Vor kurzem habe ich zudem „Nach einem Traum“ von Gina Schad gelesen. Das Buch ist 2023 im Goya Verlag in der JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH erschienen und als Gegenwartsliteratur einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Marie und Simon sind verliebt, aber Simon ist verheiratet. Im Internet finden sie einen Raum, in dem sie sich trotz allem näherkommen – und nicht voneinander lassen können. Als Marie bemerkt, dass sie sich im Kreis drehen, versucht sie, Abstand zu gewinnen. Doch es ist wie verhext: Jedes Mal, wenn sie gerade etwas Distanz zu Simon bekommt, läuft sie ihm zufällig über den Weg. Oder sind ihre Begegnungen gar nicht so zufällig?
„Nach einem Traum“ ist der Debütroman der Medienwissenschaftlerin Gina Schad, die auch bereits ein Sachbuch zum Thema „Digitale Verrohung?“ geschrieben hat. Passenderweise dreht sich daher auch der Roman um das Thema der Liebe in Zeiten von Social Media und allumfassender digitaler Kontrollmöglichkeiten. Dabei ist der Roman – trotz der zentralen Fixierung auf die Liebe – nicht als Liebesroman, sondern eher als Roman der Gegenwartsliteratur einzuordnen.
Die Handlung ist kurzweilig, allerdings auch nicht allzu ereignisreich, geht es doch vielmehr um Maries immer stärker werdende Obsession und ihren Realitätsverlust. Dabei schafft es die Autorin, Beklemmung beim Leser zu erzeugen, und ihn Maries Ohnmacht und Verzweiflung spüren zu lassen. Allerdings vermag das Ende hier nicht vollends zu überzeugen, bleibt es doch vage und ohne eine richtige Auflösung und lässt so den Leser teils unbefriedigt zurück. Gina Schads Schreibstil ist hingegen leicht und flüssig lesbar und lässt das Kopfkino durchaus anspringen.
Das Setting ist gelungen, aber auch austauschbar, liegt der Schwerpunkt doch eindeutig auf den Beziehungen und Nichtbeziehungen der Protagonisten untereinander. Dennoch sind Berlin und – für ein kurzes Intermezzo – Hamburg natürlich tolle Schauplätze, in denen das Leben nur so pulsiert. Zugleich nimmt die Autorin den Leser mit in die Welt einer klassischen Orchestermusikerin – auch kein so ganz alltäglicher Beruf in modernen Romanen und daher ebenfalls sehr interessant.
Aufgrund der Länge des Romans und der doch starken Konzentrierung auf Marie ist die Anzahl der handelnden Personen stark beschränkt – dennoch kann gerade Josie als Nebenfigur durchaus überzeugen, während Simons Handlungen bisweilen irrational und nicht nachvollziehbar bleiben. Und Marie … Marie ist so der Realität entschwunden, hat sich selbst in den teils toxischen Beziehungen so verloren, dass jede Identifikation mit ihr schlussendlich scheitert – aber dies aus gutem Grund.
Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben im Wesentlichen ordentlich gearbeitet, allerdings hätten die Chatverläufe durchaus innovativer gesetzt werden können. Auch hätte ich mich gefreut, wenn in Danksagung oder einem Nachwort gegebenenfalls Anlaufstellen oder Hilfestellungen für Betroffene von ähnlichen Problemen aufgelistet worden wären. Der Buchumschlag ist zudem – genau wie das darunterliegende Buch – relativ schlicht und eintönig. Zwar ist das Covermotiv verspielt und künstlerisch, mir fehlt jedoch etwas der Bezug zur Handlung.
Mein Fazit? „Nach einem Traum“ ist ein im Großen und Ganzen gelungener Debütroman, der vor allem durch seine spürbare Beklemmung und Authentizität punktet und wichtige Themen anspricht, zum Ende hin jedoch etwas abbaut. Für Leser des Genres bedenkenlos zu empfehlen – ab einem Lesealter von etwa 16 Jahren.