[Buchgedanken] Gina Schad: „Nach einem Traum“

Vor kurzem habe ich zudem „Nach einem Traum“ von Gina Schad gelesen. Das Buch ist 2023 im Goya Verlag in der JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH erschienen und als Gegenwartsliteratur einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Marie und Simon sind verliebt, aber Simon ist verheiratet. Im Internet finden sie einen Raum, in dem sie sich trotz allem näherkommen – und nicht voneinander lassen können. Als Marie bemerkt, dass sie sich im Kreis drehen, versucht sie, Abstand zu gewinnen. Doch es ist wie verhext: Jedes Mal, wenn sie gerade etwas Distanz zu Simon bekommt, läuft sie ihm zufällig über den Weg. Oder sind ihre Begegnungen gar nicht so zufällig?

„Nach einem Traum“ ist der Debütroman der Medienwissenschaftlerin Gina Schad, die auch bereits ein Sachbuch zum Thema „Digitale Verrohung?“ geschrieben hat. Passenderweise dreht sich daher auch der Roman um das Thema der Liebe in Zeiten von Social Media und allumfassender digitaler Kontrollmöglichkeiten. Dabei ist der Roman – trotz der zentralen Fixierung auf die Liebe – nicht als Liebesroman, sondern eher als Roman der Gegenwartsliteratur einzuordnen.

Die Handlung ist kurzweilig, allerdings auch nicht allzu ereignisreich, geht es doch vielmehr um Maries immer stärker werdende Obsession und ihren Realitätsverlust. Dabei schafft es die Autorin, Beklemmung beim Leser zu erzeugen, und ihn Maries Ohnmacht und Verzweiflung spüren zu lassen. Allerdings vermag das Ende hier nicht vollends zu überzeugen, bleibt es doch vage und ohne eine richtige Auflösung und lässt so den Leser teils unbefriedigt zurück. Gina Schads Schreibstil ist hingegen leicht und flüssig lesbar und lässt das Kopfkino durchaus anspringen.

Das Setting ist gelungen, aber auch austauschbar, liegt der Schwerpunkt doch eindeutig auf den Beziehungen und Nichtbeziehungen der Protagonisten untereinander. Dennoch sind Berlin und – für ein kurzes Intermezzo – Hamburg natürlich tolle Schauplätze, in denen das Leben nur so pulsiert. Zugleich nimmt die Autorin den Leser mit in die Welt einer klassischen Orchestermusikerin – auch kein so ganz alltäglicher Beruf in modernen Romanen und daher ebenfalls sehr interessant.

Aufgrund der Länge des Romans und der doch starken Konzentrierung auf Marie ist die Anzahl der handelnden Personen stark beschränkt – dennoch kann gerade Josie als Nebenfigur durchaus überzeugen, während Simons Handlungen bisweilen irrational und nicht nachvollziehbar bleiben. Und Marie … Marie ist so der Realität entschwunden, hat sich selbst in den teils toxischen Beziehungen so verloren, dass jede Identifikation mit ihr schlussendlich scheitert – aber dies aus gutem Grund.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben im Wesentlichen ordentlich gearbeitet, allerdings hätten die Chatverläufe durchaus innovativer gesetzt werden können. Auch hätte ich mich gefreut, wenn in Danksagung oder einem Nachwort gegebenenfalls Anlaufstellen oder Hilfestellungen für Betroffene von ähnlichen Problemen aufgelistet worden wären. Der Buchumschlag ist zudem – genau wie das darunterliegende Buch – relativ schlicht und eintönig. Zwar ist das Covermotiv verspielt und künstlerisch, mir fehlt jedoch etwas der Bezug zur Handlung.

Mein Fazit? „Nach einem Traum“ ist ein im Großen und Ganzen gelungener Debütroman, der vor allem durch seine spürbare Beklemmung und Authentizität punktet und wichtige Themen anspricht, zum Ende hin jedoch etwas abbaut. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.

[Buchgedanken] Thorsten Pilz: „Weite Sicht“

Vor kurzem habe ich „Weite Sicht“ von Thorsten Pilz gelesen. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen und als Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Vier Frauen, vier Leben. Charlotte, die nach dem Tod ihres Mannes in Frage stellt, woran sie so lange glaubte. Gesine, die Hilfe braucht und nicht weiß, wie sie darum bitten soll. Sabine, die einsam ist und sich nicht damit abfindet. Und die Dänin Bente, der Freigeist, die Unruhestifterin, die fürchtet, nicht mehr genug Zeit zu haben für das, was sie noch vorhat. Nach vielen Jahren taucht Bente plötzlich wieder in Hamburg auf und wirbelt Charlottes Leben durcheinander. Mit ihrem Humor, ihrer Begeisterung für die Schriftstellerin Karen Blixen und ihrer Abenteuerlust. Vier Frauen, vier Leben. Und doch ist das, was ihnen die Sicht auf Neues verstellt, nur mit vereinten Kräften zur Seite zu schieben.

„Weite Sicht“ ist der Debütroman von Thorsten Pilz – und ich habe mich bereits mit der Genrezuordnung schwer getan. So liegt keine klassische Familiensaga vor, aber definitiv ein Roman über Familie – echte und selbst gewählte. Gleichsam sind aber auch Aspekte eines Entwicklungs- und Schicksalsroman vorhanden – und auch durchaus Argumente für die Klassifizierung als Gegenwartsliteratur. Aufgrund der jedoch wirklich starken Zentrierung um das Thema „Familie“ habe ich es schlussendlich bei der Eingruppierung als Familiensaga gelassen.

Die Handlung ist eher sekundär, passiert doch – etwas zugespitzt gesagt – fast gar nichts, wird die Geschichte doch vielmehr durch die Beziehungen untereinander und durch jeweils intrinsische Motive der Charaktere vorangetrieben als durch externe Handlungselemente. Dies ist in der Schlichtheit und Klarheit auch vollkommen okay – ich hätte mir lediglich gewünscht, dass die rar eingestreuten Handlungselemente etwas intensiver behandelt worden wären. Toll jedoch, dass die Handlung zeigt, dass auch im Alter von über 70 neue Liebe, neue Lebensabschnitte und drastische Veränderungen möglich sind.

Das Setting ist gelungen. So entführt der Autor den Leser nach Hamburg in die High Society zwischen Reederfamilie und Kulturstiftung, und in einen Vorort von Kopenhagen am Oresund – malerischer Sandstrand inklusive. Dabei zeigt Thorsten Pilz vor allem die stillen Seiten der Orte, die Alster am frühen Morgen, das Geburtshaus von Karen Blixen – oder auch den Berliner Teufelsberg. Eine bewusste Ruhe und Entschleunigung, die sicher auch dem Alter der Protagonistinnen geschuldet ist.

Die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Hierbei überzeugt vor allem die dänische Wahlverwandtschaft mit Bente, Mogens und Troels, während Sabine nicht zwingend nachvollziehbar handelt. Der Schreibstil von Thorsten Pilz ist dabei leicht und flüssig lesbar, lässt das Kopfkino sofort anlaufen.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist ordentlich, auch wenn die Überschrift der Kapitel mit fortlaufender Handlungsdauer unnötig erscheint. Der Buchumschlag ist mit Klappen ausgestaltet, das Titelbild zieht sich gut über den kompletten Umschlag und sorgt für einen tollen Gesamteindruck, auch wenn der Bezug zur Handlung etwas fehlt.

Mein Fazit? „Weite Sicht“ ist ein im Großen und Ganzen, vor allem sprachlich, überzeugendes Debüt mit tollem Setting und interessanten Charakteren und nur kleineren Schwächen in der Handlung. Bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 16 Jahren – vielleicht auch ein, zwei Jahre früher.

[Buchgedanken] Sarah Goodwin: „Stranded – Die Insel“

Vor kurzem habe ich „Stranded – Die Insel“ von Sarah Goodwin gelesen. Das Buch ist 2023 bei Lübbe in der Bastei Lübbe AG erschienen, die Originalausgabe wurde 2021 unter dem Titel „Stranded“ bei AVON, HarperCollins Publishers Ltd. veröffentlicht. Das Buch ist als Thriller einzuordnen, für die Übersetzung zeichnet Dr. Holger Hanowell verantwortlich. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Für Maddy wird ein Traum wahr: Sie nimmt an einem neuartigen Fernsehexperiment teil, in dem acht Fremde auf einer einsamen schottischen Insel überleben müssen, ein Jahr lang, mit nur minimaler Ausrüstung und ohne Kontakt zur Außenwelt. 18 Monate später ist Maddys Traum zum Albtraum geworden. Die Behörden greifen die junge Frau in einem Fischerdorf auf dem Festland auf. Verzweifelt berichtet sie, wie das Boot, das die Teilnehmer nach einem Jahr abholen sollte, nicht kam. Und davon, wie in den folgenden Wochen einer nach dem anderen starb, nicht durch Hunger oder Krankheit, sondern durch menschliche Hand. Doch was verschweigt Maddy? Und wie schaffte sie es, die Insel lebend zu verlassen?

„Stranded – Die Insel“ ist der Debütroman von Sarah Goodwin – und was für einer! Als Thriller eingeordnet, könnte man ihn auch den Untergruppen „Psychothriller“ oder „Survivalthriller“ zuordnen. Gleichsam ist das Buch auch durch den von der Außenwelt abgeschnittenen, kleinen Handlungsraum und den damit verbundenen kleinen Kreis an Protagonisten ein Kammerspiel par excellence, das sich in ungeahnte Eskalationsspiralen steigert. Dabei ist der Schreibstil der Autorin zu jeder Zeit schnell und flüssig lesbar und lässt das – brutale – Kopfkino sofort anspringen.

Die Handlung ist kurzweilig, abwechslungsreich, eskapistisch und mit vielen unerwarteten Wendungen versehen. Wenn auch nicht immer logisch, entwickelt sie doch einen unglaublichen Sog, der nur dadurch abgemildert wird, dass die verschiedenen Zeitebenen, in denen das Buch spielt, einige Ergebnisse bereits vorwegnehmen. Dabei greift Sarah Goodwin auf die archaischen Triebfedern der Menschen zurück, um die Handlung voranzubringen: Hunger, Kälte – und den nackten Kampf ums Überleben.

Das Setting ist für den Roman perfekt gewählt. Eine abgeschiedene Insel vor Schottlands Küste, nicht weit, aber weit genug weg von der Zivilisation. Ein gar nicht undenkbares Reality-TV-Format. Und eine diverse Gruppe, die auf Sprengstoff angelegt ist – Sarah Goodwin schafft ein Setting, das plausibel (genug) erscheint, um dem Leser mit Erschrecken auf vieles hinzuweisen, was in der heutigen Gesellschaft schief läuft – und ihm den ein oder anderen Schauer über den Rücken laufen zu lassen.

Die einzelnen Figuren sind zumindest in der Breite vielschichtig angelegt – auch wenn man dank der Erzählperspektive (die hier auch für die Beklemmung sorgt) nur Maddy wirklich im Detail kennen lernt. Dennoch überzeugt auch der „Nebencast“ – allen voran Zoe, während lediglich Frank etwas blass bleibt – hier hätte man aus seiner Figur mehr rausholen können. Gern hätte ich auch mehr über Sashas und Adrians Erlebnisse erfahren, aber dafür hätte ja eine gänzlich neue Perspektive, fernab der Insel, eröffnet werden müssen.

Zur Buchgestaltung kann wenig gesagt werden, da mir ein Leseexemplar vorliegt, das mit der finalen Ausgestaltung nur bedingt übereinstimmt. Festgehalten werden kann jedoch zumindest, dass Lektorat, Korrektorat und Buchsatz sauber gearbeitet haben und das Covermotiv sehr atmosphärisch, allerdings auch etwas beliebig daherkommt. Mit der angekündigten Prägung und dem Farbschnitt sollte das Buch zudem einen hochwertigen Eindruck erzeugen – dies kann aber, wie gesagt, nicht abschließend beurteilt werden.

Mein Fazit? „Stranded – Die Insel“ ist ein wahrer Pageturner, ein toller, atmosphärisch und psychologisch starker Debütroman und Thriller. Für Liebhaber des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

Doppelte Vormesse-Buchpost von Lovelybooks

Am heutigen Sonntag möchte ich Euch zwei Bücher zeigen, die mich bereits vor der Messe als Rezensionsexemplare im Rahmen von Leserunden auf Lovelybooks.de erreicht haben – vielen Dank dafür <3. „Nach einem Traum“ ist dabei der Debütroman von Gina Schad aus dem Goya Verlag und entführt den Leser in das Spannungsfeld des Verliebens im digitalen Raum, während „Meine Reise mit den Meeresschildkröten“ von Christine Figgener (Malik Verlag in der Piper Verlag GmbH) den Leser mit auf eine Reise in das Leben der faszinierenden Tiere nimmt – tolle Fotos inklusive. Ich bin schon ganz gespannt auf die beiden Bücher, die jeweils brennende Themen der heutigen Zeit ansprechen.

Worüber würdet Ihr gern einmal ein Buch lesen?

[LBM2023] Tag 2 – Von Geistern, Giften und Gameshows

Gestern stand schon der zweite Tag der Leipziger Buchmesse an – und war wie üblich viel zu schnell vorbei. Dabei war der Tag mit Highlights und tollen Veranstaltungen gefüllt, unter anderem mit: Marah Woolf, Julia Dippel, Ben Aaronovitch, Anne Lück, Stella Tack, Lea Korte, Franzi Kopka, Uve Teschner und Anabelle Stehl.

Der Tag begann dabei für mich gemütlich mit einer Lesung und Buchvorstellung von Marah Woolf und Julia Dippel am Gemeinschaftsstand „Studium rund ums Buch“. Leider fast zu gemütlich, denn die spannende und interessante Veranstaltung sprengte etwas den vorgesehenen Zeitplan, sodass ich direkt die Folgeveranstaltung streichen musste. Nichtsdestotrotz immer wieder toll, von Marah und Julia in phantastische Welten entführt zu werden.

Mittags stand dann ein internationaler Headliner auf dem Plan. Ben Aaronovitch präsentierte im Gespräch mit dem Hörbuchsprecher und Schauspieler Uve Teschner den neuesten Kurzroman: „Die schlafenden Geister des Lake Superior“ und stand im Anschluss sogar für Fotos und Signaturen zur Verfügung, was ich mir natürlich nicht entgehen und mir die ersten beiden Bände der Peter-Grant-Reihe signieren ließ.

Auch der frühe Nachmittag stand dabei (wie fast der ganze Tag) ganz im Zeichen der Phantastik. So besuchte ich zuerst eine von Anabelle Stehl moderierte Lesung aus „Silver & Poison: Das Elixier der Lügen“ von Anne Lück und kaufte mir im Anschluss das Buch (das erste bislang auf der Messe!), um es mir von Anne, die ich ja bereits in Frankfurt kennenlernen durfte, signieren zu lassen. Zwischendurch schaute ich auch bei Stella Tack vorbei, um mir „Black Bird Academy – Töte die Dunkelheit“ signieren zu lassen – ein Fixtermin auf jeder Messe, da Stellas Bücher ungesehen bei mir einziehen dürfen – ich liebe Ivy aus „Kiss me once“ einfach zu sehr <3.

Zum Tagesabschluss besuchte ich zuerst Lea Korte an ihrem Stand der Romanschmiede, um mir „Morgen werden wir glücklich sein“ signieren zu lassen, bevor ich den Freitag gemütlich bei einer hochspannenden Lesung von Franzi Kopka aus ihrem Debüt „Gameshow – Der Preis der Gier“, dem Auftakt ihrer dystopischen Dilogie, ausklingen ließ.

Der heutige Messetag hält dabei als absolutes Highlight endlich mal wieder einen Besuch bei Mona Kasten bereit, also bei der Autorin, die meine Liebe zum Genre New Adult überhaupt erst geweckt hat <3. Doch dazu dann später oder morgen mehr. Jetzt habe ich erstmal noch die Fotos der gestrigen Signierstunden für Euch :).

[Buchgedanken] Caroline Schmitt: „Liebewesen“

Vor kurzem habe ich das Debüt „Liebewesen“ von Caroline Schmitt gelesen. Das Buch ist 2023 im Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG veröffentlicht worden und dem Genre Liebesroman zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Lios Körper ist ihr Albtraum, daran ändert auch ihr Freund Max nichts. Als sie ungeplant schwanger wird, starrt sie nicht nur fassungslos auf den positiven Test, weil jemand wie sie doch gar nicht schwanger werden kann, sondern auch auf das Ende einer mühsam erarbeiteten Normalität. Sie ist unfähig, Max von der Schwangerschaft zu erzählen, und genauso unfähig, diese zu beenden. Während das Kind in Lios Bauch wächst, prasseln Erinnerungen auf sie ein: an ihre kalte Mutter, ihren hilflosen Vater und an all das andere, das sie für immer vergessen wollte. Zum ersten Mal stellt sie sich ihrer Vergangenheit – und riskiert damit, dass alles zusammenbricht.

„Liebewesen“ ist der Debütroman der Journalistin Caroline Schmitt – und was für einer. Dabei lässt er sich bereits nur schwerlich einem Genre zuordnen. Als Modernisierung fürs Liebesroman-Genre beworben, lässt er sich zwar unzweifelhaft dort einordnen, changiert aber auch zwischen Entwicklungs- und Schicksalsroman, ist Gegenwartsliteratur und ließe sich sogar im Bereich LGBTQIA+ einordnen – ein bunter Genremix also.

Die Handlung ist zentriert auf die Liebesgeschichte – bzw. die Beziehung – zwischen Max und Lio und wird aus der Ich-Perspektive von Lio erzählt, was es dem Leser ermöglicht, mit ihr im Speziellen mitzufiebern, zu weinen, zu lachen und zu leiden. Dabei verliert die Geschichte – trotz der schweren Themen – nie ihren Humor, der den Roman prägt und viel zum – sprachlichen – Erfolg des Debüts beiträgt. So unglaublich stark sie anfängt, baut sie allerdings auch leicht in der zweiten Hälfte ab – und gerade das Ende vermag hier nicht zu überzeugen.

Das Setting ist so austauschbar wie das Leben, belanglos – und daher gerade gut und realistisch. Eine chaotische WG, eine Wohnung mit Goethe-Gesamtausgabe – und ein Palettenbett in der gemeinsamen Wohnung. Caroline Schmitt führt den Leser in den banalen Alltag zwischen Bootstouren nach Frankreich und Jahrgangspartys im Garten der Mutter – schonungslos und ehrlich zeigt sie die Klischees von ihrer wahren Seite: weder romantisch verklärt, noch glamourös leuchtend.

Dies schlägt sich auch in den Figuren durch, die perfekt unperfekt sind – vom depressiven Radiomoderator bis hin zur – nicht näher definierten – asexuellen Biologin, die schwanger wird. Die Autorin schafft hier Figuren, die nachvollziehbar sind, die auch problemlos im Nachbarhaus leben könnten. Dabei ist ihr Schreibstil gut und flüssig lesbar, pointiert und prägnant – lediglich am Ende verlieren sich Autorin und Geschichte etwas.

Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist konservativ, aber fehlerfrei – auch wenn man auf die den späteren Kapiteln vorgestellten Erklärungen zu den einzelnen Schwangerschaftswochen hätte verzichten können. Der Buchumschlag ist einfach, die Coverrückseite überladen, das Buch unter dem Umschlag immerhin mit farbigen, allerdings eintönigen Coverinnenseiten versehen. Das Covermotiv ist experimentell und gewöhnungsbedürftig – schon ein Eyecatcher, allerdings ein fragwürdiger, fehlt mir doch jeder Sinn hinter dem Motiv.

Mein Fazit? „Liebewesen“ ist ein spannendes Debüt, das vor allem dank der pointierten Sprache, dem Humor und seiner schonungslosem Realismus punktet, aber auch kleinere Schwächen gerade am Ende hat. Für Leser von Gegenwartsliteratur bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.

Von aufregenden Debüts und spannenden Fortsetzungen | Doppelte Buchpost

Vor kurzem erreichten mich auch diese beiden Bücher. „Liebewesen“, der Debütroman von Caroline Schmitt aus dem Eichborn Verlag, kam dabei als Rezensionsexemplar über die Bloggerjury von Bastei Lübbe zu mir, während mich „Die Kunst, unter Wasser zu leben“ von Olli Jalonen aus dem Mare Verlag etwas unerwartet, unaufgefordert, aber definitiv nicht unerwünscht erreichte, habe ich doch den Vorgänger „Die Himmelskugel“ mit Interesse gelesen. Und auch „Liebewesen“ weckt Erwartungen, liegt ihm neben den üblichen Presseinformationen doch ein Schreiben aus dem Lektorat bei, das den Roman in den Himmel lobt. Ich bin also gespannt!

Welche Fortsetzung habt Ihr zuletzt gelesen?

[Buchgedanken] Sara Erb: „Chelsea Stern: Lichtmagie“ (Chelsea Stern 1)

In der letzten Zeit habe ich „Chelsea Stern: Lichtmagie“ von Sara Erb gelesen. Das Buch ist 2021 in der adakia Verlag UG erschienen und der Auftakt zu einer phantastischen Trilogie der Debütautorin. Vielen Dank an dieser Stelle auch an Verlag und Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de

Als Chelsea durch Gedankenkraft in Italien landet, stößt sie nicht nur auf ihr eigenes Geheimnis, sondern auch auf verborgene Geschehnisse in ihrer Familie. Dass sie in ihrem Universitätskurs Rick kennenlernt, der sie sofort in seinen Bann zieht, ist kein Zufall. Mit dem mysteriösen Mann an ihrer Seite lernt Chelsea eine neue Welt voller Magie kennen, die sie einerseits fasziniert, andererseits jedoch einen großen Tribut fordert: die Liebe. Während sie versucht, das Verlangen zu Rick zurückzuhalten und ihre Gabe zu beherrschen, lauern ihr immer wieder Männer in schwarzen Mänteln auf, die mehr über sie zu wissen schienen als sie selbst. Gerade, als sich das Puzzle aus Geheimnissen zusammenfügt, nimmt die Geschichte für Chelsea eine schreckliche Wendung. Dabei offenbaren sich ihr weitaus diabolischere Pläne: Sie erkennt, dass die Kugel eines Gewehrs weniger tödlich ist als ein Virus.

„Chelsea Stern: Lichtmagie“ ist ein vielversprechender Auftakt in eine phantastische Trilogie – auch wenn mir die Genrezuordnung doch etwas schwerer fällt, als dem Verlag, der das ganze als „Urban Fantasy“ bewirbt. Natürlich hat das Buch ein urbanes Setting, die Bezeichnung ist daher nicht falsch. Aufgrund der doch sehr zentralen Liebesgeschichte, der expliziten Sexszene in Verbindung mit dem Alter der Protagonisten, die sich zudem im universitären Setting kennenlernen, komme ich doch relativ deutlich zu einer Einordnung als (New Adult-) Romantasy.

Die Handlung ist im Wesentlichen spannend – auch wenn der Einstieg etwas geruhsam voranschreitet. Teils ist die Handlung vorhersehbar, teils gelingt es der Autorin aber auch, unerwartete Wendungen einzubauen. Kleinere Logiklücken, ein offenes Ende und fehlende, innere Konflikte sorgen dafür, dass das Potential der Geschichte nicht vollends ausgeschöpft wird. So fehlt mir einerseits der Konflikt in der sehr harmonischen Liebesbeziehung, andererseits ist Chelseas Beherrschung und Akzeptanz der Gabe viel zu einfach; hadern, sich fremd fühlen, Fehlschläge fehlen ganz.

Das Setting hingegen überzeugt auf ganzer Linie. So entführt Sara Erb den Leser in ein London zwischen Pubs und Flagship Stores, zwischen Vorstadtidylle und unterirdischen Welten, lässt den Leser durch die Augen von Rick und Chelsea die Welt erkunden. Dabei sind die beiden Ich-Perspektiven der Protagonisten gut gewählt, die Wechsel lediglich etwas zu häufig auch innerhalb der Kapitel. Der Schreibstil der Autorin lässt sich flüssig und leicht lesen, teils wirkt er etwas zu belehrend/predigend.

Die einzelnen Charaktere sind vielschichtig angelegt, einigen fehlen allerdings Schwächen. Am besten gefallen mir hier noch Emma und Rick. Gerade Joe bleibt als Antagonist noch etwas blass, ich hoffe, in den Folgebänden wird auch seine Zerrissenheit, die Chelsea spürt, noch stärker deutlich.

Die Buchgestaltung ist durchwachsen. Während der Buchumschlag mit einem wunderschönen Cover, hochwertiger Prägung und farbigen Coverinnenseiten (Marie Graßhoff – muss man mehr sagen?) punkten kann, und auch der Satz überzeugt, haben Lektorat und Korrektorat doch einiges durchrutschen lassen – inklusive mehrfach vergessener Namensänderungen bei Chelseas Mutter (was nicht passieren darf).

Mein Fazit: „Chelsea Stern: Lichtmagie“ ist ein vielversprechender Auftakt in eine Fantasytrilogie, der vor allem mit einem grandiosen Setting überzeugt, aber noch Schwächen in der Handlung und Buchgestaltung aufweist und dank einem offenen Ende viele Fragen für die Folgebände aufwirft. Eher nicht als Standalone lesbar, für Liebhaber des Genres dennoch bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von 16 Jahren.

[Buchgedanken] Ralph Knobelsdorf: „Des Kummers Nacht: Von der Heydens erster Fall“ (Heyden 1)

Bevor ich Euch in der nächsten Woche meine Messeausbeute zeige, möchte ich noch einige Rezensionen präsentieren. Den Anfang macht dabei „Des Kummers Nacht: Von der Heydens erster Fall“ von Ralph Knobelsdorf, das ich während der FBM gelesen habe und das 2021 im Lübbe Verlag, Bastei Lübbe AG erschienen ist. Das Buch ist als historischer Kriminalroman einzuordnen – vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Berlin, 1855: Wilhelm von der Heyden steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums, als er Zeuge einer Explosion wird. Die Fenster der gegenüberliegenden Wohnung sind zerstört, eine Frau hängt leblos im Zaun. Um ihr zu helfen, eilt er an den Unglücksort – und gerät selbst in Verdacht. Der Wachtmeister hat sein Urteil schon gefällt, der Chef der Kriminalpolizei ist jedoch von Wilhelms Beobachtungsgabe begeistert und stellt ihn ein. Talentierte neue Mitarbeiter werden in der noch jungen preußischen Ermittlungsbehörde dringend benötigt. Doch Fingerspitzengefühl ist gefragt, denn bald schon führen die Ermittlungen Wilhelm und seine Kollegen in die höchsten Kreise …

„Des Kummers Nacht“ ist ein bemerkenswerter Auftakt in eine hoffentlich mehrbändige Reihe um die Berliner Kriminalpolizei Mitte des 19. Jahrhunderts, der gekonnt Fakt und Fiktion vermischt und den Leser auf eine spannende Reise mitnimmt, die dafür sorgt, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Dabei brilliert der Roman zum einen durch sein tolles Setting, das den Leser ins historische Berlin entführt und besonderen Wert auf Authentizität legt, wobei Abweichungen zur Historie im Nachwort des Autors angesprochen und erklärt werden, zum anderen durch eine überwiegend sehr gut Lesbarkeit, die – mit ein, zwei Ausnahmen – auf allzu fachliche und unendliche Ausführungen verzichtet.

Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich und wartet immer mal wieder auch mit unerwarteten Wendungen auf. Leider werden nicht alle relevanten Handlungsstränge aufgelöst – und das Ende kommt mir auch etwas plötzlich und unspektakulär daher, hier hätte durchaus der ein oder andere Twist, die ein oder andere Spannungsspitze noch für einen runderen Abschluss sorgen können.

Die einzelnen Charaktere sind im wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Dabei überzeugen neben Wilhelm insbesondere Anna und Vorweg, während Johann etwas blass bleibt. Insgesamt bleibt noch einiges auch hinsichtlich der Charaktere im Dunklen, sodass ich mir Vorgeschichten wünschen würde, gern auch des Opfers.

Die Buchgestaltung übrzeugt im großen und ganzen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben größtenteils sauber gearbeitet, wenn auch kleinere Fehler durchgerutscht sind – und ein größerer, wenn auf den wunderschön-farbigen Coverinnenseiten die Geburtsjahre der Geschwister mit 1835 (Wilhelm), 1833 (Max), 1838 (Anna) und 1812? (Ernst) angegeben werden, was unter Berücksichtigung der Geburt der Mutter 1799 unwahrscheinlich erscheint – oder zumindest weiterer Erklärung bedarf (frühere Frau?). Das Cover ist unscheinbar, aber detailverliebt und hochwrtig geprägt, der Buchschnitt farbig.

Mein Fazit? „Des Kummers Nacht: Von der Heydens erster Fall“ ist ein gutes Debüt für eine hoffentlich fortgesetzte historische Krimireihe, das vor allem mit einem tollen Setting und interessanten Charakteren punktet, aber noch kleinere Schwächen in der Handlung aufweist, die Folgebände aber korrigieren können. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 16 Jahren, für historisch-interessierte vielleicht auch knapp früher.

[Buchgedanken] Emma Stonex: „Die Leuchtturmwärter“

In den letzten Tagen habe ich „Die Leuchtturmwärter“ von Emma Stonex gelesen. Der Debütroman der Autorin erscheint am 25.08.2021 in der S. Fischer Verlag GmbH, die Originalausgabe wurde 2021 unter dem Titel „The Lamplighters“ bei Picador, einem Imprint von Pan Macmillan veröffentlicht. Das Buch ist als Gegenwartsliteratur anzusehen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die S. Fischer Verlage für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.

In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.

„Die Leuchtturmwärter“ ist ein sehr ambitionierter Debütroman, der im großen und ganzen überzeugt, sich teils aber etwas übernimmt. So fällt bereits die Genrezuordnung schwer. vereint die Geschichte doch mystische, historische und schicksalshafte Elemente mit Thrillerkomponenten, sodass ich es der Einfachheit selber – auch aufgrund des literarischen Anspruchs – als Gegenwartsliteratur eingruppiert habe.

Der Roman brilliert dabei vor allem durch sein unglaublich atmosphärisches Setting. So werden die Naturgewalt des Meeres, die Diskrepanz der Einsamkeit und Gemeinschaft auf dem Leuchtturm und das Leben in den Cottages an der Küste gut beschrieben, sodass man sich als Leser gut nach Cornwall träumen kann. Dahingegen bietet die Handlung jedoch einige Schwächen, verschwimmen die Grenzen zwischen Realem und Irrealem doch, werden mystische Effekte nicht aufgeklärt – und der Leser mit einem etwas kitschbehafteten und wenig nachvollziehbaren Ende überrascht.

Die einzelnen Charaktere bekommen dabei jeweils genug Kapitel, um sich als Leser ein gutes Bild von den Personen zu machen, wenn auch die Identifizierung mit den Protagonisten dem Leser sicherlich in aller Regel schwerfällt – am stärksten überzeugen hier noch Arthur und Michelle. Der Schreibstil von Emma Stonex ist – wie bereits erwähnt – ambitionirt, aber teils zu gewollt literarisch. So gelingt es ihr zwar, die Rauheit des Meeres gut einzufangen, interessante Psychogramme der Charaktere zu präsentieren und die Handlung voranzutreiben, gleichsam irritieren aber vor allem die Gespräche der Frauen mit dem Autor Dan Sharp, bei denen Emma Stonex gänzlich auf Dialoge verzichtet, was zulasten der Lesbarkeit geht, und vor allem dessen Sinn sich nicht erschließt.

Die Buchgestaltung ist im Wesentlichen gelungen, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Cover ist farblich stark, aber doch etwas unauffällig, wartet dafür aber mit einem auch unter dem Schutzumschlag schönen Buch mit illustrierten Coverinnenseiten auf.

Mein Fazit? „Die Leuchtturmwärter“ ist ein solider Debütroman, der durch ein brillantes Setting punktet, aber auch Schwächen in der Handlung aufweist und teils zu ambitioniert ist – auch sprachlich. Für Liebhaber literarischer Werke dennoch bedenkenlos zu empfehlen.