[Buchgedanken] Lou Bihl: „Putin im Wartezimmer“

Vor kurzem habe ich „Putin im Wartezimmer“ von Lou Bihl gelesen. Der mit Illustrationen von Daniel Horowitz versehene Roman ist 2023 im Unken Verlag veröffentlicht worden und der Gegenwartsliteratur zuzurechnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.

Diskussionen im Ernährungskurs: Das aktuelle politische Geschehen in zehn Einheiten Ist Putin ein strategisches Genie oder ein größenwahnsinniger Despot? Und wie hilft man der Ukraine am besten? – Im Wartezimmer der Frau Doktor geht es hoch her: Von der Abiturientin über die Putzfrau mit Migrationshintergrund bis hin zum pensionierten Geschichtsprofessor – alle vertreten lautstark und mit Überzeugung ihre Meinung. Erst ein Schicksalsschlag schweißt die sehr unterschiedlichen Teilnehmer:innen zusammen

„Putin im Wartezimmer“ ist der dritte unter dem Pseudonym Lou Bihl veröffentlichte Roman von Marie Luise Sautter-Bihl – früher selbst Ärztin, zugleich auch Verlegerin des Unken Verlags. Seitens des Verlags als „politischer (Arzt-)Roman“ betitelt, habe ich das Buch doch eher der Gegenwartsliteratur zugerechnet, auch wenn der Roman durchaus auch humoristische Züge aufzeigt. So oder so lässt er sich schwerlich in eine Genreschublade stecken – aber ungewohnte Zeiten, erfordern wohl auch ungewöhnliche Mittel.

Die Handlung ist kurzweilig, wenn auch – im Wesentlichen – vernachlässigbar. So lebt das Buch vor allem von den Diskussionen zwischen den Teilnehmenden des Kurses über wichtige Themen und (damals) aktuelle geo- und gesellschaftspolitische Fragestellungen und mutet fast kammerspielartig an. Darüber hinaus werden lediglich die einzelnen Protagonisten kurz vorgestellt, bevor im letzten Buchabschnitt durch den – schon im Klappentext angekündigten – Schicksalsschlag doch noch etwas Bewegung in die Handlung kommt. Etwas irritierend – gerade am Anfang – ist zudem, dass das Buch aus zwei verschiedenen Ich-Perspektiven erzählt wird.

Das Setting ist innovativ. Einen Abnehmkurs mit Teilnehmenden, die einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden, als Nährboden für politische und gesellschaftliche Diskussionen zu nutzen, ist mal was ganz anderes – so kommt Stammtischfeeling vor dem Vortrag zu gesunder Ernährung, der – wie übrigens auch alle anderen Kursinhalte – nicht im Buch vorkommt, auf. Ganz von dem Thema Gesundheit kann sich Lou Bihl dennoch nicht lösen – so taucht in den Vorstellungen der Patienten doch das ein oder andere Krankheitsbild, die ein oder andere Hintergrundgeschichte auf.

Die einzelnen Figuren sind zwar etwas holzschnittartig angelegt, zeigen im Verlauf der Handlung aber durchaus Entwicklungspotentiale und andere Seiten von sich. Hierbei überzeugen vor allem Frau Luxner und Kevin, während Amira etwas blass verbleibt. Lou Bihls Schreibstil ist dabei leicht und flüssig zu lesen, humorvoll und zeugt von guter Recherche.

Die Buchgestaltung ist noch im Rahmen. Dem Lektorat und Korrektorat ist zumindest bei der Erstellung des Glossars einiges durchgerutscht, der Buchsatz ist unaufgeregt und wird durch die an Rorschach-Tests erinnernden Illustrationen von Daniel Horowitz unterstützt. Der Buchumschlag ist auf dem Cover leicht geprägt und mit Klappen versehen, das unter dem Umschlag befindliche Buch eher schlicht. Auch das Covermotiv ist eher unscheinbar – allerdings zieht sich das Titelbild durchaus gelungen über Buchrücken, Coverrückseite und Klappen und lässt somit ein ununterbrochenes Gesamtbild entstehen.

Mein Fazit? „Putin im Wartezimmer“ ist ein gut recherchierter Roman der Gegenwartsliteratur mit innovativem Setting und spannenden Fragestellungen, aber auch etwas wenig Handlung. Für Leser des Genres dennoch zu empfehlen.

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