Bevor ich Euch in der nächsten Woche meine Messeausbeute zeige, möchte ich noch einige Rezensionen präsentieren. Den Anfang macht dabei „Des Kummers Nacht: Von der Heydens erster Fall“ von Ralph Knobelsdorf, das ich während der FBM gelesen habe und das 2021 im Lübbe Verlag, Bastei Lübbe AG erschienen ist. Das Buch ist als historischer Kriminalroman einzuordnen – vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.
Berlin, 1855: Wilhelm von der Heyden steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums, als er Zeuge einer Explosion wird. Die Fenster der gegenüberliegenden Wohnung sind zerstört, eine Frau hängt leblos im Zaun. Um ihr zu helfen, eilt er an den Unglücksort – und gerät selbst in Verdacht. Der Wachtmeister hat sein Urteil schon gefällt, der Chef der Kriminalpolizei ist jedoch von Wilhelms Beobachtungsgabe begeistert und stellt ihn ein. Talentierte neue Mitarbeiter werden in der noch jungen preußischen Ermittlungsbehörde dringend benötigt. Doch Fingerspitzengefühl ist gefragt, denn bald schon führen die Ermittlungen Wilhelm und seine Kollegen in die höchsten Kreise …
„Des Kummers Nacht“ ist ein bemerkenswerter Auftakt in eine hoffentlich mehrbändige Reihe um die Berliner Kriminalpolizei Mitte des 19. Jahrhunderts, der gekonnt Fakt und Fiktion vermischt und den Leser auf eine spannende Reise mitnimmt, die dafür sorgt, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Dabei brilliert der Roman zum einen durch sein tolles Setting, das den Leser ins historische Berlin entführt und besonderen Wert auf Authentizität legt, wobei Abweichungen zur Historie im Nachwort des Autors angesprochen und erklärt werden, zum anderen durch eine überwiegend sehr gut Lesbarkeit, die – mit ein, zwei Ausnahmen – auf allzu fachliche und unendliche Ausführungen verzichtet.
Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich und wartet immer mal wieder auch mit unerwarteten Wendungen auf. Leider werden nicht alle relevanten Handlungsstränge aufgelöst – und das Ende kommt mir auch etwas plötzlich und unspektakulär daher, hier hätte durchaus der ein oder andere Twist, die ein oder andere Spannungsspitze noch für einen runderen Abschluss sorgen können.
Die einzelnen Charaktere sind im wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Dabei überzeugen neben Wilhelm insbesondere Anna und Vorweg, während Johann etwas blass bleibt. Insgesamt bleibt noch einiges auch hinsichtlich der Charaktere im Dunklen, sodass ich mir Vorgeschichten wünschen würde, gern auch des Opfers.
Die Buchgestaltung übrzeugt im großen und ganzen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben größtenteils sauber gearbeitet, wenn auch kleinere Fehler durchgerutscht sind – und ein größerer, wenn auf den wunderschön-farbigen Coverinnenseiten die Geburtsjahre der Geschwister mit 1835 (Wilhelm), 1833 (Max), 1838 (Anna) und 1812? (Ernst) angegeben werden, was unter Berücksichtigung der Geburt der Mutter 1799 unwahrscheinlich erscheint – oder zumindest weiterer Erklärung bedarf (frühere Frau?). Das Cover ist unscheinbar, aber detailverliebt und hochwrtig geprägt, der Buchschnitt farbig.
Mein Fazit? „Des Kummers Nacht: Von der Heydens erster Fall“ ist ein gutes Debüt für eine hoffentlich fortgesetzte historische Krimireihe, das vor allem mit einem tollen Setting und interessanten Charakteren punktet, aber noch kleinere Schwächen in der Handlung aufweist, die Folgebände aber korrigieren können. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 16 Jahren, für historisch-interessierte vielleicht auch knapp früher.
Ein Gedanke zu “[Buchgedanken] Ralph Knobelsdorf: „Des Kummers Nacht: Von der Heydens erster Fall“ (Heyden 1)”