[Buchgedanken] Anne Prettin: „Die vier Gezeiten“

Vor kurzem habe ich „Die vier Gezeiten“ von Anne Prettin gelesen. Das Buch ist 2021 bei Lübbe, Bastei Lübbe AG, erschienen und dem Genre Familiensaga zuzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über die Bloggerjury.

Die Kießlings gehören zu Juist wie die Gezeiten. Als Patriarch Eduard das Bundesverdienstkreuz erhält, kommen sie alle zusammen: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Doch in die Generalprobe platzt Helen aus Neuseeland, die behauptet, mit der Sippe verwandt zu sein. Und tatsächlich: Sie ist Adda wie aus dem Gesicht geschnitten. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Denn Adda ahnt: Der Schlüssel zur Wahrheit liegt im familieneigenen Hotel de Tiden, dort, wo vor 75 Jahren alles begann.

„Die vier Gezeiten“ ist eine packende, mitreißende Geschichte, ein Buch über die Kraft der Liebe, über Geheimnisse, Verrat und Schuld. Und es ist ein Buch über Freundschaft, über Zusammenhalt und Verzeihung – ein Epos über das Innerste einer Familie. Dabei kommt der symbolträchtigen „Vier“ eine zentrale Rolle in der Geschichte zu. Vier Generationen, vier Töchter – vier Gezeiten.

Das Buch spielt im Wesentlichen auf drei Zeitebenen: der „Gegenwart“ im Jahr 2008, der Jugend Johannes um 1934 und der Jugend Addas um 1956/57. Allerdings wird über Tagebucheinträge, die ich um Spoiler zu vermeiden nicht weiter klassifizieren möchte, „überraschenderweise“ eine vierte Zeitebene eingebaut. Durch den ständigen Wechsel zwischen den Ebenen ist die Handlung sehr sprunghaft und unstet, greift aber im Wesentlichen gut ineinander, auch wenn man sich bisweilen etwas orientieren und die Namen sortieren muss.

Insgesamt packt die Handlung den Leser durchaus und sorgt dafür, dass er mit den Figuren mitfiebert, mitlacht und -trauert. Allerdings habe ich das Gefühl, dass sich Autorin und Geschichte in der Mitte des Buches etwas verlieren, bevor das Ende rasant, unerwartet plötzlich – und vor allem viel zu kurz und verdichtet daherkommt. Hier hätten einige Seiten mehr, etwas Entschleunigung durchaus gut getan – und zur Not hätten sie früher eingespart werden können.

Abgesehen davon gibt es allerdings wenig zu bemängeln. So ist die Kulisse, das Setting des idyllischen Juist über Generationen hinweg, bezaubernd, und die einzelnen Charaktere sind im Wesentlichen dreidimensional und vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Und auch wenn einige Entwicklungen vorhersehbar sind, einige Geheimnisse sich bereits vorausahnen lassen, so überrascht die Autorin doch den Leser zusammen mit den Figuren immer mal wieder auch mit unerwarteten Wendungen. Dabei lässt sich Anne Prettins Schreibstil wunderbar und flüssig lesen, er ist gefühlvoll und humorvoll und sorgt dafür, dass beim Leser das Kopfkino sofort anspringt.

Die Buchgestaltung überzeugt ebenfalls überwiegend. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, das Cover ist farblich toll und leicht geprägt, das Titelbild allerdings etwas belanglos, hier hätte etwas mehr Bezug zum Inhalt aus meiner Sicht nicht geschadet.

Mein Fazit? „Die vier Gezeiten“ ist eine gelungene Familiensaga, ein Roman über kleine und große Geheimnisse, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der vor allem durch ein tolles Setting und eine spannende Handlung glänzt, in der Mitte aber kleinere Längen hat. Für Leser des Genres dennoch bedenkenlos zu empfehlen – ab dem vom Verlag empfohlenen Lesealter von 14 Jahren.

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