Vor einiger Zeit habe ich „Schmalz und Rebellion: Der deutsche Pop und seine Sprache“ von Jens Balzer gelesen. Das Buch ist 2022 im Duden Verlag erschienen und als Sachbuch einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Die deutsche Popmusik hatte immer ein spannungsreiches Verhältnis zur Sprache ihrer Heimat. Die ersten Rockbands sangen natürlich auf Englisch, als Rebellion gegen die spießigen Eltern. Politische Liedermacher entdeckten später die regionalen Mundarten für sich. In der Neuen Deutschen Welle wurde das Spiel mit der Sprache ironisch und kunstvoll. Und im Hip-Hop der Gegenwart zeigt sich, wie divers, vielstimmig und auch widersprüchlich die Gesellschaft geworden ist.
„Schmalz und Rebellion: Der deutsche Pop und seine Sprache“ ist – wie es das Cover auch schon verkündet – ein Streifzug durch die Musikgeschichte Deutschlands „Von den 50er-Jahren bis heute“. Dabei bezieht sich der Begriff „Pop“ hier (die erste, große Überraschung) nicht auf das Genre Popmusik, sondern ist vielmehr als Sammelbegriff für populäre – / Unterhaltungsmusik zu sehen, der – gerade in den letzten Jahren populär gewordene – Deutschpop wird quasi gänzlich ignoriert, lediglich Mark Forster taucht als Vergleich in einem Satz kurz auf.
Die zweite große Überraschung ist die Schwerpunktsetzung des Buches. Natürlich kann man bei den unzähligen Songs, Bands und Interpreten keinen wie auch immer gearteten vollständigen Überblick erwarten. Dass aber Generationen prägende Bands wie „Die Ärzte“ oder „Die Toten Hosen“ gänzlich außen vor gelassen werden, oder auch die NDW nur kurz erwähnt wird, verwundert dann doch, wenn man bedenkt, dass seitenweise über „AG Geige“ oder „Flying Lesbians“ berichtet wird. Gleiches gilt übrigens für Ostdeutschland (AG Geige stammt ja zum Beispiel von dort) – auch hier wurden die populären Bands wie Karat, Silly, Keimzeit o.ä. gänzlich ignoriert.
Abgesehen davon gelingt es Jens Balzer dennoch, durchaus spannende und interessante Fakten mit – dem Highlight des Buches – teils lustigen, teils bizaren Songtexten zu vermischen. Dass sich naturgemäß Kapitel, die dem eigenen Musikgeschmack entsprechen, besser lesen als die zum Beispiel zum modernen Hip-Hop, dessen Sontexte nur für Ekel und Kopfschütteln sorgen, erschließt sich dabei von selbst.
Da Jens Balzer zum Buch gleich eine Spotify-Playlist mitliefert, kann die Lektüre durchaus auch von passender und unpassender Musik beleitet werden – sie erleichtert es jedenfalls Einsteigern, sich in der deutschen Musik zurechtzufinden und ermöglicht es, in im Buch entdeckte Songs teils direkt einmal reinzuhören.
Die Buchgestaltung ist solide. Lektorat und Korrektorat haben sauber gearbeitet, der Buchsatz ist fehlerfrei, aber – gerade beim Setzen der Songtexte – etwas mutlos. Der Schutzumschlag ist auf dem ansehnlichen Covermotiv hochwertig geprägt, der restliche Umschlag und das darunter befindliche Buch sind sehr schlicht.
Mein Fazit? „Schmalz und Rebellion: Der deutsche Pop und seine Sprache“ ist ein interessantes und informatives Sachbuch, das vor allem durch die eingestreuten Songtexte glänzen kann, gleichzeitig aber auch Schwächen in der Auswahl und Schwerpunktsetzung hat. Für Musikinteressierte dennoch zu empfehlen.