennungswert der Reihe, insgesamt ist der Buchumschlag allerdings unauffällig und verschenkt Potential, insbesondere auf der Coverrückseite und den Coverinnenseiten.

Mein Fazit? „stromLos: odyssee“ ist ein im Wesentlichen gelungener Abschluss der dystopischen Dilogie, der sich leicht verbessert zum ersten Band zeigt und vor allem durch das endzeitliche Setting und eine spannende Handlung punkten kann. Kleinere Schwächen in der Erzählperspektive und dem Schreibstil trüben das Lesevergnügen nur leicht. Für alle Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab etwa 16 Jahren.

[Buchgedanken] Terry Brooks „Das Lied der Elfen“ (Die Shannara Chroniken)

In der letzten Zeit habe ich „Das Lied der Elfen“ von Terry Brooks gelesen, den dritten Band der neuaufgelegten Reihe „Die Shannara Chroniken“, deren zweiter Band auch erfolgreich als TV-Serie unter dem Titel „Shannara“ verfilmt worden ist. Das Buch ist in der Neuauflage 2017 bei Blanvalet erschienen und bereits 1986 in geteilter Form unter den Titeln „Das Zauberlied von Shannara“, „Der König von Shannara“ und „Die Erlösung von Shannara“ bei Goldmann und Blanvalet veröffentlicht worden. Die Originalausgabe wurde 1985 unter dem Titel „The Wishsong of Shannara“ bei Ballantine Books, New York, veröffentlicht. Der Roman ist am ehesten als dystopische High-Fantasy einzuordnen. Hier findet Ihr meine Rezenzionen zu Band 1 und Band 2.

In „Das Lied der Elfen“ begleitet man eine neue Generation der Ohmsfords auf ihrem 51qpnkqxdgl-_sx332_bo1204203200_Quest gegen das Böse. Erneut werden die Lande von Shannara von uralten Mächten bedroht, die sich die Rassen durch schwarze Magie untertan machen wollen. Und wieder legt der Druide Allanon das Schicksal der Welt in die Hände der Nachkommen von Shannara: Brin und Jair Ohmsford. Nur die Kinder von Wil Ohmsford, dem Protagonisten aus „Elfensteine“, vermögen es dank der elfischen Magie in ihren Körpern, die Welt vor der Zerstörung zu bewahren. Doch nur wenn es ihnen gelingt, die gewaltigen Kräfte zu bändigen und sich dabei selbst nicht zu verlieren, besteht noch Hoffnung für die verschiedenen Rassen.

„Das Lied der Elfen“ knüpft gut an die Vorgängerbände an. Es spielt eine Generation nach „Elfensteine“ – und auch die von dort bekannten Protagonisten Wil Ohmsford und Eretria haben in diesem Buch wieder einen Gastauftritt – und der omnipräsente Allanon lenkt auch in diesem Band natürlich erneut die Geschicke der vier Lande. Gut gefallen hat mir, dass nicht nur die nächste Generation der Ohmsfords auftaucht, sondern auch die Familien Leah und Elessedil wieder eine Rolle spielen, in Gestalt von Rone, dem jüngsten Prinzen von Leah, und des Elfenprinzen Edain Elessedil.

Während Brin sich nur mit kleiner Begleitung auf ihr Abenteuer macht, lässt sich im Handlungsstrang von Jair eine Paralelle zu Tolkiens „Herr der Ringe“ nicht verhehlen. So kann die Welt nur gerettet werden, wenn er im tiefsten Feindesland zauberhaften Sand in eine Bergquelle wirft. In einer Ratssitzung wird beschlossen, das Unternehmen zu unterstützen, es wird eine Gruppe von Freiwilligen gesucht, die zum Schluss aus einem Zwerg, einem Elf, einem Gnom und drei Menschen besteht. Ich bin sicher nicht der erste, der sich hier an die Gefährten auf ihrer schicksalhaften Reise nach Mordor erinnert führt. Abgesehen davon braucht Terry Brooks den Vergleich mit Tolkien aber auch nicht zu scheuen: Die Bücher der Shannara Chroniken sind exzellente High-Fantasy-Romane, auch wenn das Setting in einer dystopischen Welt nach einem Vernichtungskrieg liegt.

Terry Brooks punktet erneut mit bildgewaltigen Beschreibungen, die in dieser Länge nur noch in der High-Fantasy erlaubt, sogar erwünscht sind. Die Geschichte ist, trotz des auktorial-anmutenden Erzählers, sehr atmosphärisch und man bleibt nah an den Protagonisten, fühlt ihre Ängste, Zweifel und das Leid. Der Spannungsbogen wird die ganze Zeit aufrechterhalten und viele unerwartete Wendungen lassen ein positives Ende zweifelhaft erscheinen. Lediglich die Schwerpunktsetzung hätte ich mir etwas anders gewünscht. Zum Ende hin ging alles rasend schnell, während anfangs die Handlung doch etwas zähflüssig vonstatten ging.

Zentrales Element in diesen Heldenreisen ist die Charakterentwicklung, die hier spürbar ist und gut umgesetzt wurde. Nicht nur die Hauptprotagonisten, sondern auch die Nebencharaktere entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter und man lernt mehr über ihre Ziele, Motivation und ihre Beweggründe.

Das Cover orientiert sich an den Vorgängerbänden, ist sehr schön und hochwertig geprägt. Korrektorat, Lektorat und Buchsatz haben ebenfalls ordentlich gearbeitet.

Mein Fazit? „Das Lied der Elfen“ ist eine gelungene Fortsetzung einer der besten High-Fantasy-Reihen. Das Buch punktet durch tolle Beschreibungen und plastische Charaktere, lediglich die Schwerpunktsetzung hätte besser sein können. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen.