[Buchgedanken] Aiki Mira: „Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“

Vor kurzem habe ich „Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“ von Aiki Mira gelesen. Das Buch ist 2023 im Polarise Verlag, einem Imprint der dpunkt.verlag GmbH veröffentlicht worden und dem Genre Science-Fiction zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Hamburg im Jahr 2112: Die Stadt wird immer wieder von Starkregen geflutet, im Binnendelta hat sich ein Slum aus schwimmenden Containern gebildet und über allem thront das gigantische Stadion. Zum „Turnier der Legenden“ reisen Fans aus der ganzen Welt an, um die berühmten Glam-Gamer spielen zu sehen. Auch Go [Stuntboi] Kazumi begeistert sich für das VR-Gaming, fährt jedoch noch lieber Stunts auf dem Retro-Skateboard. Ein Sturz scheint das Aus für Gos Karriere zu bedeuten, doch dann wird Go ein Job im Stadion angeboten – bei den Rahmani-Geschwistern, den berühmtesten Gamern Deutschlands! Von da an überschlagen sich die Ereignisse und Gos Welt wird komplett auf den Kopf gestellt: ein Bombenanschlag, illegale Flasharenen, Tech-Aktivisten, Cyberdrogen, künstliche Intelligenzen – und dann ist da auch noch dieses Mädchen …

„Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“ lässt sich bereits schwer einem Genre zuordnen. Vom Verlag beworben als Near-Future-Science-Fiction, als Entwicklungsroman, als LGBTQIA+-Roman, habe ich es der Einfachheit halber bei der Einordnung als Science-Fiction belassen – denn für „Near-Future“ sind mir die 90 Jahre doch etwas viel. Gute Argumente hätten sich aber auch für die Einstufung als progressive Phantastik gefunden – oder sogar für die Kategorisierung als (Polit-) Thriller oder Dystopie.

Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich, teils aber auch etwas verworren und sehr komplex, fügen sich doch genug Handlungsstränge und Schauplätze für – mindestens – zwei Bücher mal mehr, mal weniger gut zusammen. So bleiben gerade die politischen Themen etwas flach, die verschiedenen Aktivisten- und Terrorgruppen blass, während der Handlungsstrang um Go, ELLL und die Rahmanis gut aufgearbeitet wird. Gerade der Einstieg fällt jedoch unglaublich schwer – selbst für gameaffine Leser ist der Wechsel zwischen Realität und VR, zwischen Gesprächen, Chats und übermittelten Gedanken anfangs viel und nicht immer leicht fassbar.

Das Setting begeistert hingegen auf ganzer Linie. Aiki Mira entführt den Leser in ein Hamburg der Zukunft, in eine Welt, die von global agierenden Unternehmen geprägt und dominiert wird. Und auch wenn man anfangs etwas braucht, sich zurechtzufinden, ist die Welt doch nach und nach immer faszinierender, spannender und – ja – auch dystopischer. Lediglich die Ingame-Umgebung und die Szenen im Neurosubstrat lassen sich bildlich für die Leser nur schwer fassen.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugen vor allem Ren Kazumi, beide Rahmanis und ELLL, während Ben und Tayo sehr blass bleiben. Bei Go bin ich zwiegespalten. So sind die Zweifel, ihre Suche nach der geschlechtlichen Identität gut dargestellt, darüber hinaus handelt sie aber nicht zwingend nachvollziehbar. Aiki Miras Schreibstil ist im Wesentlichen gut und flüssig lesbar, sehr authentisch und technikaffin.

Die Buchgestaltung ist gelungen, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist solide, aber relativ schlicht – hier hätte man den Gamecharakter oder die technologischen Features noch etwas besser darstellen können. Das Covermotiv zieht sich über den kompletten Buchumschlag, ist farblich ein Traum und verbirgt das ein oder andere typografische Easter Egg. Allerdings hätte hier durchaus noch mit Klappen oder farbigen Coverinnenseiten das Design etwas aufgepeppt werden können.

Mein Fazit? „Neongrau: Game Over im Neurosubstrat“ ist ein sehr ambitionierter, aber auch gelungener Science-Ficion Roman, der mit einem brillanten Setting punktet, aber fast zu viel Handlung für ein Buch bietet. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

[Buchgedanken] Sabine Weiß: „Blüte der Zeit“

Vor kurzem habe ich „Blüte der Zeit“ von Sabine Weiß gelesen, nach „Krone der Welt“ mein zweiter Roman der Autorin. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen und dem Genre historischer Roman zuzurechnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

1672. Weil Krieg droht, flieht der junge Landschaftsgärtner Max mit seiner Mutter und seinem Bruder aus den Niederlanden nach Brandenburg-Preußen. Dort setzt Kurfürst Friedrich Wilhelm nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges alles daran, sein Land wieder aufzubauen. Prachtvolle Schlösser und gewaltige Parkanlagen entstehen. Für Max, der die geheimen Bedürfnisse von Pflanzen und Menschen spüren kann und einen Sinn für die Schönheit der Gartengestaltung hat, bedeutet diese Landschaft Seelenbalsam und Zerstreuung. Doch es naht schon ein neuer Krieg, der ganz Europa in Mitleidenschaft ziehen wird und in den auch Max und die junge Heilkundige Elvina verwickelt werden …

„Blüte der Zeit“ ist der dritte historischer Roman der Autorin, der sich nach „Krone der Welt“ und „Gold und Ehre“ mit der niederländischen Geschichte befasst. Dabei deckt der Roman die Zeitspanne von 1667 bis 1689 ab und widmet sich nicht nur den Protagonisten Max, Paulus und Elvira, sondern bettet das Geschehen in die großen weltpolitischen Entwicklungen ein, die eine Hauptrolle im Roman spielen. Hierbei verschlägt es den Leser ungewohnt weit von den Niederlanden über Brandenburg, England und Frankreich bis nach Südafrika.

Die Handlung ist im Wesentlichen spannend, abwechslungsreich und mit überraschenden Wendungen versehen. Lediglich der Einstieg ins Buch fällt nicht ganz leicht, wird durch die Vielzahl an Handlungssträngen und Schauplätzen doch die Stringenz der Erzählung unterbrochen. Immerhin fördert jedoch die der Geschichte vorangestellte Dramatis Personae die Zuordnung der Personen und hilft, sich im Dschungel der vielen Handlungsstränge zurechtzufinden.

Das Setting besticht auf ganzer Linie. So entführt die Autorin den Leser nicht nur in die oben genannten Länder sondern auch in die schönsten Gärten und Schlösser, und lässt den Leser Flucht, Krieg, Vertreibung und die krassen Gegensätze zwischen den Ständen, zwischen Arm und Reich hautnah erleben. Gleichzeitig lernt man viel über Blumen, Pflanzenhandel und Gartengestaltung – Wissen, das an einem in der Regel bislang doch eher vorbeigegangen ist.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive – wenn auch einige Charaktere nicht zwingend plausibel weiterentwickelt werden. Brillieren können jedoch Elvira, Floris und Paulus, obwohl letzterer im Verlauf des Romans einen Großteil der Sympathien verspielt hat, die ich anfangs noch für ihn hegte. Der Schreibstil der Autorin ist dabei, trotz des historischen Settings, leicht und flüssig lesbar, durchaus authentisch und lässt das Kopfkino sofort anlaufen.

Die Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist klassisch unaufgeregt. Der Buchumschlag ist auf dem Cover hochwertig geprägt und mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen, die toll gestaltet sind, aber etwas mehr Abwechslung hätten vertragen können, sind doch vordere und hintere Coverinnenseite gleich, obwohl es noch so viele weitere Gärten und Landkarten gegeben hätte, die man hätte abdrucken können. Das Cover selbst ist detailverliebt und klassisch für einen historischen Roman und zieht sich gut über den kompletten Buchumschlag, sodass ein tolles Gesamtbild entsteht.

Mein Fazit? „Blüte der Zeit“ ist ein gelungener historischer Roman, der vor allem durch sein tolles Setting und die intelligent eingebaute Handlung punkten kann, aber auch einen schweren Einstieg und kleinere Schwächen in der Figurenentwicklung besitzt. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen.

[Buchgedanken] Katee Robert: „Neon Gods – Hades & Persephone“ (Dark Olympus 1)

Vor kurzem habe ich „Neon Gods – Hades & Persephone“, den Auftaktband der „Dark Olympus“ Reihe von Katee Robert, gelesen. Das Buch wurde 2022 bei LYX in der Bastei Lübbe AG veröffentlicht, die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel „Neon Gods (Dark Olympus Book 1)“ bei Sourcebooks Casablanca. Der Roman ist der Dark Romantasy zuzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Anika Klüver verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Als ihre Mutter Persephone auf einem Ball überraschend Zeus verspricht, bleibt der jungen Frau keine Wahl: Sie flieht über die Brücke des Styx in die Unterstadt, wo sie plötzlich dem geheimnisvollen Hades gegenübersteht. Seit Jahren hat ihn niemand mehr gesehen, er ist ein Mythos, ein Monster – und ihre einzige Chance, Zeus und ihrer Mutter zu entkommen. Vom ersten Augenblick an übt Hades eine Faszination auf Persephone aus, der sie sich nicht entziehen kann. Und so bietet sie ihm einen Deal an, der ihrer beider Leben für immer verändern wird …

„Neon Gods – Hades & Persephone“ ist der erste Teil der „Dark Olympus“ Reihe, die verschiedene Genre vereint. So sind die Bücher der Phantastik, ja sogar der griechischen Mythologie zuzuordnen, balancieren aber zugleich auf der Grenze zwischen New Adult und Erotik mit einem Schuss Dark Romance. Ich habe dies mal als „Dark Romantasy“ zusammengefasst, etwas, womit die Autorin im Hinblick auf den Reihentitel sicherlich leben kann.

Denn die Handlung ist – und hier liegt ein starker Fokus – einfach heiß – oder neudeutsch spicy. Dabei ist der Band in sich abgeschlossen und kann gut als Standalone gelesen werden, im nächsten Teil geht es dann mit einem weiteren Pärchen aus Olympus weiter. Zwar entsteht teils das Gefühl, dass die Rahmenhandlung hier doch etwas zugunsten der erotischen Szenen vernachlässigt wird, dies ist aber aufgrund der unglaublichen Chemie zwischen Hades & Persephone nicht schlimm, sorgen die einzelnen Aufeinandertreffen doch jeweils für ein, zuweilen auch emotionales, Feuerwerk und ein Knistern, das selbst durch die Buchseiten deutlich zu spüren ist.

Das Setting ist naturgemäß brillant. So entführt die Autorin den Leser in die Stadt Olympus, eine Art Neugestaltung des Olymps auf dem heutigen Stand der Technik – Klatschzeitschriften, Autos und moderne Sicherheitssysteme inklusive. Sie nimmt den Leser mit auf göttliche Partys von Zeus und in die Stadt des Hades – und lässt ihn letztere zusammen mit Persephone durch deren Augen entdecken und lieben lernen. Dabei ist Katee Roberts Schreibstil leicht und flüssig zu lesen und lässt das Kopfkino sofort anspringen.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig ausgearbeitet, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugen neben Persephone vor allem ihre Schwestern Psyche und Eurydike sowie Hermes, während Hades noch ein paar Ecken und Kanten mehr vertragen hätte. Daher bin ich umso gespannter auf den nächsten Teil der Reihe, dreht er sich doch um Psyche und ihre legendäre Beziehung zu Eros, der in diesem Teil am Rande ebenfalls bereits auftauchte.

Die Buchgestaltung ist ebenfalls auf ganzer Linie überzeugend. So sind Lektorat, Korrektorat und Buchsatz solide, der Buchumschlag ist auf dem Cover und Buchrücken hochwertig geprägt, mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten (unter anderem einer Karte der Handlungsorte) versehen – sehr edel. Das Cover ist zwar schlicht, farblich und typografisch aber ein absoluter Traum – und somit ein toller Eyecatcher, der hoffentlich mit den anderen Bänden der Reihe einen einheitlichen Gesamteindruck ergibt.

Mein Fazit? „Neon Gods – Hades & Persephone“ ist Dark Romantasy as its finest – und brilliert mit einem tollen Setting und unglaublich gefühlvollen und heißen Szenen. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – definitiv nicht unter dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 16 Jahren, vielleicht auch erst ein oder zwei Jahre später.

[Buchgedanken] Kim Young-tak: „Knochensuppe 1: Der Mörder aus der Zukunft“

Vor kurzem habe ich im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de „Knochensuppe 1: Der Mörder aus der Zukunft“ von Kim Young-tak gelesen. Das Buch ist 2023 bei Golkonda in der Europa Verlage GmbH erschienen, die Originalausgabe wurde 2018 unter dem Titel „Gomtang (Beef Bone Soup)“ und Autorennamen Youngtak Kim bei Arte (Book 21 Publishing Group) veröffentlicht. Der Roman ist dem Genre Science-Fiction zuzuordnen, für die Übersetzung zeichnen Hyuk-sook Kim und Manfred Selzer verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.

2063 in der Küstenstadt Busan: Lee Uhwan, ohne Familie aufgewachsen, einsam und frustriert, wohnt im unteren Bezirk der Stadt, wo man jeden Tag ums Überleben kämpft. Seine Tage verbringt er in einer schwülheißen, stinkenden Küche, in der er sich als Gehilfe verdingt hat. Als ihn sein Chef eines Tages beauftragt, eine Zeitreise in das Jahr 2019 zu unternehmen, um ihm ein verloren gegangenes Rezept für eine Knochensuppe zu besorgen, zögert er keine Sekunde, obwohl diese Zeitreisen lebensgefährlich sind. Damit nimmt das Abenteuer seines Lebens seinen Lauf …

„Knochensuppe 1: Der Mörder aus der Zukunft“ ist der erste Band der Dilogie von Kim Young-tak, die dieser 2018 zuerst online als Gesamtwerk und im gleichen Jahr als zweibändige Printausgabe veröffentlichte. Durch die Anlage als Gesamtwerk ist der Roman schwer als Standalone lesbar, endet das Buch doch durchaus in einem Cliffhanger, auch werden kaum relevante Handlungsstränge aufgelöst. Zudem fällt die Genrezuordnung nicht ganz leicht. So erfüllt der Roman definitiv die Voraussetzungen für die Eingruppierung als Science-Fiction, hat zugleich aber auch Ansätze eines Thrillers, hat ein dystopisches Setting und ist – rein technisch gesehen – sogar eine Familiensaga oder ein Entwicklungsroman.

Die Handlung ist kurzweilig und abwechslungsreich, durchaus mit teils unerwarteten Wendungen versehen, wenn auch gelegentlich sehr verworren und etwas langsam, greifen die einzelnen Handlungsstränge doch erst nach und nach ineinander. Sie wird unaufgeregt, ohne große Spannungsspitzen, zurückhaltend von Kim Young-tak erzählt, dessen Schreibstil dennoch flüssig und gut lesbar ist.

Das Setting ist ungewohnt, aber interessant. So entführt der Autor den Leser nach Busan, in eine Stadt, die er sowohl in der Jetztzeit als auch in einer nahen, dystopischen Zukunft präsentiert, und sorgt damit für einen – positiven – Kulturschock, da er eine doch in der hiesigen Literatur sehr vernachlässigte Region in den Fokus stellt und die Aufmerksamkeit des Lesers darauf richtet, dass ihm teils phantastische Settings bekannter sind, als das, was am anderen Ende der Welt geschieht. Vielleicht ja ein Vorbote einer Welle koreanischer Literatur, die der weltweiten Erfolgsgeschichte anderer Medien (K-Pop, K-Drama) nachzueifern versucht.

Die einzelnen Figuren sind komplex, aufgrund der Vielzahl an Handlungssträngen aber teils noch etwas eindimensional, sodass diese hoffentlich im Folgeband konsequent weiterentwickelt werden. Insbesondere Yang Changgeun und Jongin verbleiben daher noch relativ blass, am ehesten können hier noch Kim Hwayeong und Yu Kanghee überzeugen.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben mit Ausnahme eines riesigen Fehlers im Klappentext und den inkonsistenten Jahresangaben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist ordentlich und verdient sich bereits ein Lob dafür, jedes Kapitel auf einer ungeraden Seite zu beginnen. Der Buchumschlag ist mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen, insgesamt aber eher schlicht – genau wie das Titelbild, das aber immerhin mit dem zweiten Band ein einheitliches Reihenbild erzeugt und für Wiedererkennungswert sorgt.

Mein Fazit? „Knochensuppe 1: Der Mörder aus der Zukunft“ ist ein gelungener Auftakt in die doch sehr ungewohnte Dilogie, der vor allem mit dem ungewohnten Setting und der doch besonderen Erzählart punktet, aber auch noch Schwächen in der Handlung und Figurenentwicklung besitzt. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen, ab einem vorgeschlagenen Lesealter von 16 Jahren.

[Buchgedanken] „Mentling Magazin – Ausgabe 1: Was willst du denn?“

Vor kurzem habe ich die erste, 2022 erschienene, Ausgabe des Mentling Magazins „Was willst du denn?“ als Rezensionsexemplar im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de gelesen. Herausgegeben wird das Magazin von Mentling Media (Florian Saeling, Max Saeling und Marcel Ristau), enthalten sind Interviews mit Emilia Maier, Julius Weckauf, Bella Bading, Leonard Conrads, Linus Moog, Samirah Breuer, Luzie Nadjafi, Marian Grau, Shan Robitzky und Carl Josef.

Wie finde ich heraus, was ich wirklich will? Welcher Weg ist der richtige für mich? Woran merke ich das und was braucht es eigentlich, um einen Traum wahr werden zu lassen?

Das Mentling Magazin ist ein neues, frisch gegründetes Magazin, das die Lebensgeschichte von zehn inspirierenden, jungen Persönlichkeiten unter 20 Jahren präsentiert. Dabei verfolgt es einen multimedialen Ansatz, sind in einzelnen Bildern zu den Beiträgen doch QR-Codes versteckt, die jeweils auf kurze Videoausschnitte der Interviews hinleiten – sehr spannend, auch wenn man die Längen der einzelnen Ausschnitte noch etwas harmonisieren könnte.

Positiv anzumerken ist, dass es dem Magazin gelungen ist, bereits für die erste Ausgabe durchaus sehr bekannte Namen zu gewinnen – wenn ich zum Beispiel an Julius Weckauf denke, der seit der Rolle des Hape Kerkeling in „Der Junge muss an die frische Luft“ zu den gefragtesten Jungschauspielern Deutschlands zählt. Allerdings ist die Auswahl noch wenig ausgewogen – so überwiegt der Anteil an Schauspielern drastisch. In den nächsten Ausgaben würde ich mir daher mehr Sportler, Musiker, Unternehmer oder sonstige junge Personen wünschen, um die Vielfalt der Interviews zu steigern.

Die einzelnen Beiträge sind dabei durchaus unterhaltsam, informativ und inspirierend und werden von tollen Bildern begleitet. Als Fan von Emilia Maier hat mich natürlich ihr Interview begeistert, aber auch die von Linus Moog und Luzie Nadjafi überzeugen auf ganzer Linie. Dabei werden auch wichtige Themen wie Mobbing, Rassismus, das Umgehen mit Enttäuschungen und Depressionen bei Jugendlichen besprochen. Hierbei ist die Sprache durchaus zielgruppenorientiert, wenn auch vereinzelt Fragen sogar zu gewollt jugendlich geraten sind.

Die Gestaltung des Magazins ist wirklich gelungen. Die Interviews und Bilder sind wunderbar gesetzt, insgesamt ist die Aufmachung des – werbefreien – Magazins schön anzusehen (ein großes Lob an dieser Stelle an Max Saeling, der für Design und Layout verantwortlich ist). Aber auch redaktionell – im Sinne eines Lektorats und Korrektorats – ist hier ordentlich gearbeitet worden. Lediglich das Magazincover überzeugt noch nicht vollständig, hier muss über die nächsten Ausgaben noch der Wiedererkennungswert herausgearbeitet werden. Ein kleiner positiver Eyecatcher: die Nummer der Ausgabe als ISBN-Code.

Mein Fazit? „Die erste Ausgabe des Mentling Magazins: „Was willst du denn?“ ist inspirierend, und bietet tolle Beiträge und Bilder. Sowohl Layout als auch Inhalt überzeugen – lediglich bei der Wahl der Interviewpartner hätte man etwas mehr auf Vielfalt setzen können.

[Buchgedanken] Julien Appler: „Die Suche nach den Splittern des Bahir: Ankunft in Aurelija“ (Bahir 1)

Vor kurzem habe ich „Die Suche nach den Splittern des Bahir: Ankunft in Aurelija“ von Julien Appler gelesen. Das Buch ist 2022 bei tredition im Selfpublishing erschienen und dem Genre Fantasy zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Autor für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Alistair erwacht in einer anderen Welt – in einem Computerspiel. Er erinnert sich weder an seinen Namen noch an seine Herkunft. Das einzige was er weiß, teilt ihm eine Stimme aus dem Spiel mit. Hält er sich nicht an die Anweisungen, wird sein Charakter gelöscht. Als Barbar muss er nicht nur gegen Riesenhornissen, Monster und dunkle Wesen kämpfen, sondern auch noch die Splitter des Bahir finden und damit Aurelija vor dem Untergang beschützen. Doch wovor muss er Aurelija schützen?

„Die Suche nach den Splittern des Bahir: Ankunft in Aurelija“ lässt sich bereits schwer einem Genre zuordnen. So gehört das Buch unzweifelhaft zum Genre der Phantastik, ließe sich aber dank des Klappentextes über das Aufwachen im Computerspiel (für das viel spricht, aber die „reale“ Welt kommt schlichtweg im Buch nicht vor) auch der Science-Fiction zuordnen. Das gänzliche Fehlen der parallelen Welt lässt somit auch die Unterscheidung zwischen Low und High Fantasy nicht wirklich gesichert zu, sodass ich es bei der groben Eingruppierung als „Fantasy“ belassen habe.

Die Handlung ist durchaus spannend, hat teils aber auch Längen, gerade in der ersten Hälfte, die etwas Abwechslung vermissen lässt. Leider lässt auch das Ende noch viel zu viele Fragen offen – so wird quasi kein Handlungsstrang zufriedenstellend aufgelöst, sodass das Buch eigentlich nicht als Standalone lesbar ist. Schade, denn im Vergleich zur wirklich spannenden Prämisse des Buches wird hier viel Potential verschenkt.

Das Setting ist solide. Der Autor entführt den Leser in eine Gamingwelt, die dieser mit dem unwissenden Protagonisten zusammen entdeckt – eine tolle Kombination. Dass hierbei der Weltenbau naturgemäß etwas auf der Strecke verbleibt, ist daher vernachlässigbar, sofern dieser in den nächsten Teilen konsequent weiter ausgebaut wird. Nichtsdestotrotz hätte ich mich über ein unterstützendes Glossar zur Welt, gegebenenfalls auch eine Karte sehr gefreut – das sehr kurze Glossar zur Gamingsprache ist da eher überflüssig, spielen doch die eingebauten Charakterattribute bislang auch kaum eine Rolle.

Aufgrund der Kürze des Buches bleibt zudem wenig Zeit, die Charaktere zu entwickeln – auch dies muss in den Folgebänden konsequent weitergetrieben werden. Bislang überzeugen noch Nebencharaktere wie Mahri und Elira am ehesten, während insbesondere Yves noch gar nicht eingeschätzt werden kann und Alistair teils etwas blass verbleibt. Julien Applers Schreibstil lässt sich hierbei leicht und flüssig lesen. Insbesondere die humorvollen Statusnachrichten vermögen hier zu punkten und die Handlung aufzulockern, wohingegen manchmal etwas mehr Beachtung von „Show, don’t tell“ für eine noch straffere und packendere Erzählweise gesorgt hätte.

Die Buchgestaltung ist noch okay, das Korrektorat hat sauber gearbeitet, dem Lektorat sind jedoch – sofern es durchgeführt wurde – durchaus Dinge durchgerutscht. Der Buchsatz ist durchwachsen, Quests und Zeitsprünge sind in der Regel grafisch toll (aber auch nicht durchgängig gleich) dargestellt, gleiches hätte ich mir jedoch auch für die Statusmeldungen gewünscht, die sich in der jetzigen Form vom Schriftbild nicht absetzen. Der Buchumschlag ist eher eintönig, insbesondere irritiert mich immer noch der Schreibfehler im Titel (so ist das „in“ auf dem Cover groß, im Innenteil klein geschrieben).

Mein Fazit? „Die Suche nach den Splittern des Bahir: Ankunft in Aurelija“ ist ein Fantasy-Reihenauftakt mit toller Prämisse, aber durchaus auch Schwächen in Handlung und Buchgestaltung, sowie Entwicklungspotential beim Weltenbau und der Charaktergestaltung. Bei konsequenter Umsetzung mit den Folgebänden durchaus für genreaffine Leser zu empfehlen – allerdings nicht als Standalone und ab einem Lesealter von etwa 12 Jahren.

[Buchgedanken] Caroline Brinkmann: „Zimmer gesucht, Liebe gefunden: Emmas Disaster-Diary“

Vor kurzem habe ich „Zimmer gesucht, Liebe gefunden: Emmas Disaster-Diary“ von Caroline Brinkmann gelesen. Das Buch ist 2022 im dtv Verlag, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, erschienen und als Liebesroman einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Was tun, wenn man nach zwei Jahren Beziehung über Facebook abserviert wird und 148 Freunden gefällt das? Emmas große Liebe Leon hat sie für die heiße Influencerin Larissa sitzen gelassen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die beiden zusammenziehen wollten. Eine neue Bleibe muss her. Glücklicherweise sucht Dirk, ein Bekannter ihrer besten Freundin, eine neue Mitbewohnerin. Das Problem: Er ist ein eigensinniger Computernerd, der im echten Leben mit Menschen nicht viel anfangen kann. Und erst recht nicht mit Liebeskummer. Aus Mangel an Alternativen zieht Emma bei ihm ein. Das Chaos ist vorprogrammiert.

„Zimmer gesucht, Liebe gefunden: Emmas Disaster-Diary“ ist von mir als Liebesroman betitelt worden, es ist aber zugleich soviel mehr, und daher schwer in eine Genreschublade zu pressen. Es ist ein Liebesroman, zu alt für YA, zu wenig spicy für NA, dafür mit unglaublich viel Humor. Darüber hinaus enthält er durchaus eine kleine, feine gesellschaftskritische Seite, behandelt Themen wie Mobbing, die Schattenseiten von Sozialen Medien und Bindungsängste – etwas zu viel für cosy Feel-Good. Aber egal, was das Buch genau ist, eines ist es sicher: ein Jahreshighlight! Oder wie Stella (Tack) im Blurb sagt: eines der witzigen Bücher des Jahres.

Denn die Handlung ist kurzweilig, humorvoll und abwechslungsreich, gespickt mit Kultszenen und tollen, auch herzerwärmenden Momenten. Caroline Brinkmann mischt hierbei ernste mit witzigen Themen, ohne den Schwerpunkt auf die Liebesgeschichte zu verlieren. Die Handlung wird dabei ergänzt durch Einträge im „Disaster-Diary“, von denen ich mir – der einzige kleine Kritikpunkt – noch viel mehr gewünscht hätte, spielt es doch bereits im Buchtitel eine prominente Rolle.

Auch das Setting begeistert. So entführt die Autorin den Leser in eine Welt voller Gegensätze, in eine Welt zwischen WG-Zimmer und High-Society, zwischen Wohnungsdetektei und Whirlpoolpartys, zwischen sprechenden Pflanzen und – unerwartet tiefgründigen – Sexgöttern. Dabei ist Caroline Brinkmanns Schreibstil unglaublich humorvoll, flüssig und leicht zu lesen, einfach perfekt für die Handlung, er lässt das Kopfkino sofort anspringen und sorgt dafür, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte.

Die einzelnen Charaktere sind unglaublich, sind dreidimensional angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Auch wenn der komplette Cast überzeugt, niemand hier nach unten abrutscht, gibt es doch noch einzelne Charaktere, die herausstechen. Neben Ems und Dirk brillieren vor allem Sarah, Pamela und Rick. Insbesondere Sarah würde ich noch ein persönliches Happy-End, vielleicht in einem weiteren Buch, wünschen.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist wunderschön und endlich einmal ein Musterbeispiel dafür, wie Chatnachrichten vernünftig in den Text integriert werden können. Der Buchumschlag ist auf dem Cover hochwertig geprägt, mit Klappen und farbigen Coverinnenseiten versehen. Das Titelmotiv ist zwar interessant, aber hier hätte noch mehr Potential bestanden, ich hätte mich über einen noch stärkeren Bezug zur Handlung, ein noch intensiveres Cover noch mehr gefreut.

Mein Fazit? „Zimmer gesucht, Liebe gefunden: Emmas Disaster-Diary“ ist ein brillanter Liebesroman, der vor allem durch seine unglaublich tollen Charaktere und seinen Humor glänzt – ein absolutes Jahreshighlight. Für Leser aller Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 14 Jahren.

[Buchgedanken] Christian Handel: „Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“

Vor kurzem habe ich „Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ von Christian Handel gelesen. Das Buch ist 2022 in der Piper Verlag GmbH erschienen und als phantastische Märchenadaption einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Drei Dinge muss Farah ihren Eltern versprechen: Iss nie etwas, das dir Feen anbieten. Verrate ihnen nicht deinen Namen. Und am wichtigsten: Lass dich unter keinen Umständen auf einen Handel mit dem Dunklen Volk ein. In diesem Sommer wird Farah jedes einzelne dieser Versprechen brechen.

„Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ ist eine phantastische Märchenadaption, eine Neuerzählung des bekannten Märchens „Rumpelstilzchen“. Dabei ist die Adaption durchaus düster gestaltet – und sicherlich nichts für kleine Kinder, sondern vielmehr für ältere Jugendliche. Gleichsam kann man das Buch auch der progressiven Phantastik zurechnen, spielen doch diverse und queere Charaktere eine zentrale Rolle in der Handlung.

Diese Handlung ist, obwohl aufgrund des Quellmaterials in Grundzügen bekannt, dennoch spannend und abwechslungsreich und durchaus in Teilen überraschend – allerdings wird sie auch gelegentlich durch die doch etwas zu aussagekräftigen Kapitelüberschriften gespoilert. Mögliche Abweichungen zum Quellmaterial halten sich im vertretbaren Rahmen.

Das Setting ist naturgemäß brillant. So entführt der Autor den Leser nach Firnland und in den Firnwald, in eine märchenhafte Welt voller Magie, Fabelwesen und bösen Schwiegermüttern. Dabei ist die Welt insgesamt düster aber atmosphärisch, geprägt von Standesdünkel, Steuererhöhungen und Furcht. Christian Handels Schreibstil ist hierbei leicht und flüssig zu lesen, lässt das Kopfkino sofort anspringen und die Welt so vor dem inneren Auge entstehen.

Die einzelnen Charaktere sind, im Wesentlichen, gelungen angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei glänzen vor allem wichtige Nebencharaktere wie Giulietta, Adil und – ein Fanliebling – der Waschbär, während Farah leider etwas blass bleibt, nicht nachvollziehbar und unlogisch handelt, und auch die Beziehung zu Magnus nicht in Gänze überzeugt.

Die Buchgestaltung ist solide. Dem Lektorat und Korrektorat sind zwar, gerade zu Beginn, doch einige Kleinigkeiten durchgerutscht, die den Lesefluss allerdings nicht erheblich hemmen. Der Buchsatz hingegen ist wunderschön, genau wie der auf Cover, Buchrücken und Coverrückseite leicht geprägte Buchumschlag, der ein tolles Gesamtbild ergibt, das sich auf dem farbigen Buchschnitt fortsetzt. Zudem ist das Buch mit leicht farbigen Coverinnenseiten und mit Illustrationen vor den einzelnen Buchabschnitten ausgestattet die jedoch dem Cover in Gänze entsprechen oder dies minimal variieren – hier hätte durchaus etwas mehr Variabilität für noch mehr visuelle Power gesorgt.

Mein Fazit? „Schattengold – Ach, wie gut, dass niemand weiß …“ ist eine tolle Märchenadaption, die vor allem durch das atmosphärisch-düstere Setting und tolle Nebencharaktere brilliert, aber auch kleinere Schwächen bei der Protagonistin und spoilernde Kapitelüberschriften vorzuweisen hat. Für Liebhaber des Genres dennoch bedenkenlos zu empfehlen, ab einem Lesealter von etwa 15 Jahren.

[Buchgedanken] Nils Mohl: „Henny & Ponger“

Vor kurzem habe ich „Henny & Ponger“ von Nils Mohl gelesen. Das Buch ist 2022 im Mixtvision Verlag veröffentlicht worden und als Jugendbuch einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Wie von einem anderen Stern knallt Henny in Pongers Leben. Sie treffen sich in der S-Bahn, lesen das gleiche Buch und machen einen Deal: Sie gibt sich ein paar Tage als seine Freundin aus und er soll ihr helfen, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren. Doch warum werden sie auf einmal von Leuten in Anzügen verfolgt, die eine Menge komische Fragen stellen? Nach und nach merkt Ponger, dass dies keine normale Lovestory ist. Werden sie es gemeinsam schaffen ?

„Henny & Ponger“ ist ein bunter Genremix, ist ein Jugendroman, ist Coming-of-Age mit Roadtrip-Elementen. Gleichzeitig sind aber auch Anklänge an Science-Fiction vorhanden – vor einem dystopischen Near-Future-Setting, das durchaus gesellschaftskritisch gegenwärtige Fragen aufgreift. Trotzdem bin ich aufgrund der jugendtypischen Themen, der Suche nach dem Platz in der Welt, bei der Eingruppierung als Jugendbuch verblieben.

Die Handlung ist dabei spannend, kurzweilig und abwechslungsreich. Nils Mohl gelingt es, den Leser an die Seiten zu fesseln, mit seinem pointierten, humorvollen und leicht zu lesendem Schreibstil das Kopfkino sofort anlaufen zu lassen. Allein die ungewöhnliche Bucheinteilung – mehr als 200 Kapitel ohne Seitenzahlen – sorgt anfangs durchaus für Irritationen und braucht etwas Eingewöhnungszeit. Zudem ist das Ende unerwartet und unbefriedigend offen – gerade im Jugendbuchbereich hätte ich mir hier etwas mehr Klarheit gewünscht.

Das Setting überzeugt auf ganzer Linie. Der Autor entführt den Leser dabei in eine Welt, in eine nahe, dystopisch Zukunft einer abgeschotteten Gesellschaft, die im krassen Gegensatz zu der Weite des Universums steht, die auf dem Cover schon angedeutet wird und im Roman eine große Rolle spielt. Gleichzeitig wird auch der Gegensatz zwischen der hektischen und anonymen Großstadt Hamburg zum Inselfeeling auf Amrum deutlich und gut herausgearbeitet.

Die einzelnen Charaktere sind vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Insgesamt kommt das Buch ja ohnehin mit nur wenigen Charakteren aus, hier brillieren Henny und Pörl, aber auch Stella und Ponger sind dreidimensional gestaltet und sorgen insgesamt für einen durchweg überzeugenden Cast.

Die Buchgestaltung ist gelungen, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist innovativ, aber auch gewöhnungsbedürftig aufgrund des Fehlens von Seitenzahlen. Das Cover ist farblich ansprechend, sieht toll aus und zieht sich, zumindest als Farbverlauf, über den kompletten Buchumschlag.

Mein Fazit? „Henny & Ponger“ ist ein im großen und ganzen überzeugender Jugendroman mit tollem Setting und teils brillanten Protagonisten, leider aber auch einem zu offenen Ende. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 14 Jahren.

[Buchgedanken] Elizabeth Macneal: „Zirkus der Wunder“

Vor kurzem habe ich „Zirkus der Wunder“ von Elizabeth Macneal gelesen. Das Buch ist 2022 im Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG erschienen, die Originalausgabe wurde 2021 unter dem Titel „Circus of Wonders“ bei Picador veröffentlicht. Das Buch ist als historischer Roman einzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Eva Bonné verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Südengland, 1866. Die junge Nell, von Muttermalen gezeichnet, wird von den anderen Dorfbewohnern gemieden – bis „Jasper Jupiters Zirkus der Wunder“ im Ort kampiert. Nells skrupelloser Vater wittert ein Geschäft und verkauft sie als „Leopardenmädchen“ an Jasper. Doch was als traumatische Erfahrung beginnt, scheint sich als Glücksfall zu erweisen: Erstmals findet Nell eine echte Heimat. Sie schließt Freundschaften, verliebt sich in den sensiblen Toby – und wird, als „achtes Weltwunder“ gefeiert, zum Star des Zirkus. Doch mit dem Ruhm stellen sich neue Probleme ein.

„Zirkus der Wunder“ ist ein historischer Roman, der den Leser ins neunzehnte Jahrhundert entführt, gleichzeitig aber große Aktualität besitzt, ist er doch ein Plädoyer für Toleranz, Diversität und gesellschaftliche Akzeptanz, zeigt er doch die Folgen von Diskriminierung – im Großen und im Kleinen – und bespricht Themen wie Kriegspropaganda und Traumata. Es ist daher der natürliche Nachfolger von „The Greatest Showman“, auf dessen Protagonist hier oftmals Bezug genommen wird, allerdings mit rein fiktiven Charakteren – und weniger glorifizierend pompös.

Denn die Handlung ist zwar spannend und kurzweilig, aber auch düster. Schonungslos beschreibt Elizabeth Macneal die teils unmenschlichen Zustände anhand einzelner Schicksale, die zwar fiktiv, aber sicherlich authentisch sind. Dabei ist der Roman ungemein atmosphärisch dicht, nimmt den Leser mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt, und zeigt seine Authentizität auch darin, dass er ein realistisches und kein verklärtes, kitschgeschwängertes Happy-End bietet.

Das Setting ist erwartbar brillant – bei einer Reise ins viktorianische England kann man hier aber wenig falsch machen – es hat sich als Setting für alle Arten von Romanen bewährt. Schön ist es jedoch, dass die Autorin den Leser hier mal in ein England abseits von London mitnimmt, zumindest teils in ärmliche, ländliche Dörfer führt, die einen krassen Gegensatz zur illustren Hauptstadt bilden. Aber auch die spätere Darstellung von London überzeugt, lediglich die Szene im Buckingham Palace irritiert leicht, dies kann aber auch an dem starken Einfluss liegen, den eine andere Palastbewohnerin auf die letzten Generationen ausgeübt hat.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig ausgearbeitet, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugen neben Nell vor allem Stella und Pearl, während Toby etwas blass bleibt. Der Schreibstil von Elizabeth Macneal ist dabei flüssig und gut lesbar, atmosphärisch dicht und sehr bildhaft.

Die Buchgestaltung ist solide, Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist unauffällig. Die farbliche Gestaltung des Schutzumschlags wird leider durch den Buchrücken unterbrochen, insgesamt ist die Gestaltung zudem relativ schlicht, auch wenn sich im Covermotiv immerhin einige Aspekte der Handlung widerspiegeln. Das Buch unterhalb des Umschlags ist gleichfalls schlicht, aber mit farbigen Coverinnenseiten versehen.

Mein Fazit? „Zirkus der Wunder“ ist ein wirklich bestechender historischer Roman mit nur minimalen Schwächen, der vor allem durch sein atmosphärisches Setting und die hohe Aktualität brilliert. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.